Adzine Top-Stories per Newsletter
DIGITAL MARKETING

Digitalisierung: Wo und wie Deutschland aufholen muss

Jens von Rauchhaupt, 7. August 2018

Auf dem diesjährigen Berliner Ludwig-Erhard-Symposium der Ludwig-Erhard-Stiftung sorgte der ehemalige Seriengründer und heutige Investor Thomas Falk für einiges Aufsehen. In seiner Rede über die “Neue Dynamik für die Digitalisierung von Wirtschaft und Währung” stellte Falk klar, warum Deutschland Unternehmen benötigt, die auf Augenhöhe mit Google, Facebook, Amazon und Apple konkurrieren können. Lesen Sie hier einen Auszug aus seiner Rede, in der er auch klare Handlungsempfehlungen für Politik und Wirtschaft gibt.

Zur Person Thomas Falk

Mit 26 Jahren war Thomas Falk schon ein erfolgreicher Unternehmer als er im Jahr 2006 sein Adserving-Unternehmen Falk eSolutions für einen zweistelligen Millionenbetrag an DoubleClick verkaufte. Nach der Übernahme von DoubleClick durch Google im Folgejahr verließ Falk das Unternehmen. Anstatt die Füße hochzulegen, gründete er über eValue eine Reihe von Unternehmen im Bereich digitale Werbung. Heute tritt Thomas Falk vor allem als Investor in Erscheinung. Als General Partner bei der Private Equity Firma Revel Partners ist er Board Member der us-amerikanischen Demand Side Platform 'TheTradeDesk' und der deutschen Multichannel Plattform 'Exactag'. Beide Unternehmen gehören in ihren Spezialbereichen weltweit zur technologischen Spitze.

Es folgt ein Auszug aus der Rede von Thomas Falk auf dem diesjährigen Berliner Ludwig-Erhard-Symposium:

"Das jüngste Interview in der Wirtschaftswoche mit Kanzleramtschef Helge Braun vermittelt, was die Bundesregierung unter Digitalisierung versteht: „Die Regierung muss einiges zugleich schaffen: Schnelles, leistungsstarkes Internet muss überall in Deutschland ausgebaut werden. Auch müssen wir dafür sorgen, dass die Wirtschaft fit fürs digitale Zeitalter wird. Und dann müssen wir Sicherheit im Netz gewährleisten.“

Ich freue mich natürlich über schnelles sicheres Internet und eine fitte Wirtschaft, aber wir müssen die Digitalisierung als ein sehr strategisches Investment in unsere Zukunft sehen.

These 1:

Wir benötigen Unternehmen, die auf Augenhöhe mit Google, Facebook, Amazon und Apple konkurrieren können. Und die die Ressourcen haben, Milliarden in neue Technologien zu investieren. Zum Vergleich: Der gesamte Dax, die Top 30 Firmen in Deutschland werden so hoch bewertet wie Apple alleine. Wenn jemand in Deutschland gefragt wird, welche großen Internetfirmen es gibt, dann nennen 90 Prozent United Internet. Die Firma hat zwar „Internet“ im Namen, verlegt aber lediglich DSL-Anschlüsse.

Wir haben in den letzten 20 Jahren verpasst, richtige Technologiefirmen zu entwickeln, die eine Chance haben, im globalen Wettbewerb gegen Monopolisten aus dem Valley bestehen zu können. China hat es durch Interventionen und Abschottung seitens des Staates geschafft und gleich eine „Great Firewall“ darum gebaut.

Nehmen wir einfach mal an, rein hypothetisch, es würde in den USA einen Präsidenten geben, der sein Land über Twitter regiert und ihm würde eines Abends einfallen die Dienste von Google, Facebook, Amazon und Apple in Europa über Nacht zu untersagen, weil Europa zum Beispiel die Strafzölle nicht zahlen möchte?

Die Antwort: 90 Prozent der Smartphones würden nicht mehr funktionieren (70% Android & 20% iOS), 95 Prozent der Suchanfragen würden nicht beantwortet und 95 Prozent der Internetwerbung nicht ausgeliefert. 46 Prozent des E-Commerce würden wegfallen, wenn Amazon nicht in Deutschland liefert. Das sind ernüchternde Zahlen, wenn deutlich wird, wie ganze Märkte in Deutschland von US-Unternehmen kontrolliert werden.

Um zu verstehen, wie es dazu kommen konnte, muss man die Vergangenheit analysieren: 2001, nach dem Platzen der DotCom-Blase, wurde in Deutschland kein Start-up, das im Bereich Internet oder Technologie arbeitet, mehr finanziert. Ich spreche aus eigener Erfahrung: Ich war damals bei der Sparkasse — und habe mich nach einem Kredit erkundigt.

Das ging bis 2006. Dann gab es wieder ein paar Finanzierungen, aber nur zwei Jahre später, als 2008 die Finanzkrise kam, war diese Phase auch wieder vorbei.
Erst als die Samwer-Brüder 2010 anfingen, mit Rocket, wie am Fließband Start-ups aus den USA zu klonen und teuer zu verkaufen, begann sich in Berlin ein Ökosystem zu entwickeln. Sprich, diejenigen, die bei Rocket oder deren unzähligen Beteiligungen gearbeitet haben, fingen an, sich selbstständig zu machen und ihre eigenen Start-ups zu gründen. Mit dem Geld aus den ersten Exits entwickelte sich, hier in Berlin, eine aktive Business-Angel-Szene.

