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PUBLISHING

Wie der Regionalzeitungsverlag Oberpfalz Medien seine Digital-Abos steigern konnte

Clemens Hammacher, 24. Oktober 2022
Bild: Kinga Cichewicz – Unsplash

Seit dem Aufkommen des Internets verschiebt sich die Zeitungslektüre der Menschheit zunehmend Richtung online. Print-Produkte haben es heute deutlich schwerer als noch vor 20 Jahren und nahezu alle Zeitungen haben eine Online-Präsenz aufgebaut, mit der sie um die Leserschaft buhlen. Die Verlage arbeiten daran, die Abonnements für ihre digitalen Inhalte in die Höhe zu treiben, um die Verluste in Print auszugleichen. Dieser Herausforderung sieht sich auch die Oberpfalz Medien gegenüber, die wie viele andere mit einer Bezahlschranke für Plus-Artikel arbeitet. Doch die Anforderungen der potenziellen Kunden sind unterschiedlich, daher soll nicht jeder User das gleiche Angebot ausgespielt bekommen. Für deren Segmentierung und individuellen Ansprache setzt der Verlag heute auf die Martech-Produktpalette von Piano aus Frankreich.

Die Oberpfalz Medien sind ein Regionalzeitungsverlag mit acht Tageszeitungsausgaben und einer Auflage von knapp 70.000 Exemplaren. Hinzu kommt das digitale Nachrichtenportal Onetz, das ungefähr eine Million Unique User und vier Millionen Visits pro Monat erreicht. Zudem bietet der Verlag seinen Lesern 29 verschiedene redaktionelle Newsletter, darunter einen „Wochenrückblick“- und einen „Guten Morgen“-Newsletter. Bisher setzten die Oberpfalz Medien im digitalen Bereich auf ein konventionelles Abonnement-Modell mit einer statischen Bezahlschranke für Plus-Artikel. Allen Lesern wurde das reguläre Monats-Abo angeboten, auf einer Übersichtsseite befanden sich außerdem ein Jahres- oder Zwei-Jahres-Abo im Angebot. „Unsere wichtigsten Erkenntnisse sind: Das ursprüngliche Standard-Abo – unser Monats-Abo – dient immer mehr nur als Referenzpreis. Die Leser müssen rein auf Basis ihres Verhaltens segmentiert und gezielt angesprochen werden. Und wenn einmal nicht die Zahl der Abo-Abschlüsse, sondern der Umsatz Priorität hat, funktioniert eine längere Laufzeit selbst bei ‘untreueren’ Lesern besser“, sagt Thomas Webel, Leitender Redakteur Digitales bei Oberpfalz Medien.

Das Ziel: mehr digitale Abos

Der Verlag möchte die Zahl der Abonnement-Abschlüsse für die digitalen Inhalte steigern und die Paywalls an das Publikum anpassen. Insgesamt wollen die Verantwortlichen mehr digitale Abos gewinnen, als im Print-Bereich verloren gehen. Statt auf demografische Daten zu setzen, sollen die Leser rein nutzungsbasierte Abo-Angebote erhalten. Zudem möchte der Verlag treue Leser dazu bewegen, längerfristige Abos abzuschließen; gelegentliche Leser sollen mit günstigen Angeboten gebunden werden.

Bereits wenige Monate nach Einführung einer neuen Paywall erreichten die Oberpfalz Medien ihr erstes Ziel und steigerten die Abo-Abschlüsse für digitale Inhalte.

Die Vorgehensweise: individuelle Paywall

Im Oktober 2020 führte der Verlag eine individuelle Paywall mithilfe des französischen Martech-Unternehmens Piano ein. Dabei setzte er unter anderem auf ein Customer-Journey-Management-Tool, ein spezielles Werkzeug für Commerce-Experiences und ein Newsletter-System auf ESP-Basis. Bereits zwei Jahre zuvor hatte Oberpfalz Medien ein kanalneutrales Content-Management-System (CMS) eingeführt, über das seitdem alle redaktionellen Inhalte laufen.

