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PROGRAMMATIC

Abwasserschächte, Aludächer, Advertising – Programmatic im B2B

Karsten Zunke, 12. Oktober 2020
Bild: Rafael Ben-Ari – Adobe Stock

Der B2B-Sektor stellt besondere Herausforderungen an die Online-Werbung. Die Zielgruppen sind spitz, die Themen spezifisch, die Preise hoch. Grund genug, den Markt mit datenbasiertem Programmatic Advertising zu bearbeiten.

Laut Zenith werden in diesem Jahr 69 Prozent aller Ausgaben für Werbung in digitalen Medien auf programmatische Werbung entfallen. Die Ausgaben für Programmatic sollen damit auf rund 127 Millionen US-Dollar steigen. Ob dies trotz Corona erreicht werden kann, bleibt abzuwarten. Aber der Trend bleibt: Programmatic wächst, auch und insbesondere im B2B-Sektor. Immer mehr mittelständische Unternehmen und Fachverlage treiben die Digitalisierung voran, was digitaler Werbung neue Möglichkeiten eröffnet. Waren früher B2B-Entscheider oder Entscheidungsbeteiligte nur in Nischen-Foren oder auf Fachportalen über Umfeldbuchungen erreichbar, können sie heutzutage überall angesprochen werden – sogar in B2C-Umfeldern.

B2B-Zielgruppen in B2C-Umfeldern erreichen

Bild: Kontor Digital Media Daniel Weber, Kontor Digital Media

„Die Möglichkeit, B2B-Zielgruppen auch in B2C-Umfeldern anzusprechen, ist ein wichtiges Argument für das B2B Programmatic Advertising“, sagt Daniel Weber, Geschäftsführer von Kontor Digital Media. Werbetreibende seien häufig sogar gezwungen, zu programmatischen Buchungen zu greifen. „Fachumfelder haben zwei Nachteile. Sie sind klein und sie sind teuer“, so Weber. Für die Mediaplanung sei es häufig schwierig, dort eine ausreichende Kontaktdosis in einer realistischen Zeitspanne zu erreichen. Programmatic Advertising löst beide Probleme. Da die Technologie eine Nutzeransprache unabhängig vom Umfeld erlaubt, können B2B-Entscheider auch auf klassischen Websites mithilfe von Retargeting angesprochen werden. So lässt sich die Reichweite auffüllen. Und da dort die TKPs auch niedriger sind als in B2B-Umfeldern, relativiert sich der Gesamt-TKP einer Kampagne.

Doch nicht nur die Zielgruppe macht einen Unterschied. B2B-Unternehmen haben auch andere Erwartungshaltungen an Werbeschaltungen: Sie wollen Leads generieren, indem sie zum Beispiel Whitepaper verbreiten. „Als Mediaagentur müssen wir auch überlegen, was nach dem Klick passiert. Landingpage, Lead-Anreicherung, Conversion – B2B-Kunden benötigen in der Regel ein komplettes Beratungspaket“, beschreibt Weber die besondere Herausforderung.

Ganzheitliche Ansätze gefragt

Bild: Raimar von Wienskowski Siamac Rahnavard, Echte Liebe, Bild: Raimar von Wienskowski

Eine Erfahrung, die auch Siamac Rahnavard, Gründer und Managing Partner der Digitalagentur Echte Liebe, bestätigen kann. Seine Agentur versteht sich als Data Driven Marketing Agentur und setzt dementsprechend bereits weit vor dem Media-Einkauf an. Zu den B2B-Kunden zählen vor allem mittelständische Unternehmen. „Persona- und Zielgruppenbeschreibungen fallen vielen Unternehmen schwer“, sagt Rahnavard. Bei Mittelständlern im Vergleich zu größeren Konzernen komme das jedoch schwer zu tragen, denn hier werde viel stärker darauf geblickt, was mit dem Marketing Budget passiert und nicht selten arbeiten Marketing und Vertrieb eng zusammen.

Häufig haben die Unternehmen jedoch in der Vergangenheit nur rudimentär Bestandsdaten digitalisiert und sich auf bestehendes Unternehmenswissen verlassen. Wird ein Kontakt benötigt, wurden noch häufig Papier-Unterlagen gewälzt. Durch Corona hat sich dies geändert. Sowohl Anbieter als auch potenzielle Abnehmer sind nicht im Büro. Messen, die zuvor einen wichtigen Vertriebskanal dargestellt haben, sind komplett ausgefallen. Als Folge wird von B2B-Firmen verstärkt das Internet für Recherchen herangezogen. „Wir raten deshalb, flankierend zu den aktivierenden Marketing-Maßnahmen wie Programmatic-Buchungen, stets zu einer Search-Strategie, um B2B-Zielgruppen nicht nur anzutriggern, sondern diese auch abzuholen“, so Rahnavard.

