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DIGITAL MARKETING

Vienna Calling: Harald Grabner von 123Consulting im Interview

Sandra Goetz, 15. Juli 2020

In punkto Lebensqualität belegt Wien seit Jahren Bestnoten im weltweiten Länderranking. Dass die österreichische Metropole und drittgrößte Stadt im deutschsprachigen Raum hinter Berlin und Hamburg auch wirtschaftlich ganz gut dasteht und darüber hinaus eine sehr lebendige Online-Marketing-Szene hat, ist kein Geheimnis. Dass deutsche Agenturen und Unternehmen Zweigstellen in Wien haben, auch nicht. Und wie sieht das Ganze umgekehrt aus? Für diesen Entscheider haben wir uns in der Szene umgehört und sind auf die Wiener Digital-Marketing-Agentur 123Consulting gestoßen. Genau genommen auf den Gründer und Geschäftsführer Harald Grabner, Jahrgang 1965, der 2018 einen deutschen Standort in Berlin eröffnet hat und die Präsenz in beiden Ländern sehr schätzt.

ADZINE: Herr Grabner, Sie sind ja schon länger im Geschäft. Seit wann ist 123Consutling auf dem Markt?

Harald Grabner: Das Beratungsunternehmen habe ich 2006 in Wien gegründet; seit zwei Jahren sind wir mit einem Office auch in Berlin vertreten. Dieser Schritt war für uns sehr wichtig damit wir einen noch direkteren Draht zu unseren deutschen Kunden haben und umgekehrt.

ADZINE: Die letzte News war, dass Ihre Digital-Agentur für die Neuausrichtung der Webseite, der gesamten Kampagnenplanung und gezieltem CRM-Aufbau der Hohe Brücke Klassenlotterie beauftragt wurde – diese ist ja das österreichische Pendant zur Deutschen Klassenlotterie.

Grabner: Wir haben bereits 2019 die ersten digitalen Annäherungen vorgenommen und umfassende Test-Kampagnen für die Hohe Brücke geplant und umgesetzt. Umso mehr freuen wir uns jetzt, dass wir die erfolgreiche Zusammenarbeit in einem gemeinsamen Portfolio gezielt fortsetzen können.

ADZINE: Bevor wir hier weitergehen, möchten wir noch ein wenig mehr von Ihnen wissen. Sie haben nicht als Digitalmarketer angefangen, sondern …

Grabner: … ich komme aus dem klassischen Marketing und habe in beiden Disziplinen langjährige berufliche Erfahrungen. Ursprünglich stamme ich aus Graz, aus einer Unternehmerfamilie, die Selbständigkeit ist mir somit in die Wiege gelegt worden. Da lernt man frühzeitig Verantwortung zu übernehmen, die Quintessenz des Unternehmertums, welche ich zu einem späteren Zeitpunkt in mein eigenes Unternehmen eingebracht habe. Bis zur Gründung hat es aber noch ein wenig gedauert…

ADZINE: …erzählen Sie!

Grabner: Nach der Matura (Abitur) ging es nach Wien, zum Studium und danach für viele Jahre ins Gastro- und Hotelgewerbe, wo ich relativ schnell als Marketingleiter für Österreich und Deutschland Karriere gemacht habe, u.a. für das Unternehmen Wigast AG, zu denen damals auch die Wienerwald-Kette gehörte. Von Wigast aus, die damals vom österreichischen Verkehrsbüro übernommen wurde, ging es weiter ins Kino- und Filmbusiness. Bei der Constantin Film Unternehmensgruppe war ich über ein Jahrzehnt tätig; habe dort die Cineplexx-Gruppe mitaufgebaut und war in meiner Funktion als Head of Marketing an der Einführung des digitalen Kinos und des Film- und Kino-Marketings in Österreich beteiligt. Das war eine wirklich spannende Zeit, hier bin ich auch erstmals ins digitale Marketing eingestiegen. Im deutschsprachigen Kino-Raum waren wir im Online Marketing und Ticketing die ersten, die das erfolgreich eingeführt haben. Ein digitaler Meilenstein, wenn Sie so möchten.

ADZINE: Und dem Kino sind Sie auch nachdem Sie die Constantin Film Gruppe verlassen und Ihre Firma gegründet haben, treu geblieben?

Grabner (lacht): Das stimmt, unsere Agentur betreut das Kino-Unternehmen Hollywood Megaplex und Sony Pictures Austria, zwei langjährige Kunden.

ADZINE: Ihre ersten Kunden?

Grabner: Die Rewe, der Wien Tourismus und Siemens. Hier haben wir rückblickend ganz klassisch mit Suchmaschinenmarketing angefangen. Ein Bereich, der 2006 gerade in den Kinderschuhen steckte. Danach erweiterte sich das Portfolio mit Social Media, Newsletter- und Marketing Automation sowie RTB Campaigning. Mit den neuen Kunden und den wachsenden Aufgaben hat sich unser Agenturportfolio somit stetig erweitert.

ADZINE: Das Agenturportfolio schaut bunt aus.

Grabner: Neben Hohe Brücke Klassenlotterie und Hollywood Megaplex zählen wir beispielsweise den ÖAMTC – der österreichische Automobil-, Motorrad- und Touring-Club, Vaillant Österreich, Medizinfuchs, ZGONC oder auch Rewe zu unseren treuen und langjährigen Kunden.

