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Von der Zigarette zum Hightech-Produkt: Die neue Marketingstrategie von Philip Morris

Anton Priebe, 27. Mai 2019
Bild: Philip Morris Presse

Philip Morris ist nicht nur mitten in der digitalen Transformation, sondern hat sich auch noch von seinem Kernprodukt radikal distanziert. Der Konzern möchte eher mittel- als langfristig rauchfrei sein. Im Rahmen des Online Marketing Rockstars Festivals in Hamburg haben wir mit Thorsten Scheib, Marketing Direktor Deutschland von Philip Morris, darüber gesprochen, welche Herausforderungen dieser Wandel mit sich bringt.

ADZINE: Herr Scheib, wann hat Ihr Konzern sich dazu entschlossen, sich langfristig von Zigaretten zu verabschieden, und wie kommt man auf die Idee, sein Kernprodukt eigenhändig zu zerstören?

Thorsten Scheib: Wir haben schon vor über zehn Jahren begonnen, rauchfreie Alternativen zu Zigaretten zu entwickeln und mittlerweile rund 4,5 Milliarden Euro in die Forschung investiert. Es ist ja ist vor allem der Rauch, der beim Verbrennen entsteht, der Zigaretten schädlich für die Gesundheit macht. Mit dem Tabakerhitzer IQOS haben wir vor zwei Jahren ein Produkt auf den deutschen Markt gebracht, das 90 bis 95 Prozent weniger Schadstoffe als eine herkömmliche Zigarette abgibt. Für uns ist IQOS die bessere Alternative zur Zigarette. Trotzdem will ich hier klarstellen: IQOS und die dazugehörigen Tabak-HEETS sind weder gesund noch risikofrei.

ADZINE: Wie schafft man es, diese Transformation glaubwürdig zu vermitteln?

Scheib: Es gibt keinen Plan B dazu. Wir ziehen unsere Transformation konsequent durch. Und schrecken dabei auch nicht vor radikalen Aussagen zurück. Unsmoke ist das neue Motto bei Philip Morris. Die Wortschöpfung beschreibt unsere Vision einer rauchfreien Zukunft. Die Botschaft dahinter ist simpel: Wenn du nicht rauchst, fang erst gar nicht damit an. Wenn du rauchst, hör auf damit. Wenn du nicht aufhörst, dann wähle eine Alternative.

ADZINE: Inwiefern hat sich die Marketingstrategie seit dem Umbruch deshalb verändert? Der Cowboy hat offensichtlich ausgedient?

Scheib: Wir sind groß geworden mit emotionalisierenden Bildern von Freiheit und Abenteuer. Aber anders als eine Zigarette ist IQOS ein Hightech-Produkt, das erklärungsbedürftig ist. Das erfordert natürlich ein komplettes Umdenken in der Kundenansprache. Neben der Plakatwerbung spielen jetzt fundierte wissenschaftliche Studien eine große Rolle. Und der direkte Kontakt zu den Konsumenten in unseren IQOS-Stores, wo wir das Produkt ausführlich erklären und vorführen können. Auch die Tonalität in der Kommunikation hat sich geändert. Wir mussten erst lernen, aufmerksam zuzuhören und den richtigen Ton zu treffen.

ADZINE: Welche Probleme bereitet IQOS denn mit Blick aufs Marketing?

Scheib: Mit IQOS haben wir nicht nur ein neues Produkt eingeführt, sondern eine ganz neue Produktkategorie erschaffen: den Tabakerhitzer. Die große kommunikative Herausforderung besteht darin, den Verbrauchern Funktion und Vorzüge dieses innovativen Produkts nahe zu bringen. Das ist nicht ganz trivial in Zeiten digitaler Reizüberflutung, wo die durchschnittliche Aufmerksamkeitsspanne nur noch bei acht Sekunden liegt.

ADZINE: Zum Thema Verdampfen & Co. gibt es zahlreiche wissenschaftliche Studien, die in verschiedene Richtungen gehen. Viele werden angezweifelt. Manche vermuten die Tabaklobby hinter den einen, manche die Verdampferindustrie hinter den anderen. Wie schaffen Sie es, diese Studien trotzdem für ihre Werbung einzusetzen?

Scheib: Zunächst setzten wir unsere wissenschaftlichen Studien nicht für Werbezwecke ein. Ziel unserer Wissenschaft ist eine Diskussion zu ermöglichen, basierend auf Fakten und auf wissenschaftlichen Erkenntnissen. Alle unserer Daten werden in wissenschaftlichen Fachmagazinen publiziert und stehen zur externen Evaluation zur Verfügung. Unabhängige Behören haben in eigens durchgeführten Studien die von uns erhobenen Daten zur reduzierten Schadstofffreisetzung größtenteils bestätigt.

Wir sind mit unserer Forschung heute vollkommen transparent und freuen uns über jeden, der unsere Ergebnisse nachvollzieht, überprüft und mit uns den Austausch sucht. Sicher sind in der Vergangenheit Fehler gemacht worden. Wichtig ist, was man aus ihnen lernt. Und wir haben eins verstanden: Wir brauchen einen offenen Dialog auf Augenhöhe mit unseren Kunden.

ADZINE: Wie würden Sie den Status quo der digitalen Transformation von Philip Morris beschreiben? Sind Sie bislang erfolgreich? Was sind die Ziele?

Scheib: Wir haben uns innerhalb weniger Jahre vom Zigarettenhersteller zum Hightech-Unternehmen entwickelt. Das ist die einschneidendste Veränderung, die Philip Morris je durchlaufen hat. Mit der Zigarette waren wir ja off – es gab keine Interaktion mit Kunden, keine Verkaufs-Website, kein Call-Center, kein CRM, keinen Austausch am POS. Mit IQOS hat sich das komplett verändert, weil wir nun ein Produkt anbieten, zu dem Feedback, Beratung und Service einfach dazugehören. Deshalb mussten wir uns als Unternehmen sehr schnell wandeln und lernen, mit unseren Kunden über alle vorhandenen Kanäle zu kommunizieren.

Aber die eigentliche Transformation, die wir vorantreiben wollen, geht über Digitalisierung weit hinaus: Wir verfolgen die Vision einer rauchfreien Zukunft. Ziel ist es, bis 2025 rund 40 Millionen Raucher weltweit zu überzeugen, auf Zigaretten zu verzichten und auf rauchfreie Alternativen zu wechseln. Unser bisheriger Markterfolg mit IQOS in Deutschland bestätigt uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

ADZINE: Vielen Dank für das Gespräch, Herr Scheib!

Thorsten Scheib war einer der spannenden Speaker auf dem Online Marketing Rockstars Festival 2019. Der Termin für nächstes Jahr steht auch schon fest: OMR 2020 findet am 12. & 13. Mai statt.

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