Viele Hürden, viel Potenzial

Doch damit ist der Job nicht erledigt: Anschließend müssen die erreichten Nutzer differenziert werden. Beispielsweise ist es für einen Anbieter von Komplettdächern wichtig zu unterscheiden, ob man einen Architekten, Bauplaner, Unternehmensinhaber oder lediglich den Besitzer eines Gartenhäuschens angesprochen hat. Mit kleinen Datensätzen, die auf relevante Attribute setzen, ist Rahnavard zufolge eine solche Differenzierung durchaus möglich. Denn letztlich geht es darum, den B2B-Nutzer je nach Persona und Funnel-Stadium unterschiedlich anzusprechen.

Eine ganzheitliche, datengetriebene Maßnahme sollte noch darüber hinaus gehen. So muss der Lead auf der Website verarbeitet und dem Inbound-Marketing zur weiteren Qualifizierung übergeben werden. Ein immenser Aufwand, der sich trotzdem rechnet, da die beworbenen B2B-Produkte und Lösungen in der Regel hochpreisig sind.

Bild: Direct Interactive Carola Busam, Direct Interactive

„Wichtig ist es Zielgruppen spezifisch auszurichten und diese durch ein mehrstufiges Targeting immer weiter zu qualifizieren“, rät Carola Busam, Online Marketing Managerin bei Direct Interactive. Nach der erstmaligen Ansprache könnten zum Beispiel Video Viewer, Landingpage Besucher und interessierte Leads erneut angesprochen werden, um sie weiterzuentwickeln, Lookalikes zu bilden und Streuverluste immer weiter zu minimieren. Da die Zielgruppe in den meisten Fällen spezifisch und klein ist, kann auch ein darauf basierendes Lookalike Modelling länger dauern, da es das eine bestimmte Grunddatenmenge benötigt.

Zwischenziele für bessere Messbarkeit

Bei der technologischen Abwicklung der Buchungen unterscheiden sich B2C- und B2B-Programmatic hingegen kaum. Die meisten Dienstleister nutzen für B2B-Kampagnen die gleichen Demand-Side-Plattformen (DSP) wie für B2C. Auch B2B-Zielgruppensegmente sind am Markt erhältlich. Doch hier gilt es genau hinzuschauen. Laut Rahnavard verkaufen manche B2B-Datenanbieter „nur heiße Luft“. Seine Agentur arbeitet daher ausschließlich mit Datenanbietern zusammen, bei denen die Agentur die Zielgruppen-Segmente selbst entwickeln kann. Auch sei nicht jede DSP tatsächlich für B2B-Kampagnen prädestiniert. „Es geht nicht darum, Media zu skalieren, sondern B2B-Kunden zielgerichtet anzusprechen“, betont Rahnavard.

Nachdem eine Kampagne gelaufen ist, bleiben die Herausforderungen hoch. Ein Problem ist, dass die Bewertung der Kampagnenperformance durch zwei Umstände erschwert wird: Zum einen dauern Entscheidungsprozesse vom Erstkontakt bis zum Abschluss oftmals länger als die Cookie-Laufzeiten abdecken. Zum anderen finden Abschlüsse gerade bei preisintensiveren Leistungen und Produkten häufig in einem nachgelagerten Sales-Prozess statt. „Mehrstufige Kampagnenkonzepte mit Zwischenzielen wie Webinar-Anmeldungen oder Whitepaper Leads können hier Abhilfe schaffen“, sagt Busam. Zusätzlich kann in vielen CRM-Systemen die Quelle des Leads in den Daten hinterlegt werden.

B2B-Ausblick: Auch Consumer werden interessant

Egal ob Baustoffe, Abwasserschächte, Klebetechnik oder Schwerlastkräne: Für jedes Produkt gibt es die passende Werbung. Im Web kann Programmatic dies immer besser abdecken, da sowohl Anbieter als auch Publisher sich in diesem Bereich stärker digitalisieren. Nach Einschätzung von Weber hat B2B-Programmatic daher noch viel Luft nach oben. Neben der Digitalisierung und Professionalisierung der Fachtitel hat der Experte noch einen weiteren Treiber ausgemacht: Vermeintliche Consumer rücken verstärkt in das Interesse der B2B-Unternehmen.

„Hersteller wenden sich verstärkt an Endkunden, obwohl sie nicht direkt an sie verkaufen. So entsteht im Fachhandel ein Nachfragesog durch den Konsumenten, zum Beispiel beim Thema Baustoffe“, erläutert Weber. Der Grund: Durch die Digitalisierung sind Verbraucher immer besser informiert und in Prozesse involviert. So recherchiert der private Häuslebauer einsetzbare Baustoffe nicht im Baumarkt vor Ort, sondern informiert sich bei verschiedenen Herstellern. Ein solches Zusammenwachsen könnte sich nach Einschätzung von Weber als ein spannender, zusätzlicher Treiber für das B2B-Programmatic erweisen, da in diesem Fall Budgets und Zielgruppen wachsen.

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