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SEARCH MARKETING

Gestyltes AdSense: CTR-Turbo oder Conversionkiller?

Jens von Rauchhaupt, 2. Dezember 2011

Das ist schon ein wenig ungewöhnlich: Nicht der Advertiser, sondern der Werbeträger bestimmt bei Google AdSense das Aussehen der Werbung. Die Schriftart, -größe und -farbe der Textanzeigen liegen im Ermessen des Website-Anbieters. Von dieser Möglichkeit, die Werbung stilistisch an das Aussehen der eigenen Website anzupassen, machen die Publisher lebhaft Gebrauch. Schließlich bringen versehentliche Nutzer-Klicks bares Geld. Zum Leidwesen anderer?

Ob golem.de, macnews.de oder Focus.de, die Liste der Publisher kann mühelos fortgesetzt werden, bei denen die eingebundenen Google-AdSense-Anzeigen vom „echten“ Webseiteninhalt kaum mehr zu unterscheiden sind. Zufall? Wohl kaum. Formal juristisch ist diese Verschleierungstaktik unbedenklich. Denn die AdSense-Anzeigen enthalten den Hinweis, eine „Google Anzeige“ zu sein. Allerdings wird dies nicht immer für den Nutzer deutlich.

Screenshot golem.de

Die stilistische Verwandtschaft zwischen redaktionellen Inhalten und den Anzeigen ist in vielen Fällen derart frappierend, dass der User leicht auch aus Versehen auf die Anzeige klickt. Ärgerlich für den, der hinter seinem Klick weiteren Content und keine Werbung erwartet. Negative Kommentare zu Schleichwerbung machen im Forum des Publishers dann die Runde.

Vergessen wir aber für einen Augenblick den Nutzer, denn welche Parteien profitieren von dieser Verschleierungstaktik überhaupt? CPC-Anzeigen kosten den Advertiser erst einmal Geld. Geld, das Google für sich und seinen Publisher einstreicht. Matthias Wittenberg, Senior Consultant bei der Searchmarketing-Agentur Blue Summit Media: „Der AdSense-Publisher profitiert in der Regel kurzfristig durch ‚contentnah‘ integrierte Anzeigen, zumal die Klickraten tendenziell auf die Anzeigen steigen und somit in der Regel auch die AdSense-Umsätze.“

Jürgen Schlott, Marketing-Leiter der Tomorrow Focus Media berichtet über die AdSense Stilübungen bei Focus.de: "Wir haben uns nach umfangreichen AB-Tests für die Variante mit der höchsten Click-Through-Rate, also die beim User beliebteste Variante, entschieden. Dabei wurden unterschiedliche Layouts getestet, das heißt welche Hintergrundfarben, Schriftfarben sowie Schriftgrößen am besten beim User ankommen."

Jeder Publisher, der im Google-Display-Netzwerk angeschlossen ist, kann wie die Verantwortlichen bei Focus Online den Stil der AdSense-Anzeigen beeinflussen und beispielsweise in der Voransicht der Newsseite geschickt AdSense-Anzeigen einbauen. Dazu müssen die Publisher keine besonderen Voraussetzungen erfüllen, bestätigte Google auf unsere Nachfrage. Google zeigte sich leicht irritiert über unser Interesse an AdSense. Schließlich sei es doch allgemein anerkannt, dass alle Beteiligten davon profitieren, eben auch die Advertiser, so die Meinung bei Google in Hamburg.

Screenshot Focus.de

Zweifel sind erst einmal angebracht. Müssten solche Publisher-Maßnahmen nicht die Klickrate dieser Anzeigen nach oben treiben, die Conversions aber gleichzeitig in den Keller gehen? Um es vorwegzunehmen: überraschenderweise nicht. Auf unsere Nachfrage bei einigen Suchmaschinenmarketing-Agenturen weisen diese „gestylten“ AdSense-Anzeigen neben höheren Click-Through-Raten (CTRs) eben auch höhere Conversions auf. Solange die AdSense-Anzeigen die vom Kunden erwünschte Conversion bringt, scheint es den Agenturen auch nicht zu stören, wie der Publisher sie dabei stilistisch unterstützt. Bei den meisten Werbungtreibenden heißt das primäre Ziel im Performance-Marketing nun einmal Umsatz- und Salessteigerung:

René Schweier

„Wenn in der Gesamtbetrachtung diese Performance stimmt, ist für den Advertiser i. d. R. alles in Ordnung. Die CTRs fallen generell besser aus, je besser die Anzeigen zum Themenumfeld der Seite passen und je besser sie darin integriert sind – in vielen Fällen ist dies aber auch eine Grundvoraussetzung für eine gute Conversion, dann ist ohnehin alles in Ordnung“, sagt René Schweier, CEO vom Suchmaschinenmarketinganbieter Hurra.com.

Es sind ja weniger die Werbungtreibenden selbst, als die eigens dazu beauftragten Searchenginemarketing- beziehungsweise Searchengine-Advertising- (SEA) Agenturen, die die Textwerbung als Placement-Kampagne in das Google-Display-Netzwerk einbuchen. Diese SEA-Agenturen setzen dabei auf das Potenzial des reichweitenstarken Google-Display-Netzwerks als „Push-Instrument“, wie Schweier sagt. Anders als bei der AdWords-Anzeigen, bei denen der Nutzer sein Interesse durch seine Suchanfrage bereits zum Ausdruck gebracht hat, soll die AdSense-Anzeige den Nutzer zum dahinterliegenden Inhalt und der gewünschten Conversion führen.