Um die Paywall feiner zu steuern und den potenziellen Kunden ein angepasstes Abo-Angebot zu unterbreiten, nutzt der Verlag den LtS-Score (LtS = Likelihood to Subscribe). Das auf Machine Learning basierende Tool sorgt mit dem Score für eine komplett demografiefreie Segmentierung der Leser und orientiert sich allein an der Wahrscheinlichkeit (von 0 bis 100) eines Abo-Abschlusses. Die Scores basieren auf einer Vielzahl von Verhaltensweisen und Merkmalen, die für eine Konversion ausschlaggebend sind. Dazu zählen etwa die Seitenaufrufe pro Besuch in den letzten 15 Tagen, die Anzahl der Referrer, das mittlere „Alter“ der gelesenen Inhalte, die Klick-Geschwindigkeit und der Anteil der morgendlichen Seitenaufrufe. Bei dem LtS-Modell kommen 40 bis 60 der Merkmale, die als die am besten vorhersagenden Faktoren für die Registrierung, Konversion und das Engagement identifiziert wurden, zum Einsatz.

Die Oberpfalz Medien erstellten anhand des LtS-Scores verschiedene Leser-Segmente und teilten diese in Stufen von 0 (sehr unwahrscheinlich, dass die Leser ein Abo abschließen) bis 9 (sehr wahrscheinlich) ein.

Besondere Probleme bereiten dabei jene Leser der LtS-Stufe 9, die sehr häufig die Inhalte konsumieren, jedoch nie ein Abo abschließen. Auch die „No Scorer“, also Leser, die wegen mangelnder Aktivität und Daten nicht in ein Segment eingeteilt werden können, sorgen für Kopfzerbrechen. Diese machen etwa die Hälfte des Publikums aus. Wie können diese beiden Gruppen dazu bewegt werden, ein Abo abzuschließen?

Fünf verschiedene LtS-Gruppen wurden mit je einem verschiedenen Abo-Angebot angesprochen:

  • No Score (Leser, über die nicht genügen Daten vorliegen): reguläres Monats-Abo
  • LtS-Stufen 0 bis 2 (geringe Wahrscheinlichkeit, ein Abo abzuschließen): „3 Monate für 5 Euro“
  • LtS-Stufen 3 bis 5: reguläres Monats-Abo
  • LtS-Stufen 6 bis 8: Jahres-Abo
  • LtS-Stufe 9 (sehr hohe Wahrscheinlichkeit, ein Abo abzuschließen): Zwei-Jahres-Abo

Das Resultat: mehr Abo-Abschlüsse

Die Ergebnisse können sich sehen lassen: ein Plus von 75,86 Prozent für das „3 Monate für 5 Euro“-Abo, ein Zuwachs von 53,85 Prozent beim Jahres-Abo, jedoch auch ein Minus von 16,46 Prozent beim Monats-Abo.

Im Februar 2022 führte der Verlag Split-Tests ein, um die Ergebnisse weiter zu verbessern: Statt jeder LtS-Gruppe je nur ein Abo-Modell anzubieten, laufen seither pro LtS-Gruppe drei bis vier Split-Tests mit verschiedenen Modellen.

Die „No Score“-Gruppe kann nun beispielsweise unter verschiedenen Abos ihre bevorzugte Variante finden – mit einem überraschenden Ergebnis: Das Einzige, was niemand von den „No Scorern“ gebucht hat, war das zuvor angebotene Monats-Abo. Besonders gut lief der neue Abo-Typ „9 Euro für 90 Tage“, dieses Angebot stellte sich allgemein als Top-Performer bei fast allen Split-Tests heraus.

In jeder LtS-Gruppe wurden zudem die gleichen Abo-Angebote getestet. Die These vor den Tests lautete: Erhalten die Leser der LtS-Stufe 9 (sehr hohe Wahrscheinlichkeit, ein Abo abzuschließen) ein besonders gutes Angebot, abonnieren sie alle. Ihnen wurde unter anderem das „9 Euro für 90 Tage“-Modell angeboten. Das Ergebnis überrascht: Trotz des niedrigen Preises entschied sich niemand für dieses Abo. Allerdings stieg die Conversion-Rate für „9 Euro für 90 Tage“ bei den niedrigeren und mittleren LtS-Stufen, denen zuvor das Jahres-Abo unterbreitet wurde. LtS-9er hingegen kaufen das Jahres-Abo.
Insgesamt fiel das Ergebnis vollkommen anders aus, als die Verantwortlichen erwartet hatten. Ohne Split-Tests wären die Oberpfalz Medien nicht zu dieser Erkenntnis gekommen. Zudem fand der Verlag heraus, dass der Preis für das Abo und die Laufzeit weniger entscheidend sind als die Verständlichkeit. Ein Abo muss in erster Linie leicht verständlich für den Interessenten sein.

