First-Party-Daten markenübergreifend nutzen – statt Geld zu verschenken
Daniel Meyer, 8. Dezember 2025Identität statt Insellösungen
Viele Unternehmen betreiben mehrere Marken und behandeln ihre Kunden dennoch wie völlig unterschiedliche Personen. Wertvolle First-Party-Daten bleiben in getrennten Systemen und Domains gefangen. Media-Budgets verpuffen unnötig und Analysedaten fehlt die nötige Tiefe, um echte Mehrwerte zu liefern. Dabei ist es längst möglich, Identitäten markenübergreifend und in Echtzeit zusammenzuführen. Der Aufbau eines unternehmensweiten Identity Graph ist rechtlich sauber machbar. Unternehmen, die diese Chance nicht nutzen, verschenken Effizienz, Relevanz und messbares Wachstum. Dieser Artikel zeigt, warum Datensilos zum Geschäftsrisiko werden und wie Technologie ihr verborgenes Potenzial freilegt.
Der Kunde ist derselbe, die Daten sagen etwas anderes
Ihre Marken kennen denselben Kunden nicht? Dann verlieren Sie jeden Tag Geld. Viele Großunternehmen sind zwar Meister im Customer Value Management und verfügen über diverse Marken, gewachsene Kundenstämme sowie klare Vorstellungen darüber, wer besonders wertvoll ist. Doch diese Sicht verschwindet oft genau dort, wo die digitale Kundenerfahrung beginnt: auf den Websites der einzelnen Marken.
Unternehmen behandeln ihre Kunden hier oft wie völlig unterschiedliche Personen, da wertvolle First-Party-Daten in getrennten Systemen und Domains gefangen bleiben. Der Grund ist simpel: Getrennte Domains wirken wie Datensilos.
Ein Kunde, der bei Marke A bestens bekannt ist, erscheint bei Marke B als völlig neuer, unbekannter Besucher. Das ist kein Sonderfall, sondern die Realität in vielen Branchen. Besonders relevant ist dieses Problem natürlich für Firmen, die Ihre Marken in verschiedenen Zielgruppen/Preissegmenten positionieren wie Telekommunikationsanbieter (Telekom und Congstar), Airlines (Lufthansa und Eurowings), Automobil (Volkswagen AG – mit Audi, VW, Škoda, Seat, Cupra), Versicherungen (HUK Coburg und HUK24) oder Energieunternehmen (EnBW und Yello). Sie sind ihre eigene Konkurrenz.
Aber auch Firmen, die komplementäre Produkte über Marken hinweg anbieten, wie z.B. Nestlé (Nescafé / Kitkat, Maggi, Garden Gourmet), Getränkekonzerne (Coca-Cola, Fanta, Sprite), P&G (Gillette, Pampers, Ariel) sprechen über unterschiedliche Domains mit ähnlichen oder sich teilweise überschneidenden Zielgruppen.
Wenn solche Unternehmen es verpassen, ihre Kunden auch im digitalen Raum markenübergreifend zu erkennen, führt das zu missglückten Kundenansprachen, unnötiger Komplexität und in letzter Konsequenz zu Geldverschwendung.
Media-Budgets verpuffen und Analysedaten fehlt die nötige Tiefe, um echte Mehrwerte zu liefern. Dabei ist es längst möglich, Identitäten markenübergreifend und in Echtzeit über einen Identity Graph zusammenzuführen – und aufgrund der Eigenschaft der Unternehmensgruppe als Data Controller rechtlich sauber. Dieser Artikel zeigt, warum Datensilos zum Geschäftsrisiko werden und wie Technologie dieses verborgene Potenzial für mehr Effizienz und Wachstum freilegt.
Der blinde Fleck: Wenn das eigene Unternehmen zur Konkurrenz wird
Mehrmarkenunternehmen haben strukturell ein Identitätsproblem. Im Klartext: Sie behandeln ein und dieselbe Person wie zwei oder drei verschiedene, weil sie es einfach nicht besser wissen. Im besten Fall gibt es zwar ein übergreifendes Kundensystem im Hintergrund, die Übertragung dieser Information auf die Website stellt aber einen Bruch in dieser First-Party-Daten-Intelligenz dar und für potenzielle Neukunden, die sich domainübergreifend bewegen, gibt es nicht einmal das Backendsystem.
