Warum Programmatic Advertising trotz des Cookie-Tods weiter wachsen wird
Karsten Zunke, 25. September 2024Die Deaktivierung von Third-Party-Cookies ist in vollem Gange. Mit Safari und Firefox haben bereits zwei beliebte Browser seit geraumer Zeit das Sammeln von User-Daten mittels Drittanbieter-Cookies eingestellt. Es war eigentlich nur noch eine Frage der Zeit, bis Google hier (zwangsläufig) nachzieht. Doch nun hat der Internetriese wieder eine Rolle rückwärts gemacht und angekündigt, die sogenannte “Third-Party-Deprecation” in 2025 nicht weiterzuverfolgen. Welche Auswirkungen hat das für Publisher? Wie effizient lassen sich Websites zukünftig noch programmatisch monetarisieren, wenn deutlich weniger persönliche Daten der Internetnutzer:innen verfügbar sind? Diese und weitere Fragen klären wir mit Christoff Schwartz, Strategic Lead beim Vermarkter Symplr.
ADZINE: Christoff, laut OVK beträgt der Anteil von Programmatic in Deutschland im Display Advertising rund 74 Prozent. Hältst du es für wahrscheinlich, dass dieser Anteil vor dem Hintergrund der ständigen Diskussionen und Unsicherheiten rund um die Drittanbieter-Cookies jetzt sinken wird, weil man zum Beispiel Alternativen findet, die Programmatic nicht zwingend benötigen?
Christoff Schwartz: Nein, das denke ich nicht. Im Gegenteil: Die Diskussion hat vielmehr alle Marktbeteiligten wachgerüttelt, über einen bewussten Umgang mit Daten nachzudenken. Für Publisher beispielsweise hat Programmatic diesbezüglich unschlagbare Vorteile. Nicht nur dass die Vermarktung optimal messbar ist – was beispielsweise bei Print nicht der Fall ist –, auch reduzieren die automatisierte Prozesse den manuellen Aufwand bei der Verwaltung von Anzeigeninventaren und Kampagnen. Programmatische Werbeauslieferungen ermöglichen zudem ein präziseres Targeting, was zu höheren Klickraten und besserer Performance führt. Nicht zuletzt können mit Programmatic selbst schwer zu verkaufende Werbeplätze sehr gut monetarisiert werden. Das alles sind Vorteile, die dafür sorgen werden, dass der Anteil von Programmatic weiter steigen wird.
ADZINE: Wie erlebt ihr die Situation im Markt, was sind aktuell typische Beweggründe für Publisher auf Programmatic zu setzen oder sogar darauf umzustellen?
Christoff: Neben den erwähnten Faktoren spielt insbesondere die Möglichkeit der Skalierung eine große Rolle. Man kann mit bestimmten Inventargruppen beginnen und es dann weiter ausrollen. Programmatische Systeme können problemlos große Mengen an Transaktionen bewältigen. Außerdem sind die Systeme flexibel und können schnell an Marktbedingungen und Kampagnenanforderungen angepasst werden. Das ist ein großer Vorteil, speziell in den bewegten Zeiten, die wir seit drei, vier Jahren erleben. Aber einer der wichtigsten Gründe sind die höheren Einnahmen. Durch Echtzeitversteigerungen kann der Wert jeder einzelnen Impression maximiert werden. Das bewegt viele Publisher zum Umdenken. Programmatic wird daher auch ohne Drittanbieter-Cookies eine Erfolgsstory bleiben.
ADZINE: ...aber ihr stoßt bei Publishern sicher auch auf Bedenken?
Christoff: Durchaus. Datenschutzbedenken und Ad Fraud sind ein häufiges Thema im Zusammenhang mit Programmatic. Eine weitere Befürchtung ist, dass eine erhöhte Transparenz und Automatisierung zu einem Preisdruck auf Premium-Inventar führen können. Mit den passenden Lösungen sind solche Befürchtungen zum Glück unbegründet.