ADZINE: Wie sieht es mit den Herausforderungen im digitalen Marketingmix für die Unternehmen aus?

Grabner: Erstmal haben alle dieselben Herausforderungen, wenn wir auf die Zielgruppen samt Ansprache schauen. Beispielsweise hat die Klassenlotterie eine sehr große und treue Klientel in der Offline-Welt. Nun gilt es, jene Zielgruppen anzusprechen, die in der digitalen Welt aufgewachsen und dabei mit der Hohe Brücke Klassenlotterie noch nicht in Berührung gekommen sind. Wir beraten auch im Tourismus- und Hotelbereich, hier müssen viele Hotelketten sich ebenso den digitalen Herausforderungen stellen und viel besser positionieren. Die Zeit des auf den Lorbeeren der alten „klassischen“ Welt auszuruhen, ist für immer vorbei. Dafür ist das Business mit neuen Playern zu schnell bzw. „transformant“ geworden. Ein guter Ruf von anno dazumal hat heute fast keinen Wert mehr.

ADZINE: Was ist für Sie die größte Challenge diesbezüglich?

Grabner: Die größte Herausforderung sehe ich darin, die wirklich junge Generation der 13- bis 20-Jährigen gezielt über digitale Kanäle zu erreichen. Das funktioniert in erster Linie nur noch über Social Media. Was gestern noch Instagram oder Snapchat war, ist heute Tik Tok und morgen wieder etwas anderes. Hinzu kommt, dass die Markenbindung auch in den jungen Zielgruppen nur recht selektiv funktioniert, wichtig sind der unmittelbare Erlebnis-, Mehrwert- und Service-Charakter. Hier verschmelzen alte und neue Welten.

ADZINE: Können Sie konkreter werden, was heißt das für Ihr Beratungsgeschäft?

Grabner: Erstens: Unser Geschäft steht und fällt mit dem richtigen oder auch falschen Mindset und der digitalen Landkarte. Online Marketing ist eine eigene Disziplin, die strategisch richtig aufgesetzt werden muss. Der große Vorteil gegenüber klassischem Marketing ist die Messbarkeit. Und Marketing ist immer eine Investition, unabhängig davon, ob die Budgets ins klassische oder ins digitale Marketing laufen.

Zweitens: Der Mix beeinflusst die Komplexität, aber auch die Ansprache und das eigentliche Media-Spending. Meine Beobachtung ist, dass die Unternehmen durch die Covid-19-Pandemie sensibler für die Spielarten des digitalen Marketings geworden sind. Das betrifft auch den Datenschutz, schwindenden Cookie Informationen und eine wachsende Sensibilität für Kontaktpunkte, den Touchpoints, der Kunden auf dem Weg zur Konsumation. Und die Erkenntnis, dass mit einem schnell aufgesetzten Online-Shop die Welt kurzfristig nicht zu retten ist.

ADZINE: Wo sehen Sie aktuell die größten Herausforderungen generell für Leiter von Marketing-Organisationen?

Grabner: Die größten Herausforderungen sehe ich im Zusammenspiel zwischen Offline & Online. Denn eines haben wir gelernt, ein entweder oder gibt es nicht. Für Marketingleiter ist es auch sehr schwierig, den Überblick im digitalen Marketing zu behalten und zu verstehen, dass Online nicht einfach auf- und abgedreht werden kann. Wir benötigen konstante Datenbilder innerhalb von Kampagnen und Kundenbewegungen, ohne die geht es nicht. Die Entwicklung schreitet gefühlt immer rasanter voran, auch wenn es schon viel zentralisierte Marktmacht im Digital Business gibt. Hier stehen wir als Consulting-Agentur im Brennpunkt für Kunden und sind gefragter denn je.

ADZINE: Wird Marketing eher besser durch Wirkungstransparenz oder Entscheidungshilfen oder eher durch Automatisierung und Prozessoptimierung?

Grabner: Eine gute Frage. Ich denke, dass man aus jeder Disziplin die individuell (vor allem für den Prozess) passende Information bzw. das Take-Away benötigt. Hier abzugrenzen mag für das Verständnis helfen, nicht aber bei der Erfüllung einer gelungenen Customer Journey.

ADZINE: Können Sie uns ein Beispiel nennen?

Grabner: Sehr gerne, hier kommt ein direktes Beispiel: Was hilft es einem Kunden, wenn Website, Newsletter, Online-Kampagnen und SEO Performance perfekt aufgesetzt werden, im Hintergrund der Organisation aber 80 % der Prozesse manuell und mit wenig Automatisierung gehandhabt werden? Das Unternehmen wird die benötigte Geschwindigkeit an Information und Handlungsempfehlung für die digitalen „Performance“-Systeme nicht erreichen, wenn die Business Organisation dahinter nicht Schritt halten kann. Hier stehen derzeit sehr viele Geschäftsführer und Marketingleute vor zentralen Entscheidungen, die natürlich alles im Unternehmen verändern. Fakt ist, nur wenn ich die richtige Menge an Information zeitgerecht erhalte, kann ich jene unmittelbaren Entscheidungen treffen, die im digitalen Business benötigt werden.

ADZINE: Herr Grabner, wir danken für das Gespräch und wünschen weiterhin viel Erfolg.

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