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Video-Werbung heute und morgen – Eindrücke vom Play Summit

Anton Priebe, 10. Oktober 2022
Bild: Katharina Meirich / ADZINE

Der Markt für Bewegtbild wächst seit Jahren und bekommt mit der Digitalisierung des Fernsehens eine ganz neue Komponente. Die Stärken und Charakteristika der vielen Videooptionen zu kennen, ist heute essentiell. Auf dem diesjährigen Play Video Advertising Summit in Hamburg trafen 200 Video-Experten auf knapp 30 Speaker, um sich einen Überblick über die aktuellen Trends, Themen und Technologien in der TV- und Video-Werbung zu verschaffen.

Neue Bewegtbildkonzepte für neue Kanäle

Digitales Bewegtbild gehört heute zum Standardrepertoire der Werbung und ist elementarer Teil der Kommunikationsstrategien. So setzt die Agentur Odaline, deren Fokus eigentlich nicht unbedingt auf Video liegt, aktuell dennoch etwa 80 Prozent Bewegtbild-Projekte um. Dies sei einfach in den meisten Fällen das Mittel der Wahl, so Alina Ludwig, Managing Director des Kreativ-Kollektivs. Doch mit Bewegtbild allein ist es nicht getan – die Werbung steht und fällt mit der Kreation.

Anhand der Kampagne #LikeABosch veranschaulicht Simon Schröder, Jung von Matt Next Alster, wie man bei der Kreation mit entsprechender Kreativität sogar die Leidenschaft aus der Industrie herauskitzeln kann. Auch wenn das Briefing “Bosch = IoT = cool” die Agentur anfangs durchaus vor Herausforderung stellte, ist daraus eine Kampagne entstanden, die sogar die eigenen Mitarbeiter stolz auf ihren Konzern macht. Schröder plädiert für mehr Mut in der Kreation und trifft damit einen Nerv. Auf hochglanzpolierte Werbevideos können die jungen Zielgruppen heute verzichten, sind sie die Referenten einig. Vielleicht läuft sogar bald ein Tiktok im TV? Ausschließen möchte das keiner.

Andreas Rau, Agenturberater von Meta, bricht ebenfalls eine Lanze für die Kreation. “Aufmerksamkeit kann man sich heute nicht mehr einkaufen, man muss sie sich verdienen.” Dies hat sich die Baumarktkette Obi zu Herzen genommen und punktet bei der GenZ mit einem Youtube-Kanal “Mach mal mit Obi”. “TV ist längst nicht mehr alles”, meint Benjamin Schulz-Adamos, Media-Chef von Obi.

Aufmerksamkeit ist hingegen alles, weiß der frisch gebackene Teads-Geschäftsführer Christian Zimmer. Lediglich ein Prozent der mit Medien verbrachten Zeit steht ein Konsument im Schnitt mit Werbung in Kontakt – und die will gut genutzt sein. Zimmer setzt sich dafür ein, Attention als Metrik in den Mittelpunkt zu setzen, und nennt drei Dinge, die Marken dabei in die Karten spielen: ein gehobenes Publisher-Umfeld, kontextuelle Auslieferung der Werbung und die kreative Anpassung der Werbeformate.

Wachstumsfeld Connected TV

Im Fokus der Konferenz stand eindeutig das “neue” Fernsehen. Immer wieder fielen die Diskussionen auf Connected TV (CTV) zurück und das enorme Potenzial, das darin steckt. “CTV wird ein essentieller Bestandteil der Mediaplanung werden”, ist Stella Freymuth von Nielsen Media, überzeugt. Laut ihren Daten streamen heute 70 Prozent der Deutschen einmal die Woche, knapp ein Drittel täglich, mit steigender Tendenz. “Wenn ich junge Zielgruppen erreichen möchte, muss ich in CTV rein”, bestätigt Clara Diehl von Pilot. Der Kontakt auf dem Big Screen mit Bewegtbild ohne CTV gestaltet sich ansonsten schwierig.

Das Problem: Die CTV-Landschaft ist extrem fragmentiert. Arne Steinmetz von der Vermarktungsallianz Ad Alliance beschreibt es als einen “dornigen Weg”, sich das Inventar zu erschließen. Der Streamingdienst von RTL läuft auf Plattformen, auf denen der Konzern gar keinen Zugang zu den Inventaren hat. Man sei aber mit allen Playern im Austausch, um Reichweite zu bündeln, so Steinmetz.

Bis dahin zeigen sich die Werbetreibenden latent überfordert. So weiß Pringles-Chef Andreas Billker von Kellogg gar nicht, wo er seine Spots in CTV überhaupt platzieren soll. Seiner Meinung nach muss ihm das Thema von Anbieterseite “mundgerechter” präsentiert werden. So lange hält er sich zurück und fokussiert sich auf den Gaming-Markt. Es gebe schließlich genügend andere Touchpoints mit seiner Zielgruppe.

