Link vergessen - oder einfach nur eine starke Marke?
Alexander Hüsing, 10. November 2006Online-Werbung ist anders. Zumindest im Vergleich zu Print-, TV-, Radio- oder Plakat-Werbung. Im World Wide Web können sich Nutzer nach einem Klick auf eine Werbeanzeige sofort weiter über das beworbene Produkt informieren. Normalerweise. Coty Prestige Lancaster ging dagegen bei der Online-Kampagne für den Herrenduft Davidoff einen ganz eigenen Weg. Das Unternehmen verzichtete auf jegliche Verlinkung.
Der Durchbruch des Internets gelang durch Einführung des Hyperlinks. Mit der Erfindung des WWW im Jahre 1991 wurde das Internet zum Massenmedium. Auch als am 24. Oktober 1994 das erste Banner im Netz auftauchte, war es selbstverständlich verlinkt. Stolze 30.000 Dollar zahlte der Telekommunikationsriese AT&T vor zwölf Jahren, um auf der Website des Online-Magazins "Hotwired.com" zu werben. Das Resultat war enorm: Rund 40 % der Besucher führten ihren Mauszeiger über das hässliche Werbebanner, klickten und gelangten zur Website von AT&T. Seitdem haben Online-Nutzer eines gelernt: Werbeanzeigen im Internet sind interaktiv. Umso merkwürdiger sind Webanzeigen ohne Link. Zunächst geht wahrscheinlich jeder von einem Fehler aus und schmunzelt innerlich über den fehlenden Link.
Bei der Online-Kampagne von Coty Prestige Lancaster für den Herrenduft Davidoff Silver Shadow, die von Anfang Oktober bis Anfang November bei n-tv.de lief, war der nicht vorhandene Link kein Fehler, sondern Absicht. "Da es sich um eine reine Imagekampagne handelt, wurde bewusst auf abverkaufsfördernde Maßnahmen wie Hyperlinks verzichtet", teilte die verantwortliche Kreativ- und Mediaagentur Newcast mit. Der Duft werde zum echten Mehrwert für den Zuschauer, indem er spannenden Content liefere. Die Online-Kampagne ergänzte so die parallel laufende TV-Werbung. Viermal börsentäglich präsentierte Davidoff den Top-Kurs des Tages. Zu Beginn des Spots wanderte dabei der Silver-Shadow-Flakon vom linken zum rechten Bildschirmrand und wieder zurück.
Im Mittelpunkt der Web-Kampagne stand die Präsentation der aktuellen Börsenkurse, die in das fast seitenfüllende schwarze Werbebanner integriert waren. Daneben drehte sich - wie im TV - ein kleiner Silver-Shadow-Flakon. "Marke und Umfeld befruchten sich hier optimal", findet Lars-Eric Mann, Verkaufsdirektor IP Solutions beim n-tv-Vermarkter IP Deutschland. Bei einem Produkt, das zu einer so starken Marke wie Davidoff gehöre, sei es nicht zwingend notwendig, einen Link zu setzen. Die Einbettung in das Umfeld von n-tv.de spreche für sich selbst. Anders sähe es hingegen bei stark erklärungsbedürftigen Produkten aus.
Bei Produkten wie beispielsweise einer Reisedestination hält auch Rainer Markussen, Geschäftsführer G+J Electronic Media Sales, eine Verlinkung für mehr als sinnvoll: "Wenn es eine passende Art der Interaktion gibt, ist es keine gute Idee, darauf zu verzichten". In nichtklickbarer Online-Werbung sieht er hingegen eine Chance für Werbungtreibende, bei deren "Marke keine sinnvolle, zur Marke passende Interaktion denkbar ist". Etwa wenn das beworbene Produkt nicht über das Internet vertrieben werde. Markussen gibt gleichzeitig zu bedenken, dass Werbe-Kampagnen ohne Link für die User noch etwas ungewohnt seien. Es würde erwartet, dass man auf Online-Werbung klicken könne.
Auf Interaktion will auch Paul Mudter, Geschäftsführer InteractiveMedia CCSP, nicht komplett verzichten: "Denn auch wenn Branding und nicht Abverkauf im Vordergrund der Kampagne steht, ist es sinnvoll, dem interessierten User Gelegenheit zu geben, sich weiter über das Produkt oder die Marke zu informieren". Gerade das Beschäftigen des Konsumenten mit dem Brand bringe schließlich die erwünschte Werbeerinnerung und steigere die Markenbekanntheit. Einen entscheidenden Vorteil von nichtklickbarer Werbung sieht Mudter hingegen: Bei der Kreation und der Kernaussage könne man sich voll auf den Markenansatz konzentrieren und müsse nicht noch zwanghaft den Anreiz zur Interaktion unterbringen. Ob man es jedoch so konsequent mache und das Werbemittel gar nicht mehr verlinkt, bleibe abzuwarten.
Sowohl im TV als auch online sollte die Davidoff-Werbekampagne die "Produktbekanntheit stärken". Bereits vor dem Start zeigte sich Marc Baltin, Product Manager bei Lancaster, begeistert: "Unser Ziel, den Herrenduft Davidoff Silver Shadow neuartig und innovativ zu inszenieren, ist uns mit dem entstandenen Werbeformat optimal gelungen - sowohl im TV als auch online". Auswertungen des diesjährigen Werbefeldzugs liegen noch keine vor. Zumindest im Fernsehen hat die Kampagne laut IP Deutschland im vergangenen Jahr funktioniert. Die Ergebnisse einer Kampagnenbegleitstudie zeigen, dass "sowohl der Spot als auch der individuell gestaltete Werbeauftritt von den Befragten überaus positiv bewertet wurde". 72 Prozent der Befragten bezeichneten die Werbung demnach als außergewöhnlich. Insgesamt konnte sich jeder fünfte Befragte an die Davidoff-Werbung erinnern.
Ähnliche Zahlen für die Web-Kampagne wären ein Riesenerfolg für das Medium hinsichtlich der noch oft bezweifelten Wirkung von Online-Werbung. Noch immer trauen einige Unternehmen dem Netz Brandingerfolge nur halbherzig zu. Dabei belegen schon heute unzählige Studien eine Imagestärkung für die Marke durch ein Online-Engagement. Bei nichtklickbaren Kampagnen wird dieser Effekt vermutlich derzeit sogar höher liegen als bei normalen Werbeengagements. Werbebanner ohne Link sind derzeit selten und genießen deswegen wahrscheinlich eine höhere Aufmerksamkeit. Künftig müssen sich solche Kampagnen dann durch besonders kreative Ideen von normalen Kampagnen unterscheiden.