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PLATTFORMEN & NETZWERKE

Europa gegen Big Tech: DMA & DSA als neue Werkzeuge für Digital-Sheriffs

Anton Priebe, 16. März 2022
Bild: Zach Lisko – Unsplash

Auf EU-Ebene soll künftig ein Gesetzespaket dafür sorgen, dass die Macht der Techriesen auf Markt und Gesellschaft reguliert werden. Das Paket besteht aus dem Digital Markets Act (DMA) und dem Digital Services Act (DSA). Dahinter verbergen sich Gesetzesentwürfe mit unterschiedlichen Schwerpunkten, die vor allem die großen Plattformen aus den USA einschränken sollen. Noch laufen die Verhandlungen, wie die Gesetze konkret aussehen sollen. Aber die Leitplanken sind gesetzt und dafür, dass damit die Karten im digitalen Raum neu gemischt werden, geht es erstaunlich schnell voran. Das Inkrafttreten von DMA und DSA ist für 2023 anvisiert.

Wettbewerbsregulierung mit dem Digital Markets Act

Der DMA ist eine Wettbewerbsregulierung für digitale Märkte, in dem Werbekonzerne heutzutage eine zentrale Rolle spielen. Er soll die Freiheit des Wettbewerbs im Netz erhalten und vor allem auch wiederherstellen, nachdem Plattformriesen wie Google & Co. den Markt dominiert und ein Ungleichgewicht zu ihren Gunsten hergestellt haben. Rund um den Globus laufen diverse Verfahren gegen Big Tech, um den augenscheinlichen Marktmachtmissbrauch zu verhindern. Doch in Europa ist das Wettbewerbsrecht bislang nicht explizit auf Digital ausgerichtet, dabei ist Deutschland auf diesem Gebiet schon fast als Vorreiter zu nennen. Denn seit 2021 existiert hierzulande der Paragraf 19a des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), der das Bundeskartellamt befähigt, Unternehmen wettbewerbsgefährdende Praktiken zu untersagen. Dies soll nun aber auf europäische Seite Ebene möglich werden.

Der DMA fordert von den großen Digitalunternehmen mehr Transparenz, gibt den zuständigen Instanzen mehr Kontrollmechanismen an die Hand und sorgt im Idealfall dafür, dass kleinere Unternehmen nicht benachteiligt und vor allem nicht vom Markt verdrängt werden. Beispielsweise könnte ein Konzern wie Apple dazu gezwungen werden, sein App-Ökosystem für andere Anbieter zu öffnen, sodass ernsthafte Konkurrenz auf den iPhones entsteht. Andere denkbare Szenarien sind, dass Google auf Android sicherstellt, dass sich vorinstallierte Apps komplett entfernen lassen, oder Amazon eigene Produkte in der Suche nicht bevorzugt. Ein konkretes Beispiel für die Werbewelt wäre mehr Transparenz in der Kette von der Demand- zur Sell-Side bei Unternehmen, die auf beiden Seiten tätig sind wie Google.

Grundgerüst des DMA steht, Feinheiten werden verhandelt

Die Mühlen in Brüssel mahlen für gewöhnlich langsam, doch die Abstimmung ist gemessen an anderen Prozessen bemerkenswert weit fortgeschritten. Kommission, Parlament und Rat haben sich auf die grundsätzlichen Punkte bereits geeinigt. Momentan werden im sogenannten Trilog die Feinheiten verhandelt, also welche Punkte am Ende stärker beziehungsweise schwächer ausgeprägt sind. Die Debatte soll voraussichtlich noch in diesem Jahr beendet sein.

Einige Fragen sind durchaus noch offen. Zum Beispiel, ob die Regeln nur zentral von der EU oder auch von den nationalen Kartellbehörden angewandt werden sollen. Außerdem ist noch unklar, ab welcher Unternehmensgröße der DMA greift. Dabei orientiert sich der Entwurf an Nutzerzahlen, Geschäftskunden und Umsatz. Im Visier stehen selbstredend die GAFA (Google, Amazon, Facebook, Apple), doch was ist mit Otto? Der Versandhandel hat in 2020/21 über 15 Milliarden Euro Umsatz erwirtschaftet. Auch ein Digitalunternehmen wie Zalando kommt auf 10 Milliarden. Und was geschieht mit dem Paragrafen 19a des GWB?

Mehr Schutz und Freiheiten für Nutzer mit dem Digital Services Act

Beim DSA stehen weniger die Unternehmen als vielmehr die Nutzer im Fokus. Allerdings ist er schwieriger zu konkretisieren, da viele Aspekte gleichzeitig damit geregelt werden sollen. Das hat unter anderem auch damit zu tun, dass viele Parteien mitreden durften und das Gesetz als Vehikel für ihre politische Agenda nutzen wollten. Im Kern betrifft der DSA jedoch die Inhalte, die im Digitalen verbreitet werden. Er nimmt beispielsweise die Algorithmen für Empfehlungen unter die Lupe. So sollen die Plattformen in die Pflicht genommen werden, offenzulegen, warum Nutzern bestimmte Inhalte anzeigt werden. Davon sind News ebenso berührt wie Werbeanzeigen. Auf Nutzerseite wiederum sollen mehr Möglichkeiten entstehen, um dies zu steuern.

Gleichzeitig sind im DSA auch Punkte wie eine Transparenzpflicht bezüglich der Finanzierungsmodelle von großen Plattformen, Vorschriften gegen illegale Inhalte (Hate Speech) oder Einschränkungen des Trackings zu finden. Letzteres hat insbesondere daher Wellen geschlagen, weil zwischenzeitlich neben der Einschränkung des Targetings für Minderjährige sogar von einem kompletten Targeting-Verbot die Rede war. Dieser Vorschlag ist inzwischen vom Tisch, zumal Themen wie Tracking und Targeting eigentlich in der E-Privacy-Verordnung zu verorten sind. Doch sogar die einwilligungsbasierte Datenverarbeitung hat ihren Platz im DSA.

Weitere Verhandlungen auch beim DSA

Kommendes Jahr soll der DSA ebenso wie der DMA in Kraft treten. Wie beim DMA gibt es ebenfalls noch Diskussionsbedarf, obwohl man sich auf eine grobe Ausrichtung geeinigt hat. Am meisten dürften voraussichtlich die Themen Dark Patterns und personalisierte Werbung diskutiert werden. Ersteres meint einen Graubereich im Digitalen, wie etwa künstliche Knappheit (“Nur noch zwei Plätze verfügbar!”) oder extra unübersichtlich gehaltene Consent-Abfragen.

Die GAFA selbst versuchen ihrerseits Einfluss auf die Ausprägungen des Gesetzespakets zu nehmen. Neben dem üblichen Lobbyismus warnt Apple beispielsweise offiziell, dass die Sicherheit seiner Nutzer in Gefahr ist, wenn fremde Apps auf die iPhones wandern. Facebook sieht hingegen Innovationskraft schwinden, falls die Vorgaben zu strikt werden. Wie sich die einzelnen Punkte in den konkreten Gesetzen niederschlagen, bleibt abzuwarten. Zumindest soll gelten: je größer das Unternehmen, desto strenger die Regeln.

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