Die Kampagnen-Cases in CTV sind tatsächlich noch nicht spektakulär, gibt Clara Diehl zu, plädiert aber für Genügsamkeit und Geduld und hebt die zarten Pflänzchen hervor, die durchaus im Markt vorhanden sind. Denn agentureigene Planungstools existieren, innerhalb von geschlossenen Universen wie der Ad Alliance oder Samsung lässt sich arbeiten und Reichweiten-Verlängerung mit Anbietern wie Samba TV oder Adscanner funktioniert ebenfalls bereits. Vielleicht muss Planung auch komplett neu gedacht werden und sich mehr auf Taktiken sowie deren kurzfristige Optimierung konzentrieren, gibt Diehl zu bedenken.

Fehlende CTV-Standards erschweren Planung, Einkauf und Messbarkeit

Die Nachfrage ist da und das Inventar-Angebot für den Big Screen wächst rigoros, auch wenn der Supply noch nicht da ist, wo er sein könnte, meint Robert Kraemer von Xandr. In jedem Fall ist er leider schwer zugänglich, vor allem übergreifend. Ein Weg, Ordnung in den CTV-Markt zu bekommen, ist Standardisierung. Damit setzt sich unter anderem der Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) auseinander. Momentan befinde man sich in einem “Blindflug ohne Steuerungsmöglichkeit für das Umfeld”, so BVDW’lerin Andrea Zenner von Mediacom. Die technische Standardisierung darf jedoch nicht in Silos erfolgen, sondern muss übergreifend geschehen – keine leichte Aufgabe in einem fragmentierten, europäischen Markt. Immerhin kommen ein Drittel der Impressions im Bereich CTV aktuell bereits über Open Auctions, weiß BVDW-Kollege Dr. Oliver Friedrich von Google. Gebündelt programmatisch einkaufen in ausgewählten Umfeldern funktioniert auf Agenturseite auch schon in Ansätzen, lediglich an der Messung dieser eingekauften Impressions hapere es noch, so Zenner.

Übergreifende Planungstools sind Mangelware und bis die dafür nötigen Standards stehen, dauert es noch etwas. Der Zeithorizont ist groß und die Stimmen dafür, dass CTV in zwei Jahren zumindest einen einheitlichen Messstandard aufweisen kann, sind – in Gestalt von Michael Beuth von Mediaplus – in der Minderheit. Henning Ehlert von der JOM Group baut daher auf kontinuierliche und begleitende Marktforschung zur Erfolgsmessung. Die spürbare Sorge unter den Teilnehmenden: dass die GAFA den europäischen CTV-Markt überrollen und ihm ihre Standards aufzwängen. Damit es nicht so weit kommt, ist vor allem der Mut der hiesigen Werbeindustrie gefragt, so das Credo.

Die fragmentierte Medienlandschaft in Bewegtbild macht nicht nur das Messen, sondern auch den Einkauf schwer. Während die Mediaagentur Adlicious gerne selbst ihre Trainees ausbildet, um dieses unübersichtliche Bewegtbildsystem zu lehren, verzichtet Krombacher auf Agenturen und erledigt den Mediaeinkauf inhouse. Der Umstieg hat aber auch fünf Jahre gedauert und benötigt die entsprechenden Ressourcen. Heute kümmern sich 20 Mitarbeiter darum, verrät CDO Sven Markschläger.

Diversität vs. Monopole

Das Cockpit für Mediaeinkäufer, von dem aus sie das Multi-Channel-Buying von Bewegtbild aus einer Hand heraus steuern können, bleibt wohl ein Wunschtraum. Doch man sollte es positiv sehen. So freut sich Jens Pöppelmann von der D-Force über die offene DSP-Landschaft in Deutschland. Ein einziges Cockpit würde eben auch einen einzigen Anbieter hinauslaufen – und das kann kaum im Sinne des Marktes sein. Johannes Paysen von Magnite ist überzeugt davon, dass es auch aufseiten der Messdienstleister immer Diversität herrschen wird. Wer will denn schon Monopole?

Apropos Monopole – wenn man Ronny Lutzi von Foxxum zuhört, tobt die Schlacht um den CTV-Markt derzeit auf ganz anderer Ebene. Demnach versucht sich jeder Marktteilnehmer den Zugang zum Wohnzimmer zu sichern, vor allem mithilfe von Hardware und Betriebssystemen. Die US-Giganten bringen sich in Stellung und haben exorbitant mehr Kapital im Rücken als ihre europäische Konkurrenz. Das Differenzierungsmerkmal der Zukunft lautet Content, hier vor allem Live-Sport und Originals, der hinter geschlossene Türen verfrachtet wird. Olaf-Norman Brandt von Showheroes bestätigt: “Der beste Content gewinnt!”. Insbesondere Standalone-Dienste werden es künftig schwer haben, meint Lutzi und prophezeit Konsolidierung. Die Konsolidierung bringt wiederum Standards mit sich – man muss es nur von der positiven Seite aus betrachten.

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