Ersatz für TV-Reichweite: Die Rolle von Owned Media in der Bewegtbildplanung
Anton Priebe, 24. October 2019Mediaagenturen sehen sich dem Problem gegenüber, dass bestimmte Zielgruppen über das lineare Fernsehen immer schwerer zu erreichen sind. Insbesondere die jüngere Generation greift beim Konsum von Bewegtbild eher auf werbefreie Video-on-Demand-Dienste wie Netflix und Amazon zurück oder weicht auf Mediatheken, Youtube, Facebook bzw. sonstige Social Media aus. Die Botschaft der TV-Werbung, die zwar noch immer die größte Reichweite und hohe Nutzungsintensität verspricht, muss also zusätzlich in alternativen Kanälen platziert werden. In diesem Zusammenhang schauen Mediaplaner auch auf unternehmenseigene Sprachrohre. ADZINE hat in der Agenturwelt nachgefragt, inwiefern sich Owned Media für die Bewegtbildplanung überhaupt eignet.
Owned Media spielt seit jeher eine Rolle im Mediaplan und ist im Zuge des Content-Marketing-Hypes noch einmal stärker in den Fokus der Agenturen geraten. “Corporate Communication war früher nur eine professionelle PR-Arbeit, heute müssen alle Kanäle der Kommunikation berücksichtigt werden”, schlussfolgert Anja Stockhausen, Managing Director von Publicis Media. Das große Problem dabei scheint jedoch strategisch aufseiten der Marken zu liegen: “Leider beobachten wir viel zu häufig, dass die Unternehmensbereiche Corporate Communication und Media Communication getrennt organisiert, geführt und zu wenig abgestimmt sind. Im günstigsten Fall aber führen Maßnahmen für den Bereich Paid und Owned Media zu einem deutlich besseren Gesamtergebnis für die Kommunikation als jeder für sich allein. Wer seinen Job als Marketer ernst nimmt, sorgt für eine entsprechende Aufstellung des ‘owned’ Mediabereichs”, so die Geschäftsführerin.
Nervt digitale Videowerbung?
Auch Armin Schroeder, geschäftsführender Gesellschafter von Crossmedia, unterstützt den Gedanken der Verschmelzung von Owned mit Paid Media in der Aussteuerung, speziell wenn es um Bewegtbildwerbung geht. Denn “digitale Videowerbung, erst recht mobil, lehnen die 16- bis 19-Jährigen viel stärker ab als klassische TV-Werbung. Das verwundert nicht weiter, wenn man sich vor Augen führt, dass sie stärker als alle vorangegangenen Generationen hier in ihrem persönlichsten ‘Zuhause’ belästigt werden. Werbung stört sie schlicht in dem was sie tun; sie hält auf und lähmt ihr digitales Leben”, meint der Agenturchef.
Doch als unerreichbar für Werbung können die jungen Zielgruppen bei weitem nicht gelten. “Was positiv angenommen wird, ist alles, was eher als Entertainment und Content wahrgenommen wird und dem Nutzer die Kontrolle zurückgibt. Im werblicheren Kontext bedeutet das eine höhere Akzeptanz von skippable Ads oder Videos mit Incentivierung.” Paradebeispiele für Owned Media im Bereich Video sieht Schroeder ausgerechnet bei denen, die für ihre provokative Werbung oftmals in der Kritik stehen: “Die Königsdisziplin sind Owned-Kanäle wie beispielsweise die erfolgreichen Recruiting-Serien der Bundeswehr auf ihren Youtube- und weiteren Social-Media-Kanälen, die sich die Zielgruppe ganz bewusst aussucht, ansteuert und bestenfalls abonniert.”
Ohne Budget keine Reichweite
Dabei gilt es jedoch, nicht das große Ganze aus den Augen zu verlieren. “Owned Media funktioniert viel besser als Verstärker und profitiert ungemein als Teil eines Ökosystems und einer Kampagnenarchitektur, die auch bezahlte Werbung beinhalten muss. Der größte Fehler ist häufig die zu starke Fokussierung auf Owned ODER Paid. Beides befruchtet sich in seiner Wirkung gegenseitig und schafft dringend notwendige Synergien”, bestätigt Schroeder die Aussage seiner Branchenkollegin.
Manfred Klaus, Geschäftsführer und Sprecher der Geschäftsführung von Plan.Net, geht noch einen Schritt weiter. Owned Media allein nützt laut ihm gar nichts: “Viralität hat sich als nicht planbar und eher als glückliche Ausnahme erwiesen. Ich glaube nicht daran, dass Marken ihre eigenen TV-Kanäle befüllen und kuratieren müssen. Earned und Owned Media wurden in den letzten Jahren entzaubert, die organischen Reichweiten auf den großen Social Plattformen haben sich stark dezimiert. Um Marken-Content sichtbar zu machen, muss zwangsläufig Geld in die Hand genommen werden”, schließt der Leiter der Serviceplan-Tochter.
Content-Arbeit der Mediaagenturen
Bei der Betrachtung der Aussagen aus der Agenturwelt wird deutlich, dass sich offenbar mit der steigenden Bedeutung von Owned Media, auch wenn von Budget unterstützt, das Aufgabenfeld der Mediaagenturen ändert. Es ist eine Verschiebung der Kompetenzen zu beobachten, denn Mediaagenturen sind immer häufiger auch für inhaltliche Aspekte der Unternehmenskommunikation abseits der Aussteuerung von Werbung verantwortlich.
So erörtert Bastian Lütz, Client Director und Managing Partner der GroupM-Tochter Essence: “Die Rolle von Owned Media wird durchaus wichtiger im Mediaplan, aber sie verändert sich. Wir sind davon überzeugt, dass mediale Kooperationen einen größeren Stellenwert erlangen werden. Dazu gehören Branded Content und andere Mischformen aus Paid und Owned Media.” In die Kreation dieser Mischformen sind sicherlich künftig auch verstärkt die Köpfe der Mediaagenturen involviert.
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