Report: Mäßiger Etablierungsgrad von Ads.txt in Deutschland
Jens von Rauchhaupt, 22. November 2017Vor einigen Wochen berichtete die Adtech-Plattform Adform auf ADZINE, dass der Anti-Ad-Fraud-Skript Ads.txt bei 24 Prozent der von Adform überprüften Publisher aus Deutschland integriert sei. Adform untersuchte seinerzeit 1.000 Domains. Nun liegt ADZINE eine größere Untersuchung von weltweit 2 Mio. Domains, darunter 59.000 deutschen Websites, vor. Das Ergebnis lässt aufhorchen: Demnach haben erst 2,5% der untersuchten deutschen Publisher das Ads.txt-Skript integriert (Stand November 2017). Im internationalen Vergleich liegen Deutschland, aber auch andere große Märkte, ziemlich weit hinten.
Ads.txt wurde erst vor wenigen Monaten im IAB-Tech-Lab initiiert und gilt als effektives Tool gegen Ad Fraud im Programmatic Advertising. Es soll vor allem dem Domain Spoofing einen Riegel vorschieben. Brand Advertiser vertrauen im programmatischen Einkauf darauf, dass es sich beim Bid Request des Sellers tatsächlich um eine Impression der im Request enthaltenen Website handelt. Allerdings hatten Botnetzwerke bisher leichtes Spiel, diesem Request eine eigene Website-Liste hinzuzufügen oder gar umzuschreiben bzw. zu maskieren. Die Folge: Die DSP wird getäuscht und die Werbung des Advertisers landet auf einer völlig anderen, möglicherweise markenschädlichen Website. Damit packt Ads.txt auch das Problem des unautorisierten Resellings an, da über das Skript eindeutig zu erkennen ist, wo die angebotene Impression erzeugt worden ist und welche Plattform durch den Publisher zur programmatischen Vermarktung autorisiert wurde. Ein schönes Beispiel wie eine Ads.txt-Adaption aussieht, zeigt das Beispiel von Stern.de/ads.txt.
Ads.txt macht Programmatic transparenter
Nun hat der Adtech-Experte Jan Winkler, u. a. Chef des deutschen Adserving-Anbieters Adspirit, mit seiner schwedischen Firma adstxtlab.com im November eine großangelegte Untersuchung zur bisherigen Adaption von Ads.txt durchgeführt und dazu die Top-Alexa-, -IVW/AGOF-Websites und viele mehr nach deren Ads.txt-Einträgen crawlen lassen. Mit 59.000 .de-Websites ist dies auch die bisher am größten angelegte Untersuchung für den deutschen Markt, die nicht nur neue Informationen zum Etablierungsgrad von Ads.txt bereitstellt, sondern vor allem zeigt, dass durch das IAB-Skript der gesamte Programmatic-Markt ein stückweit transparenter wird.
Ergebnisse im Überblick
Erst 1.400 Domains und damit 2,5% der 59.000 untersuchten .de-Websites haben bereits ein Ads.txt-Skript integriert. Über die Hälfte dieser Publisher arbeitet mit sechs oder mehr Programmatic-Plattformen.
Ergebnis – Google fast überall drin
Absolut vorherrschende Vermarktungspartner für deutsche Publisher ist offenbar Google, das bei 85% der 1.400 .de-Websites als autorisierter Seller eingetragen ist. Zweit- und drittverbreitetster Techpartner sind SmartRTB+ mit 45% und OpenX bzw. AppNexus mit 43%. Aus diesem Ergebnis dürfen allerdings keine Rückschlüsse auf das programmatisch gehandelte Volumen und schon gar nicht auf die Umsätze der Sell-Side-Plattformen gezogen werden. SSPs wie AppNexus, Yieldlab oder Pubmatic mögen zwar quantitativ in weniger .de-Websites integriert sein, bedienen aber dafür die Traffic-Riesen wie bspw. Bild.de, Web.de usw. So zeigt die Analyse von adstxtlab.com, dass besonders Premium-Publisher, also IVW-gelistete Websites, nicht nur auf Google, sondern auch auf AppNexus, Yieldlab, Smartclip fürs Programmatic Selling autorisiert haben.
Überraschend deutlich ist der hohe Anteil an Resellern in Deutschland. 71% aller Einträge betreffen Reseller. Programmatic macht also eine Impression tatsächlich zum Gegenstand des „Adtradings“. Allerdings gilt auch hier, dass Premium-Publisher (IVW) zwar dazu neigen, mehr Plattformen zu integrieren, diese aber als Direct-Seller eingetragen sind.
Jedenfalls gibt es bei der Ads.txt-Adaption noch sehr viel Luft nach oben. Schon Adform kritisierte die langsame Umsetzung von Ads.txt, als es in anderen Märkten vonstattengeht. Jochen Schlosser, Senior Vice President Data bei Adform, hat dies damit begründet, dass Deutschland, jedenfalls im Bereich Desktop-Werbung, im internationalen Vergleich weniger von Ad Fraud betroffen ist. Jan Winkler sieht einen anderen Grund:
” (Jan Winkler, adstxtlab.com)In vielen Gesprächen mit Publishern und Vermarktern haben wir festgestellt, dass Ads.txt in der Umsetzung für viele noch sehr schwierig ist. Das trifft insbesondere dann zu, wenn Publisher/Vermarkter mit mehreren Partnern arbeiten oder an Exchanges verkaufen, die wiederum den Traffic weiterverkaufen
Winkler hat aus diesem Grund adstxtlab.com geschaffen, das Publisher und Netzwerke beim Einsatz von Ads.txt unterstützten soll. Adstxtlab ist ein Tool für Publisher, mit dem sich unkompliziert Ads.txt-Einträge managen lassen. Neben adstxtlab gibt es noch den türkischen Anbieter rtbtr.com, der aus der Ads.txt-Integration ein Geschäftsmodell macht. Winkler zur Motivation, adstxtlab.com zu gründen: „Wir mussten relativ schnell feststellen, das Ads.txt sowohl für Publisher als auch für Vermarkter ein recht hoher Aufwand ist. Publisher müssen von verschiedenen Partnern die Infos zusammentragen; teilweise haben die Partner die Infos noch nicht mal oder sie sind nicht vollständig. Das macht es für Publisher mühsam.
Bei Vermarktern ist es laut Winkler übrigens ähnlich: Sie müssen alle ihre Publisher überwachen, ob alle die richtigen Infos in den Dateien haben. Auch das ist mühsam. Gleichzeitig haben Vermarkter ein weiteres Problem: Sobald der Vermarkter einen neuen Exchange hinzunimmt, müssen alle seine Publisher Ads.txt anpassen. Beide Probleme hatte Winkler übrigens in der IAB Workinggroup angesprochen und vorgeschlagen, die Verlinkung von Ads.txt vom Publisher auf den/die SSP zu übertragen. „Von Seiten des IAB bzw. der beteiligten Unternehmen wurden diese aber alle als ‚zu riskant‘ empfunden. Um den Aufwand zu vermeiden wurde letztlich adstxtlab.com aus der Taufe gehoben, um genau diese Probleme zu adressieren und zu automatisieren.“
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