Viele Unternehmen investieren in AI-Agenten, sei es für automatisierten Kundenservice, personalisierte Produktberatung oder autonome Media-Optimierung. Doch ohne eine markenübergreifende Identität sehen auch diese intelligenten Helfer nur fragmentierte Signale. Ein domainübergreifender Identity Graph ist die zwingende Voraussetzung, damit AI-Agenten den Kontext verstehen und überhaupt wirksam arbeiten können. Ohne Einsatz von AI ist eine markenübergreifende Identität ein echter Game-Changer. Ich möchte hier bewusst drei einfache konkrete Fallbeispiele nennen, um das ganze mal in die Praxis zu übersetzen:
1) Kannibalisierungseffekt zwischen Marken
Marke A bewirbt im Owned und Paid Media Bereich aggressiv ein Produkt, ohne das Wissen, dass der Adressat dieser Werbemaßnahmen bereits Kunde der Schwestermarke Marke B ist.
Marke A wildert also im unternehmenseigenen Kundenstamm. Am Ende ist der Kunde im besten Fall noch bei einer der eigenen Marken, aber das Unternehmen hat Werbebudget in der Neukundenakquise verschwendet und im Zweifelsfall einen High Value Customer zur Low-Budget-Marke migriert.
2) Verpasste Erkenntnisse
Klassisches Beispiel: Churn Prevention. Ein Kunde informiert sich intensiv auf Markenwebsite A über ein Produkt, welches er bei Marke B bereits abonniert hat. Ein klares Signal, dass der Kunde Wechselgedanken hegt. Ohne eine konsistente Identifikation über die Domains hinweg, fehlt Marke B das Signal, Churn-Prevention-Maßnahmen zu ergreifen. Im besten Fall wechselt der Kunde nur zur Low-Budget-Marke, im schlimmsten Fall hat er sich auch woanders informiert und wandert komplett ab. Das gleiche Spiel lässt sich natürlich auch für Upsell- oder Crosssell-Signale erweitern. Ein wildes Beispiel zur besseren Verankerung der Logik: Ein großes FMCG-Unternehmen mit sehr diversem Portfolio verkauft Produkte des täglichen Bedarfs auf über Marke A und Versicherungen über Marke B. Eine Kundin kauft regelmäßig Hundefutter über die Website von Marke A – ein Premium Lead für die Tierkrankenversicherung von Marke B. Doch ohne Verbindung der Daten verpufft dieses Potenzial.
3) Komplementäre Produkte und trotzdem falsche Botschaften
Besonders deutlich wird der blinde Fleck dort, wo Produkte sich ergänzen. Kauft eine Person bei Marke A eine Überwachungskamera, wäre ein ergänzender Sicherheits-Service über Marke B naheliegend. Doch ohne gemeinsame Identität erkennt Marke B diesen Bedarf vielleicht in der CVM Software, aber ohne Erkennung der Kunden über die Domains hinweg werden statt des Komplementärprodukts im Kombitarif generische Neukundenkampagnen ausgespielt.
Die Chance auf Relevanz bleibt ungenutzt.
Von fragmentierten Daten zu echtem Wert: Das Potenzial markenübergreifender Identität
First-Party-Daten gelten als neues Gold, doch ohne klaren Identitätsbezug bleiben sie oft wertloses Stückwerk. Ein Login hier, ein Newsletter-Signup dort, ein Kauf in der App und ein Website-Besuch am Nachmittag: Ohne Verbindung entstehen isolierte Datenpunkte, die wertvolle Muster nur erahnen lassen. Die große Orchestrierung über teure Marketing- und Sales-Flaggschiffe liefert keinen ROI, solange die Basis fragmentiert bleibt und Targeting sowie Analytics auf unverbundenen Signalen basieren.
Erst wenn diese Signale marken- und domainübergreifend zu einer konsistenten Identität zusammengeführt werden, verwandeln sich die bisherigen Ineffizienzen in vier konkrete Werttreiber für das Unternehmen:
1) Effizienz statt Media Waste
Anstatt dass mehrere Marken dieselbe Person unwissend parallel adressieren, ermöglicht eine gemeinsame Identität eine abgestimmte Ansprache. Budgets werden nicht mehr gegeneinander ausgespielt, sondern effizient eingesetzt.
2) Margenschutz durch präzise Kundenerkennung
Die Unterscheidung zwischen Neu- und Bestandskunde gelingt sofort und fehlerfrei. Teure Neukundenboni werden nicht mehr fälschlicherweise an Bestandskunden anderer Konzernmarken ausgeschüttet, sondern gezielt für echtes Wachstum genutzt.
3) Wahrhaftige Customer-Journey-Analysen
Touchpoints werden endlich den korrekten Profilen zugeordnet. Statt fehlerhafter Schlussfolgerungen erhalten Analysten ein vollständiges Bild darüber, wie Kunden sich tatsächlich durch das gesamte Markenportfolio bewegen.