ADZINE: Cookies sind ein wesentliches Element für das Programmatic Advertising. Welche Erfahrungen habt ihr bisher bei euren Kunden gemacht, seitdem Safari und Firefox keine Drittanbieter-Cookies mehr zulassen?
Christoff: Nach der Ankündigung gab es teilweise Unsicherheit bei unseren Publishern, ob relevante Umsätze durch die Abschaltung der Drittanbieter-Cookies weggefallen würden. Diese Unsicherheit hat sich aber nicht bestätigt. Ganz im Gegenteil. Durch die zahlreichen ID-Lösungen, die wir einsetzen, sind die Umsätze unserer Publisher auf Safari und Firefox konstant geblieben und teilweise sogar gestiegen. Außerdem nutzen wir verstärkt First-Party-Daten, um die Websites unserer Publisher zu vermarkten.
ADZINE: Google hat vor Kurzem angekündigt, die Third-Party-Cookies nun doch nicht in Chrome auszusperren – was bedeutet das für Publisher?
Christoff: Für den Publisher ändert sich dadurch erstmal nichts. Er sollte allerdings in Zukunft trotzdem versuchen, sein Inventar durch verschiedene ID-Lösungen und First-Party-Daten möglichst attraktiv für Werbetreibende zu machen.
ADZINE: Im Zusammenhang mit einer Cookieless Future setzen sich viele Publisher auch mit dem sogenannten PUR-Abo-Modell auseinander. Wie schätzt du die Zukunft solcher Abo-Modelle ein?
Christoff: Bei einem PUR-Modell wird anstatt einer normalen Message in der Consent Management Platform eine Abo-Weiche ausgeliefert. Dadurch hat der Nutzer nur noch die Wahl, alle Cookies zu akzeptieren oder ein kostenpflichtiges Abo ohne Werbung und Tracking abzuschließen. Für den Publisher ist ein PUR-Modell daher eine schnelle und einfache Art, die Opt-in-Rate seiner Webseite um erfahrungsgemäß um 10 bis 20 Prozent zu erhöhen. Dadurch steigen auch die Erlöse, ohne dass der Publisher mehr Werbeflächen auf seiner Webseite einbauen muss. Wir sind im Zuge eines PUR-Abo-Modells eine Partnerschaft mit einem Dienstleister eingegangen, weil wir glauben, dass sich das PUR-Modell durchsetzen wird. Wir sehen im deutschsprachigen Raum immer mehr große Publisher, die erfolgreich ein PUR-Abo-Modell anbieten. Insbesondere in den vergangenen Monaten hat die Nachfrage angezogen.
ADZINE: Welche Aspekte sollten Publisher im Hinblick auf die Post-Cookie-Ära berücksichtigen, wenn sie Inventar weiterhin erfolgreich verkaufen möchten?
Christoff: Publisher sollten versuchen, ihr Inventar durch den Einsatz von verschiedenen First-Party-Solutions mit Informationen und Daten für die Werbetreibenden anzureichern. Dadurch bleibt das Inventar für die Werbetreibenden relevant und die Publisher profitieren auch in Zukunft von hochwertigen Kampagnen und den damit verbundenen Umsätzen. Außerdem gibt es inzwischen viele Supply-Side-Plattformen, die ihre Kampagnen auch ohne Cookies zielgenau ausliefern können. Publisher sollten darauf achten, dass diese SSPs an ihr Inventar angeschlossen sind. Auch Contextual Targeting kann eine Alternative sein.
ADZINE: Wir haben bisher über Online-Display gesprochen. In welchen Kanälen seht ihr überdies noch Potenzial für das Programmatic Advertising?
Christoff: Viele Publisher könnten vor allem ihre Videos und Apps noch besser monetarisieren. In diesen Bereichen lassen sich mit dem programmatischen Verkauf von Werbeplätzen noch einige Potenziale heben – von den Umsätzen pro Platzierung bis hin zur Effizienz. Ich bin überzeugt, dass neben Display das weitere Wachstum von Programmatic dort stattfinden wird – auch ohne Third-Party-Cookies.
ADZINE: Danke für das Gespräch, Christoff.
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