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Die Zukunft von TV: Drei Szenarien und mögliche Reaktionen

Jens T. Möller, Analyst, 30. September 2019
Bild: Joshua Fuller; CC0 - unsplash.com

Verschiedene Studien und Analysen bescheinigen dem klassischen TV konstant hohe Nutzungszahlen und erklären es zum am meisten genutzten Medium der Bundesrepublik. Tatsächlich verbrachten die Deutschen im vergangenen Jahr durchschnittlich 234 Minuten pro Tag mit Fernsehen. Doch wird dies immer so bleiben oder wird sich das TV-Nutzungsverhalten der Verbraucher in Zukunft verändern? In Zeiten von Netflix und Co. mag der Eindruck entstehen, dass das klassische, lineare Fernsehen zunehmend an Bedeutung verliert. Studien belegen schon jetzt: Während ältere Menschen dem linearen TV-Konsum treu bleiben, wenden sich die jüngeren Bevölkerungsgruppen ab. Eine aktuelle Studie greift diese Tatsache auf und untersucht drei mögliche Szenarien für die Zukunft des Fernsehens.

Wissenschaftler der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und das Beratungsunternehmen Roland Berger haben das TV-Nutzungsverhalten der Deutschen auf Basis einer repräsentative Umfrage mit 1.600 Teilnehmern untersucht. In ihrer gemeinsamen Veröffentlichung “Quo Vadis Deutsche Medien? Zur Zukunft deutscher Fernsehanbieter in digitalen Streaming-Zeiten” können die Studienmacher nachweisen, dass die jüngeren Generationen nur noch ein Drittel ihrer gesamten Mediennutzungszeit auf lineares TV verwenden. Die Gruppe der Über-50-Jährigen verwendet hingegen noch zwei Drittel ihrer Zeit auf den klassischen TV-Konsum.

Die Zahlen bestätigen im ersten Moment Ergebnisse anderer Studien zu diesem Thema. So legen etwa die “Onlinestudie” von ARD und ZDF, der “Media Activity Guide” von SevenOne Media oder die “Deloitte Media Consumer Survey 2018” nahe, dass die TV-Zuschauer immer älter werden und die 14- bis 29-Jährigen zunehmend über Streaming-Dienste ihren Bewegtbildkonsum substitutieren. Durch den großen Anteil älterer Bevölkerungsschichten scheinen also zum jetzigen Zeitpunkt die konstanten Nutzungszahlen für das lineare TV gesichert zu sein. Doch wie wird es sich in Zukunft verhalten, wenn die jetzt Jüngeren den Platz der Älteren einnehmen?

Drei Szenarien für die Zukunft von TV

Um dieser Frage nachzugehen, führten die Autoren durch nichtlineare Funktionsverläufe gestützte Regressionsanalysen für drei mögliche Szenarien durch. Grundlage der Modelle bildeten historische und aktuelle Nutzungszahlen von ZDF und AGF zum TV-Konsum der Deutschen. Dadurch können die Studienmacher eine Schätzung der Sehminuten für lineare TV-Ausstrahlungen bis zum Jahr 2030 vornehmen. Das erste Szenario unterstellt dabei die Annahme eines “altersspezifischen Sehverhaltens”. Die heute jüngeren Bevölkerungsschichten adaptieren im Alter das Nutzungsverhalten der heute Alten und konsumieren deutlich mehr lineares TV als bisher. Durch bevölkerungsschwache Jahrgänge sinken die durchschnittlichen Sehminuten aber dennoch von ca. 220 auf ca. 180 Minuten, aber trotzdem nicht so stark wie in Szenario 2. Hier nehmen die Forscher an, dass die heute jungen Zuschauer ihre Nutzungsintensität im Alter nicht anpassen und weiter wie bisher Bewegtbild konsumieren. Die einmal verloren TV-Zuschauer kommen also nicht mehr zurück und die durchschnittlichen Sehminuten sinken von 220 auf unter 140 Minuten. Das dritte Szenario ist als Kompromiss zwischen 1 und 2 zu verstehen. Eine gewisse Art von altersspezifischem TV-Nutzungsverhalten wird hier unterstellt. Der Wegfall der TV-Audience fällt demnach nicht so gravierend aus wie im ersten Szenario.

Insgesamt schätzt die Studie, dass je nach tatsächlich eintretendem Szenario, in den nächsten zehn Jahren die Sehdauer von linearem TV im Durchschnitt und über alle Altersgruppen hinweg zwischen 20 Prozent (Szenario 1) und 38 Prozent (Szenario 2) sinken wird. Wird nur die junge Zielgruppe der 14- bis 29-Jährigen betrachtet, fällt der Rückgang sogar noch gravierender aus. Die Schätzung für das dritte Szenario geht hier von einem Rückgang um fast zwei Drittel aus. Somit ergeben sich für private TV-Sender gravierende Probleme. Auch die Werbebranche muss langfristig demnach über alternative Werbekanäle nachdenken, um ihre Reichweite in den Zielgruppen zu erhalten.

Mögliche Reaktionen der Medienhäuser

Die Studie befasst sich auch mit möglichen Optionen, wie die deutschen Medienhäuser auf diese Entwicklung reagieren und sich zukünftig weiterhin behaupten können. Eine Option sieht den geordneten und profitablen Rückzug aus dem schrumpfenden Geschäftsfeld vor. Dabei sollen vor allem umfassende Investitionen vermieden werden. Die zweite Möglichkeit befasst sich mit einem radikalen Wandel, als dass die Medienunternehmen ihre Geschäftsschwerpunkte verlagern. Die dritte Option geht davon aus, dass die Unternehmen ihrem Kerngeschäft treu bleiben wollen. In diesem Falle müsse eine radikale oder synergetische Transformation durchgeführt werden. Alte Formate sollen so mit neuen verbunden werden. Als Beispiel könne hier Ströer aufgeführt werden, die sich ausgehend von Außenwerbung zum Vorreiter für analoge und digitale Werbung entwickelt hätte. Um also langfristig am Markt bestehen zu können, wird sich die TV-Landschaft grundlegend anpassen und verändern müssen. Dabei zeigen sich jetzt schon erste Schritte in diese Richtung. Deutsche werbefinanzierte Streamingdienste wollen die Zielgruppe der linearen TV-Wenigseher dem Werbemarkt wieder zugänglich machen. Dabei handelt es sich etwa um Joyn, ein Joint-Venture von ProSiebenSat.1 und Discovery, oder um TVNow von der Mediengruppe RTL.

Takeaways

  • Während ältere Menschen dem linearen TV-Konsum treu bleiben, wenden sich die jüngeren Bevölkerungsgruppen ab.
  • Eine aktuelle Studie greift diese Tatsache auf und untersucht drei mögliche Szenarien für die Zukunft des Fernsehens.
  • Insgesamt schätzt die Studie, dass je nach tatsächlich eintretenden Szenario, in den nächsten zehn Jahren die Sehdauer von linearem TV im Durchschnitt und über alle Altersgruppen hinweg zwischen 20 Prozent (Szenario 1) und 38 Prozent (Szenario 2) sinken wird.
  • Um also langfristig am Markt bestehen zu können, wird sich die TV-Landschaft grundlegend anpassen und verändern müssen.

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