Behavioural-E-Mail und eRFM – die nächsten Schritte im E-Mail-Marketing
Jakob Gomersall, 26. August 2011Relevanz ist der Schlüssel. Je relevanter eine Werbebotschaft für den Empfänger ist, desto wahrscheinlicher wird er der Einladung zum Konsum folgen. Behavioural-E-Mail ist das Konzept für maximale Relevanz im E-Mail-Marketing. Dafür sorgt die nahtlose Integration von E-Mail-Marketing und Webanalyse. Das Ergebnis: weit überdurchschnittliche Öffnungs-, Klick- und Conversionraten.
Behavioural-E-Mail basiert auf einer alten Einsicht: Nicht alle Kunden sind für ein Unternehmen gleich wertvoll. Das klassische Direktmarketing entwickelte daher die erprobte und bewährte Segmentierungsmethode RFM: Recency, Frequency, Monetary Value. Anhand dieser drei Faktoren können Kunden in ihrer Bedeutung für den Umsatz unterschieden werden, sofern man die Annahme gelten lässt, dass ihre zukünftigen Kaufaktivitäten aus Daten über ihre vergangenen abgeleitet und vorhergesagt werden können. Wer vor kurzem bestellt hat, kommt schneller wieder (Recency), wer häufiger bestellt, kauft eher wieder (Frequency), wer mehr Geld ausgibt, tut dies auch weiterhin (Monetary Value). Das Pareto-Prinzip galt früher, es gilt auch heute noch: 20 Prozent der Kunden bringen 80 Prozent des Umsatzes.
Im Offline-Direktmarketing wird nach wie vor nach RFM segmentiert, um engagierte Konsumenten von Karteileichen zu trennen. Erstere werden effizient angesprochen, Letztere aus den Verteilern entfernt. Diese Segmentierung spart Geld gegenüber dem uniformen Massenversand. Das im Vergleich zur postalischen Variante günstigere E-Mail-Marketing hat jahrelang die Vorzüge der Segmentierung beiseite gedrängt. Spray and pray hieß die Devise – und heißt sie oft heute noch. Die Tausender-Kontakt-Preise (TKPs) für versendete E-Mails befinden sich im Sinkflug. Anbieter aus aller Welt drängen mit Kampfpreisen auf den deutschen Markt und erhöhen damit den Anreiz für ungezielte Massenversendungen.
Aber dieser Weg führt in eine Sackgasse. Nicht nur für E-Mail-Service-Provider (ESPs), die unter dem Preisdruck ächzen. Auch für Werbetreibende hat das Konzept des uniformen Massenversands mangels nennenswerter Öffnungsraten keine Zukunft. Der Grund: fehlende individuelle Relevanz der Inhalte. Google, GMX, Yahoo! und Co. registrieren sehr genau, ob sich ihre Nutzer E-Mails anschauen. Versender, deren E-Mails stets ungelesen gelöscht werden, landen zunehmend auf Blacklists. Über kurz oder lang werden diese Low-Interest-Mails in Extraordner abgeschoben oder einfach blockiert werden.
Individuelle Relevanz entscheidet über Erfolg
Der einzige Weg zu höherer Zustellbarkeit und mehr Engagement führt über individuelle Relevanz. Relevanz sorgt für Öffnungen und Aktivität. Da sich Relevanz am Userverhalten ablesen lässt, sind verhaltensbezogene Daten der Schlüssel zum Erfolg. Das Öffnungs- und Klickverhalten der Newsletter-Empfänger sowie deren Bewegungen auf der Website messen alle ESPs. Aber nur ein Bruchteil potenzieller Kunden kommt über Newsletter zur Website. Um alle Besucher verstehen und mit relevanten Angeboten aktivieren zu können, muss das Verhalten aller User ohne deren Herkunft als Filter getrackt werden. Im Konzept Behavioural-E-Mail ist diese Integration von E-Mail-Marketing und Webanalyse in einer Software realisiert.
Behavioural-E-Mail meint, dass sich Inhalt und Versandzeitpunkt von E-Mails am individuellen, unmittelbar erhobenen sowie gespeicherten Verhalten eines Users orientieren. Die Kenntnis aktueller Präferenzen und vergangener Aktivitäten erlaubt dem Werbetreibenden, in Echtzeit die Angebote zu unterbreiten, die der User bekommen möchte. Trigger-E-Mails, beispielsweise Auftragsbestätigungen, erfolgen zwar auch unmittelbar, sind aber standardisiert und haben nichts mit persönlichen Präferenzen zu tun. Gängiges E-Mail-Remarketing auf Basis der Klickaktivitäten in Newslettern greift ebenfalls zu kurz: Je nach Studie kommen nur zwischen drei und 20 Prozent der User über Newsletter auf Websites. Der Großteil der Besucher wird in diesem Konzept gar nicht erfasst. (Bei dieser Gelegenheit ein semantischer Hinweis: „Remarketing“ ist „Retargeting“ mit Opt-in.)
Effektives Behavioural-E-Mail-Marketing basiert auf einer Datenbank für Kontakt- und Tracking-Daten. Sie speichert historische und aktuelle Daten über die Interaktionen mit E-Mails und der Website. Darüber hinaus kann sie mit anderen CRM-Daten angereichert werden. Aus dieser Datenbank heraus werden automatisiert individuell relevante E-Mails generiert und zum optimalen Zeitpunkt versendet. Welcher Zeitpunkt optimal ist, kann getestet werden.