Zudem besitzen die Agenturen die Kontrollhoheit über die Placement-Kampagnen und könnten so jederzeit Einfluss nehmen, argumentiert Wittenberg von Blue Summit: „Bei dem Management und der Steuerung von SEA-Kampagnen mit Ausrichtung auf das Google-Display-Netzwerk müssen Advertiser gezielt die Performance der jeweiligen Publisher-Seiten prüfen. Somit kann durch den Ausschluss von unrentablen Platzierungen in den entsprechenden Bereichen die Performance ihrer Marketingmaßnahmen optimiert werden. Als Advertiser ist es zu empfehlen, die Potenziale des Google-Display-Netzwerkes zu nutzen, zumal eine hohe Reichweite zu guten Eckwerten zu erreichen ist – Optimierungsmaßnahmen vorausgesetzt.“

Diese Art der Werbung könnte jedoch in Teilen der Zielgruppe ein negatives Bild auf den Werbungtreibenden werfen, jedenfalls dann, wenn die Anzeige kontextuell weniger gut zum Umfeld des Users passt. Zwölf Prozent Rendite für einen Holzfonds ist nicht das, was sich gleich jeder macnews.de-Leser von seiner Lektüre erhofft. Diese Enttäuschung im Surferlebnis könnte dem werbenden Fondsanbieter angelastet werden. Überprüft also der Werbungtreibende oder seine Agentur überhaupt nach optischen Gesichtspunkten die Anzeigen und die Umfelder?

AdSense-Mimikry bei macnews.de
Oliver Zenglein

Es scheint, die Mehrheit hat vorrangig Anzeigen-Performance, also die numerischen Kennzahlen im Sinn. Denn dies ist ja auch ihre Aufgabe. Vielen Advertisern ist noch immer nicht bewusst, ob und wo genau ihre Anzeigen in Googles-Display-Netzwerk laufen. Dabei wäre es ein Leichtes, dies festzustellen: „Man kann sich die Placement-Berichte ziehen und jede einzelne URL anschauen, wo die Anzeige gelaufen ist. Der Advertiser wird ja nicht daran gehindert, das zu tun oder von seiner Agentur die Einsicht zu verlangen“, sagt der erfahrene Online-Marketing-Berater Oliver Zenglein. Doch Usus ist ein solche Überprüfung tatsächlich nicht, auch nicht aufseiten der Agenturen. Zenglein will hier aber nur für sich sprechen: „Wir schauen uns die Placements hin und wieder an und schließen ungeliebte Placements aus. Das gehört für uns zu den täglichen Hausaufgaben bei der Optimierung des AdWords Accounts.“

Wie Schweier und Wittenberg will auch Zenglein die stilistisch angepassten AdSense-Anzeigen nicht verteufeln. Das Gegenteil sei auch nach seiner Ansicht eher der Fall: „Wenn es nur darum geht, den Nutzer in die Irre zu führen, dann ist das natürlich ein Problem. Wenn aber die Ads relevant sind, bieten sie ja auch dem Nutzer und auch dem Advertiser einen Mehrwert.“

Und dieser Mehrwert habe – jedenfalls für den Advertiser – mehrere Facetten, wenn man wie Schweier von Hurra.com den Blick fürs Ganze hat. „Wenn die Anzeigen zum Thema und zur Zielgruppe der Seite passen, kann dies sehr sinnvoll sein. Das Gebotsprinzip von Google ermöglicht ja, bei höheren CTRs günstigere CPCs zu erhalten. Insgesamt betrachten wir im Content-Bereich eher effektiven TKP – sofern kostengünstig – und berücksichtigen indirekte Uplift-Effekte auf andere Kanäle sowie auf den Searchbereich. Wer im Contentbereich rein auf die Direktconversion abzielt, hat das Geschäft unseres Erachtens nach nicht richtig verstanden.“

Fazit

Die verschleierten AdSense-Anzeigen bringen Advertisern mehr, als auf den ersten Blick angenommen. Neben höheren CTR, die sicherlich auch für weitere Re-Marketing- (Re-Targeting-)Maßnahmen von Vorteil sein können, konvertieren sie tatsächlich auch gut. Ob dieser stilistische CTR-Turbo schädigende Auswirkungen auf die Marke bzw. das werbungtreibende Unternehmen hat, liegt weniger im Aufgabenbereich des Performance-Marketings, sich aber als Advertiser dazu überhaupt keine Gedanken zu machen, wäre einfach naiv. Eines sollte in diesem Zusammenhang nicht vergessen werden: Der Nutzer hat immer die freie „Programmwahl“ und der Wettbewerb ist groß. So gesehen, gibt es langfristig nur eine Sorte von Verlierern: Publisher, die es mit ihren AdSense-Anpassungen übertreiben.

Jürgen Schott von Tomorrow Focus ist jedenfalls überzeugt bei Focus.de den Bogen bisher nicht überspannt zu haben: "Die Anzeige ist trotz des angepassten Layouts als Anzeige gekennzeichnet, beispielsweise durch einen größeren weißen Rand. Da unsere User sich noch nie beschwert haben, sind wir uns sicher, dass sie sich nicht gestört oder beeinflusst fühlen."

Bild Jens v. Rauchhaupt Über den Autor/die Autorin:

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