Thomas Webel sagt: „Wir konnten tatsächlich die Zahl der Abo-Abschlüsse noch einmal steigern. Im April 2022 kamen wir auf die 10.000 Digital-Abos – inklusive E-Paper!“

Blick in die Zukunft: Kündigungsrisiko mindern

In Zukunft wollen die Verantwortlichen die niedrigeren und mittleren LtS-Stufen weiter aufsplitten und einzeln testen. Auch ein Test, der herausfinden soll, ob Leser der LtS-Stufe 0 überhaupt Abos abschließen, ist geplant. Dies soll mithilfe eines absoluten „Billigangebots“ geschehen: Lässt sich diese Gruppe überhaupt zu einem Abo bewegen?

Neuerdings finden auch Tests statt, die zeigen sollen, wie der Verlag bereits bestehende Abonnenten noch stärker binden kann. Dabei setzen die Verantwortlichen auf die LtC-Stufen (LtC = Likelihood to Cancel). Verwendet werden Metriken wie die Anzahl der Zahlungen, die aktiven Tage auf der Website, der Referrer zum Zeitpunkt der Konversion, und der ausgezahlte Gesamtbetrag zum Einsatz.

Folgendes fand das Medienhaus mithilfe des LtC-Scores heraus:

  • Geringes Kündigungsrisiko (niedrige LtC-Stufe): Hier empfiehlt sich das Motto „In Ruhe lassen“, die Leser also nicht mit Angeboten oder Pop-ups überhäufen. Sie erhalten lediglich auf der Abo-Übersichtsseite ein Upgrade-Angebot und auf Artikelebene Empfehlungen für weitere Plus-Artikel. Diese generiert das Content-Tool automatisch – passend zu Leserverhalten und Interessen.
  • Mittleres Risiko (niedrige bis mittelhohe LtC-Stufen): Diese Gruppe bekommt auf der Übersichtsseite Upgrade-Offerten ausgespielt, auf Artikelebene ein Angebot mit drei verschiedenen Empfehlungen von anderen Plus-Artikeln. Beim mittleren dieser Artikel handelt es sich um einen „Upgrade-Artikel“, der mit einem Upgrade zu einem anderen Abo-Modell zusammenhängt.
  • Hohes Risiko (hohe LtC-Stufe): Hier gilt es, auf Engagement zu setzen. Diese Zielgruppe soll den Content öfter nutzen und die Website häufiger besuchen. Newsletter etwa können das Engagement steigern, zum Beispiel in Form des „Wochenrückblick“- oder „Guten Morgen“-Newsletters.

Bei ablaufenden Abonnenten (Leser, deren Abo noch läuft, die aber bereits gekündigt haben) empfiehlt es sich, auf den Übersichtsseiten Win-Back-Angebote zu platzieren. Auf Artikelebene läuft derzeit noch ein Split-Test mit einer Win-Back-Offerte und Artikel-Empfehlungen. Auch das soll das Engagement erhöhen. Die LtC-Zahlen sind erst seit Kurzem im Einsatz, deshalb liegen noch keine belastbaren Zahlen vor.

„Wir werden auch in Zukunft weiter testen, um unserem Publikum das bestmögliche Angebot zu machen und unsere Abonnements weiter zu steigern“, schließt Webel ab.

Bild Clemens Hammacher Über den Autor/die Autorin:

Clemens Hammacher ist General Manager DACH bei Piano. Zuvor arbeitete er als Sales Director DACH bei der Cision Germany GmbH sowie als Leiter Sales zimpel bei der news aktuell GmbH.

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