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MOBILE

Mobile Couponing: Chancen und Hürden für den Einzelhandel

Bernd Lindemann, 8. März 2011

Dieser Tage ist viel zu lesen und zu hören von der Konvergenz der vier Screens (PC, mobile Endgeräte, TV, Infotainment-Systeme im Auto). Neben der Konvergenz der Screens gibt es allerdings eine weitere Form der Konvergenz, die das Zeug hat, unsere alltäglichen Interaktionen und Transaktionen grundlegend zu verändern: Die durch die zunehmende Verbreitung von Smartphones vorangetriebene Online-Offline-Konvergenz, mit anderen Worten das Schließen der Lücke zwischen digitaler und physischer Welt.

Die Instrumente dieser Konvergenz, wie Mobile Couponing, Location-based Services, Mobile Tagging oder Augmented Reality, bieten stationären Händlern große Chancen, Kunden zu gewinnen und zu binden – wenn sie einfach und reibungslos funktionieren und sicher einzusetzen sind. Am Beispiel Mobile Couponing sollen im Folgenden diese Chancen, aber auch bestehende Hürden speziell für den Einzelhandel beleuchtet werden.

Mobile Kampagnen und Auftritte sollten sich 2011, einem Jahr, in dem die BITKOM prognostiziert, dass die 10-Millionen-Marke bei den Smartphoneverkäufen geknackt wird, nicht mehr auf von Gimmicks getriebenes Marketing beschränken. Ebenso wenig darf der Imagefaktor die Hauptmotivation für eine mobile Präsenz sein, denn der Neuigkeitswert ist langsam weg. Der Apple App Store geht immerhin auch schon in sein viertes Jahr. Es muss vielmehr darum gehen, echte mobile Mehrwerte für die Nutzer zu schaffen. Um dieses Ziel zu erreichen, gilt es, die Online-Offline-Konvergenz ins Auge zu fassen, die das Smartphone als Interface und Mittler zwischen digitaler und physischer Welt ermöglicht.

Die Instrumente dieser smartphonegetriebenen Konvergenz sind allesamt nicht neu. Ihnen gemeinsam ist allerdings, dass sie jetzt erstmals eine kritische Masse erreichen. Die guten alten Location-based Services (kurz: LBS) etwa haben die überzogenen Erwartungen und das Tal der Tränen des klassischen Hypezyklus hinter sich. Foursquares sieben Millionen Nutzer und seine 3.400 % Wachstum an Check-ins im Jahr 2010 sprechen eine deutliche Sprache, genauso wie die Adaption des Check-in-Prinzips durch Facebook, das mittlerweile 200 Millionen User mobil erreicht.

Im LBS-Kontext erlebt derzeit das Couponing, online wie offline von jeher eines der klassischen Marketinginstrumente, eine Renaissance. Zu Dickschiffen wie Groupon, Facebook Deals und Foursquare Special Offers gesellen sich zahlreiche deutsche Anbieter wie kaufDA, Coupies, Gettings oder MyMobai, die um die Gunst der Smartphonebesitzer wie der Werbetreibenden buhlen. Payback wiederum hat durch seine Applikationen für iPhone und Android, über die bereits über 300.000 Coupons eingelöst wurden, seinen bestehenden Kanälen Print, Online und Newsletter den mobilen Kanal erfolgreich zur Seite gestellt. Während die deutsche Mobile-Couponing-Landschaft derzeit noch von Portalen, Plattformen und Aggregatoren wie den oben genannten beherrscht wird, setzt beispielsweise Netto Marken-Discount auf eine eigene Lösung. Dies hat den Vorteil, dass die Angebote des Händlers nicht direkt neben denen seiner Konkurrenz stehen und das Couponing passgenau für ihn und seine Marke aufgebaut werden kann.

Mobile Couponing kommt bei den Kunden an. Laut einer aktuellen Studie des Coupon-Dienstleisters Arcado und des Marktforschungsinstitutes Respondi, für die 1.000 Personen befragt wurden, sind 67 % der Kunden an mobilen Coupons interessiert. Durch den Transport des Gutscheins in den hippen Smartphonekontext werden darüber hinaus neue und jüngere Zielgruppen, die bisher noch nie Coupons eingelöst haben, mit diesem Thema erreicht. 63 % der Befragten halten Unternehmen, die mobile Coupons einsetzten, für innovativ, 43 % überdies für kundenorientiert.

Die Vorteile mobiler Coupons im Vergleich zu Print- und Online-Gutscheinen liegen auf der Hand: Sie sind immer aktuell, man hat nicht den Aufwand, sie auszudrucken oder auszuschneiden, und man muss nicht daran denken, sie beim nächsten Besuch im Laden des Vertrauens auch wirklich mitzunehmen. Stattdessen haben die Kunden sie direkt auf dem Smartphone und somit immer mit dabei, denn nach einer gemeinsamen Studie von Otto und Google gehen 75 % der Handybesitzer nie ohne ihr Gerät aus dem Haus. Hinzu kommt bei den mobilen Couponing-Diensten der Ortsbezug und somit die Sortierung der vorhandenen Coupons, Deals und Sonderangeboten nach der Entfernung der teilnehmenden Händler vom aktuellen Standort. Auf diese Weise werden die Kunden genau dann erreicht, wenn sie in der Nähe des Angebotes sind, was wiederum Impulskäufe ermöglicht.