4) Strategische Klarheit
Portfolio- und Budgetentscheidungen basieren nicht mehr auf verzerrten Silo-Daten, sondern auf dem tatsächlichen, markenübergreifenden Kundenwert. Das ermöglicht eine realistische Bewertung der Performance einzelner Marken im Gesamtkontext.
Die technologische Wende: User markenübergreifend in Echtzeit verknüpfen
Identity-Resolution ist heute kein Zukunftsthema mehr, sondern technisch gelöste Realität. Moderne Lösungen ermöglichen eine saubere, datenschutzkonforme Zusammenführung von Kundendaten, ohne auf unsichere Methoden angewiesen zu sein. Dabei etabliert sich die deterministische Identität als der notwendige Standard. Statt auf probabilistische Verfahren zu setzen, die oft mehr Raten als Wissen bedeuten und sich höchstens für grobe Reichweitenmessungen eignen, benötigen Unternehmen Klarheit. Signale wie Logins, verschlüsselte E-Mail-Adressen oder Kundenkennungen liefern diese eindeutigen Verbindungspunkte, wo Wahrscheinlichkeiten aufgrund zu hoher Fehlerquoten scheitern, aber auch hier sind die Potenziale endlich.
Mit der richtigen Technologie lassen sich so Identitäten über Marken hinweg verbinden, ohne dass Identifier oder Third-Party-Cookies notwendig sind. Dieser Ansatz funktioniert sowohl für Prospects als auch für Bestandskunden und schafft erstmals eine konsistente Sicht über das gesamte Portfolio. Entscheidend ist auch das Timing, weshalb klassische Batch-Prozesse nicht mehr zeitgemäß sind. Da Batch-Jobs Daten oft nur nachträglich im Backend synchronisieren und sich die Ergebnisse nicht sofort auf der Website oder in der App niederschlagen, fehlt im entscheidenden Moment die Echtzeit-Erkennung. Echte, wirksame Identität basiert daher zwingend auf Echtzeit, um eine dynamische Aktivierung im Moment der Interaktion zu gewährleisten.
Vom Datensilo zur Wertschöpfung: Ein pragmatischer Weg zum Identity Graph
Ein zentraler Identity Graph ist weit mehr als ein technisches Tool, er fungiert als unternehmensweites Asset, das überraschend leicht zu implementieren ist. Da die Lösung zunächst außerhalb der komplexen Architektur aufgesetzt werden kann und lediglich eine Integration auf Websites und Apps erfordert, lassen sich ohne hohe Integrationsaufwände zunächst Potenziale aufzeigen. Die wirtschaftlichen Effekte wie reduzierte Budgetverschwendung, präzisere Aktivierung und geringere Customer Acquisition Costs lassen sich so vorhersagen und helfen den Business Case für die Integration zu erstellen. Um diese Potenziale ohne das Risiko eines langwierigen IT-Großprojekts zu heben, empfiehlt sich eine stufenweise Implementierung basierend auf einem Proof-of-Value (PoV), der maximale Transparenz schafft:
- Autarker Start & Analyse: Der Graph wird zunächst unabhängig aufgebaut, um Identitäts-Overlaps und Kannibalisierungseffekte messbar zu machen. Mithilfe einfacher Integrationen lassen sich auch kleinere Insel-Use-Cases bereits in dieser Phase direkt testen.
- Business Case: Auf Basis dieser realen Daten entstehen belastbare ROI-Szenarien.
- Skalierung: Erst, wenn der Wert bewiesen ist, wird über die Anpassung der bestehenden Systemlandschaft entschieden.
So wandelt sich die Identitätslösung von einer abstrakten Technologie zu einer messbaren Wertschöpfungseinheit.
Identität ist die Grundlage für Wachstum
Unternehmen, die ihre Marken im digitalen Raum isoliert betrachten, verschenken Relevanz, Effizienz und Wachstum. Moderne Identity-Technologien ermöglichen es, Kundensichten übergreifend zusammenzuführen, ohne externe IDs, ohne Nutzerinteraktion und ohne bestehende Systeme umbauen zu müssen.
Wer diesen Schritt über einen strukturierten PoV geht, schafft Transparenz über echte Wertpotenziale und kann klar sehen, wie hoch der wirtschaftliche Hebel ist. Identität ist kein Nice-to-have. Sie ist das Fundament jeder wirksamen First-Party-Strategie.
Tech Finder Unternehmen im Artikel
EVENT-TIPP ADZINE Live - Loyalty neu gedacht: Wie im Engagement-Zeitalter echte Bindung entsteht
Mit neuesten Daten aus dem Customer Loyalty Index 2025 und Wella als Praxisbeispiel, wie die Brand durch datenbasierte Personalisierung und Mobile Engagement echte Kundentreue aufbaut. Jetzt anmelden!