5.000 Business Angels finanzieren in Deutschland in der Regel die Seed-Phase mit 50–200.000 Euro, damit das Unternehmen gegründet werden kann. Lediglich 100 Venture Capital-Firmen gibt es in Deutschland die eine A-Runde mit 1–3 Mio. Euro finanzieren. Zum Vergleich in den USA gibt es 1.000 VCs. Bei der B-Runde mit Investitionssummen von 10–30 Mio. Euro reduziert sich der Kreis der Investoren auf eine Handvoll. Die Konsequenz daraus ist, dass viele Firmen an US-Wettbewerber verkauft werden, statt selbst das nächste Google zu werden.

Foto Credit: Dirk Hasskarl Thomas Falk bei seiner Rede beim Berliner Ludwig-Erhard-Symposium der Ludwig-Erhard-Stiftung

These 2:

Der zweite essentielle Punkt ist das Ausbildungssystem. Es ist quasi das Gleiche wie vor 50 Jahren. Es gibt Religions- und Sportunterricht als Pflichtfach aber nicht Informatik. Das setzt sich an den Hochschulen fort. Bis auf die WHU und die ETH, gibt es kaum eine Universität an der Entrepreneurship studiert werden kann. Gerade diese unheilvolle Kombination aus zu wenig topqualifizierten Unternehmern und mangelnden Finanzierungsmöglichkeiten für Start-ups wird dazu führen, dass auch das nächste Google aus den USA oder China kommt.

Um zu verstehen, wie schwierig es ist eine Finanzierung zu erhalten beschreibe ich Ihnen unseren Investment Prozess als VC Finanzierungsablauf:
Pro Jahr schauen wir uns in Europa und den USA rund 2.000 Start-ups aus den verschiedensten Technologie Bereichen an. Davon werden ca. 200 Firmen zum Gespräch eingeladen, von denen bleiben wiederum 20 für eine Due Diligence übrig. Von diesen 20 Firmen investieren wir letztendlich in 10. Das entspricht 0,5 Prozent. Bei diesen Rockstars trennt sich allerdings nochmal die Spreu vom Weizen: nur 33 Prozent unseres Portfolio bekommen ein Investment für die Follow-on-Runde. Als Venture Fund rechnen wir, dass von 100 Investments ungefähr 70 Konkurs gehen, 20 bringen das investierte Kapital zurück und 9 bringen 3x-10x den Return on Investment. Lediglich einem „Unicorn“ gelingt es, das 100-fache des Funding-Volumens zu erzielen. Und uns damit zu erlauben, die nächste Generation von Gründern zu fördern.

Ein Düsseldorfer Steuerprüfer konnte nicht glauben, dass jemand freiwillig sein Geld in Firmen investiert von denen man 70 Prozent abschreibt und war überzeugt, wir würden Geldwäsche betreiben. Ich freue mich immer, wenn der Staat einem durch solche qualifizierten Mitarbeiter hilft. Lassen Sie mich kurz aufzeigen, welche zukünftigen Felder Deutschland fördern muss, respektive in welche Bereiche wir investieren müssen:

  1. Künstliche Intelligenz (KI) wird jedes Business in den nächsten 10 Jahren durchdringen. Beispiel Recruitment: KIs wählen bereits heute anhand verschiedener Kriterien aus, wie gut jemand auf die ausgeschriebene Position passt. Beispiel Spracherkennung von Emotionen: Software die erfasst, wie Sie sich fühlen. Mittels künstlicher Intelligenz kann schon nach wenigen Minuten der Gemütszustand von Menschen erfasst werden. Unser letztes Investment war eine neue Business-Version von Alexa, die Mitarbeitern alle Fragen beantworten und neue Mitarbeiter einarbeiten kann.
  2. Drohnen: Drohen werden ein essentieller Bestandteil unseres Transportsystems werden. Angefangen bei der Paketzustellung, über die Beförderung von Menschen bis hin zur strategischen Militärmanövern.
  3. 3D-Printing wird in den nächsten 10 Jahren die Billigproduktionsländer überflüssig machen. Es muss nur noch ein Druckplan gekauft werden und jeder kann sich sein Objekt der Begierde selbst drucken.
  4. Natural Language Processing (NLP): Spracherkennung und Sprachbedienung von allen Geräten und Anwendungen. Spracherkennung wird sämtliche Funktionen des eigenen Hauses, Autos oder Arbeitsplatzes durchdringen.
  5. Augmented Reality und Virtual Reality (AR/VR): Der Film „Ready Player One“ von Steven Spielberg gibt einen guten Vorgeschmack, was mit einem Human Brain Interface möglich ist. Simulationen können wie echt erlebt werden.
  6. Blockchain-Technology: Hier geht es nicht nur um Krypto-Währungen. Krypto-Währungen wie Bitcoin oder ETH werden noch lange Zeit brauchen, bis sich als Währung fest etabliert haben. Die zugrunde liegende Blockchain-Technology ist aber sehr spannend und wird sich auf viele Bereiche ausdehnen — sei es um den Notar oder das Grundbuchamt zu ersetzen oder einfach zu tracken, woher die letzte Tomate kam, die verdorben war. I

Ich denke, wenn wir jetzt die richtigen Entscheidungen treffen, in welche Bereiche wir investieren und uns der strategischen Relevanz bewusst sind, wie wichtig es ist, uns nicht von US-Anbietern abhängig zu machen, dann kann Deutschland einige der neuen Kerntechnologien für sich beanspruchen.'Der beste Weg die Zukunft vorauszusagen, ist, sie zu gestalten.' Willy Brandt."

EVENT-TIPP ADZINE Live - First-Party Data fürs Advertising aktivieren am 16. Mai 2024, 11:00 Uhr - 12:30 Uhr

Alle sprechen von First-Party-Daten im Rahmen zukünftiger Adressierbarkeit von Werbemaßnahmen. Doch wo kommen diese Daten her und wie werden sie beweglich? Darf man sie überhaupt erfassen und nutzen? Jetzt anmelden!

Events

Whitepaper