So weit, so gut. Mobile Couponing hat aber auch Hindernisse zu überwinden. Diese lauern etwa in den Ungenauigkeiten und der fehlenden Sicherheit der Couponing-Applikationen aber auch in den physischen Begebenheiten vor Ort in den Läden oder Filialen. Als Beispiel für Ersteres sei Foursquare genannt. Der Dienst ermöglicht es Händlern, Gastronomen und Dienstleistern, einen User für das Einchecken vor Ort mit Sonderangeboten zu belohnen. Um das Einchecken einfach zu gestalten, nimmt es Foursquare vorsichtig ausgedrückt nicht sehr genau mit der Überprüfung, ob der User sich überhaupt am entsprechenden Ort befindet. So kann man sich etwa mühelos von zu Hause aus in der eigentlich Kilometer entfernten Lieblingskneipe einchecken.

Wenn nun diese Lieblingskneipe zum Beispiel für zehnmaliges Einchecken einen Gratiskaffee gewähren möchte, sollte sie sich vorher über diese Problematik im Klaren sein. Dasselbe gilt für Händler, die Kunden für ihre Treue, die sie durch wiederholtes Einchecken bei Foursquare und damit vermeintlich direkt im Laden oder in der Filiale des Händlers demonstrieren, mit Barrabatten belohnen.

Das Einlösen des Coupons im Laden wiederum kann gleich an mehreren Stellen zu Problemen und Aufwänden führen. Denn jetzt kommen das Personal und die Interfaces vor Ort ins Spiel, die das Gegenstück zum Smartphone mit der installierten Couponing-Applikation bilden. Der einfachste Weg, einen Coupon einzulösen, ist ihn an der Kasse vorzuzeigen. Dieser Weg führt allerdings zu Frustrationen, wenn das Personal nicht entsprechend geschult ist und daher den Gutschein nicht akzeptiert, was dem Autor bei Feldversuchen bereits mehrmals passiert ist. Auf diese Weise wird mobiles Couponing schnell vom Kundenbindungs- zum Kundenentfremdungsinstrument. Außerdem sollte im Falle des Einlösens durch Vorzeigen smartphoneseitig eine Tracking-Mechanik vorhanden sein, die die Anzahl der eingelösten Coupons nachvollziehbar macht und die Mehrfachnutzung von Coupons ausschließt.

Mehr Sicherheit für den Händler ist gewährleistet, wenn das Einlösen eines Coupons über das Kassensystem erfolgt, etwa durch das Eingeben einer TAN-Nummer oder das Scannen eines Barcodes. Dieses Szenario stellt die Händler allerdings vor finanzielle Herausforderungen. Die IT im Einzelhandel ist sehr häufig nicht auf dem neuesten Stand. So können ältere Scanner Barcodes nicht vom Smartphonedisplay lesen und müssten daher durch neuere und hochwertigere Scanner ersetzt werden.

In Zukunft kann hier möglicherweise Near Field Communication (NFC) Abhilfe schaffen, eine Technologie, die den kontaktlosen Austausch von Daten über kurze Distanzen ermöglicht. Die Smartphones der neuesten Generation werden 2011 mehrheitlich mit einem NFC-Chip ausgestattet sein und die für den Point of Sale benötigte NFC-Hardware ist vergleichsweise günstig. Zusätzlich heißt es aber, die bestehende Kassensoftware umzustellen, beziehungsweise das Couponing an die Kassensysteme anzubinden. Ein Prozess, der mehrere Monate beanspruchen kann.

Für Einzelhändler gilt es zu prüfen, welche der unterschiedlichen mobilen Couponing-Ansätze zu den eigenen Marketing-Zielen passen und die eigenen Sicherheitsstandards erfüllen. Ebenso sollten sie entstehende Aufwände beim Einführen eines Couponing-Systems oder beim Durchführen einer Couponing-Kampagne, wie die Anpassung der Kassensysteme und die Schulung des Personals, im Auge haben. Denn nur durch ein reibungsloses Funktionieren am Point of Sale wird mobiles Couponing mit seinen klaren Vorteilen – seiner breiten Akzeptanz, seiner ständigen Verfügbarkeit auf den Smartphones der Kunden sowie seiner kontextuelle Relevanz – zu einem wirklich effektiven Instrument zur Kundengewinnung und Kundenbindung.

Bild Bernd Lindemann Über den Autor/die Autorin:

Bernd Lindemann ist Geschäftsführer der digitalmobil GmbH & Co. KG, einer Full-Service-Agentur für Apps, mobiles Internet und mobiles Marketing.

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