Behavioural-E-Mail in der Praxis
Wenn die historischen Daten belegen, dass ein Kunde alle sechs Monate ein Paket schwarze Strümpfe kauft, so macht es Sinn, ihm diese proaktiv anzubieten. Zeigen aktuelle Tracking-Daten, dass er sich auf der Website Unterhemden angesehen hat, sollte diese Chance zum Cross-Selling genutzt werden. Und zwar automatisiert und in Echtzeit, solange der Bedarf besteht und noch nicht anderweitig befriedigt wurde. Gerade bei anlassbezogenem Interesse, etwa vor Geburtstagen oder Weihnachten, ist das Tempo entscheidend. Wer hektisch nach einem Geschenk sucht, braucht individuell relevante Angebote in Echtzeit, nicht erst am nächsten Sendetermin des Newsletters. An die Stelle unflexibler Standardprogramme treten ausdifferenzierte Behavioural-Trigger für alle möglichen Segmente, die anhand des Kundenverhaltens gebildet werden.
Noch ein Beispiel: Ein Ferienparkbetreiber kämpft mit zahlreichen Buchungsabbrüchen. Diverse Offline- und Online-Werbemaßnahmen führen viele Besucher auf die Seite, die in den Buchungsprozess einsteigen, bereitwillig ihre Kontaktdaten angeben und in die Kommunikation via E-Mail einwilligen. Aber die Hälfte der Kunden in spe verlässt die Website vor der Buchung. Die Website des Anbieters wird mit Tags versehen, sodass das individuelle Online-Verhalten jedes Besuchers erfasst und nachvollzogen werden kann. Anhand dieser Daten aus der Webanalyse werden Segmente gebildet, die sich nach Produktinteresse und Verhalten im Buchungsprozess voneinander abgrenzen lassen.
Die verhaltensbezogene Analyse zeigt deutlich, dass der Großteil potenzieller Kunden auf der dritten Stufe des Buchungsprozesses – Unterkunft und Preise – aussteigt. Zur Reaktivierung erhalten diese preissensiblen User eine E-Mail, die darauf hinweist, wie viel Geld sich durch eine frühe Buchung sparen lässt. Interessenten, die bei ihrem Besuch auf der Website eine Präferenz für ein Reiseziel signalisiert haben, erhalten hingegen eine E-Mail, die die besonderen Vorzüge der jeweiligen Destination betont. Die personalisierten E-Mails werden innerhalb eines mehrfach getesteten und optimierten Zeitrahmens nach Buchungsabbruch versendet; die Erinnerung ist frisch, die Wahrscheinlichkeit einer bereits erfolgten Umorientierung gering. Mit einer Öffnungsrate und einer Click-through-Rate von über 50 Prozent erzielt allein die Warenkorbabbruch-Kampagne eine Conversion-Rate von gut fünf Prozent innerhalb des ersten Monats.
Dieser Erfolg ist nur durch die nahtlose Integration von E-Mail-Marketing und Webanalyse in einer Lösung möglich. Dass gleiche Ergebnisse bei langwierigen Austauschprozessen über Schnittstellen zwischen separaten E-Mail-Servern und Webanalyse-Tools möglich wären, ist sehr unwahrscheinlich.
Übrigens: Die Zusammenführung persönlicher und verhaltensbezogener Informationen in einer Datenbank entspricht der geltenden Rechtslage in Deutschland. Im Falle von Behavioural-E-Mail geht es um Zustimmung auf zwei Ebenen: E-Mail und Web-Tracking. Um E-Mails zustellen zu dürfen, bedarf es einer Einwilligungserklärung des Empfängers. Ohne Opt-in keine E-Mail-Kommunikation.
Web-Tracking via Cookies ist gängige Praxis und bedarf lediglich einer Erläuterung auf der Website. Usern steht es frei, ihre Zustimmung jederzeit zu widerrufen. Allerdings zeigt die Erfahrung, dass Empfänger die persönliche und inhaltlich höchst relevante E-Mail-Kommunikation als echten Mehrwert schätzen. Die Abmeldequoten bei Behavioural-E-Mail-Programmen liegen weit unter dem Branchenschnitt. Denn wirklich ärgerlich sind doch nur Posteingänge, die mit völlig uninteressanten E-Mails ohne individuellen Bezug verstopft werden.
Prinzip: Single Customer View
Je konsequenter alle Datenquellen nach dem RFM-Prinzip integriert werden, desto präziser können die individuellen Bedürfnisse jedes einzelnen Kunden eingeschätzt und die E-Mail-Kommunikation danach ausgerichtet werden. Erst wenn der Umgang mit E-Mails, das Surfverhalten und das Kaufverhalten in einer einheitlichen, individuellen Kundensicht (Single Customer View) zusammengeführt werden, ist eine automatische, umfassende und datenbankgestützte eRFM-Strategie möglich. (Wohlgemerkt: e wie engagement, nicht electronic.) Eine so integrierte, datengesteuerte E-Mail-Strategie beinhaltet regelmäßige Aussendungen, automatisierte, auf den Kundenlebenszyklus bezogene E-Mails sowie verhaltensbezogene Trigger-E-Mails gleichermaßen und erzielt so maximale individuelle Relevanz.
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