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PROGRAMMATIC

What the heck is ... a Trading Desk?

Jörg Vogelsang, 25. Januar 2017
Adobe Stock Monkey Business

Ad Verification, Adstitching, Deal-ID's, Header-Bidding, Prospecting oder Viewability … das ist nur eine kleine Auswahl englischsprachiger Fachbegriffe ohne die es in der digitalen Werbung und im Marketing nicht mehr geht. Deutsche Übersetzungen greifen hier oftmals zu kurz oder wollen einfach nicht so richtig passen. Damit unsere Leser im Fachjargon-Dickicht den Durchblick behalten, erklären Adtech-Insider die wichtigsten Fachbegriffe. Von Marketing Profis für Marketing Profis.

Ein Trading Desk ist ein Desk – also ein Arbeitsplatz –, an dem der Kauf und Verkauf von Wertgegenständen stattfindet. Bekannt aus der Finanzwelt, sind es dort beispielsweise Wertpapiere, die gehandelt werden. Damit dies funktioniert, ist der Trading Desk an die entsprechenden Handelssysteme und -plattformen der Branche angebunden. Eben dieses Setup findet sich seit einigen Jahren auch im Marketing. Hier bündelt der Trading Desk Technologie und Prozesse, um digitale Werbebudgets vornehmlich durch Real-Time Bidding und Ad Exchanges zu optimieren. Es ist ein Service, der werbungtreibenden Unternehmen, Agenturen und Publishern den Inventarhandel erleichtert.

Um eines von vornherein auszuschließen: Nein, ein Trading Desk ist kein einzelner Arbeitsplatz. In großen Agenturen kann der Trading Desk schon mal 50 Angestellte – vom Softwareentwickler und Algorithmusexperten über Analysten und Strategen bis hin zum Account Manager – binden. Entscheidend ist allerdings, welche Aufgaben und Möglichkeiten der Trading Desk umfasst.

Technisch vereint ein Trading Desk die verwendeten Werkzeuge wie DSP (Demand Site Platform), Adserver und gegebenenfalls eine DMP (Data Management Platform). Die DSP ist dabei mit Ad Exchanges/SSPs (Supply Side Platform) und Ad Networks integriert. Die Hauptaufgabe eines Tradings Desks ist es, den Inventareinkauf und die Kampagnenausspielung gemäß den Zielen des Werbungtreibenden auf Basis von CPM, CPC, CPO sowie anderer Messgrößen zu optimieren und dabei gleichzeitig auch Brand Safety zu gewährleisten.

Parallel werden hier Daten verarbeitet, die zum Targeting herangezogen werden, aber auch aus den Kampagnen selber generiert werden. Außerdem bündelt der Trading Desk das Reporting und die Abrechnung über Datendrittanbieter und verschiedene Werbenetzwerke, Exchanges und Publisher hinweg. In der Werbebranche wird zwischen Agency Trading Desk, Advertiser Trading Desk und Publisher Trading Desk unterschieden.

Agency Trading Desk und Advertiser Trading Desk

Einheiten innerhalb von Agenturen, die den Inventareinkauf mit allen benachbarten Prozessen als „Managed Service“ übernahmen, wurden zuerst als Trading Desk bezeichnet – die Geburtsstunde des Agency Trading Desks. Basierend auf selbst entwickelter Technologie oder einer DSP, wird hier Inventar auf angeschlossenen Ad Exchanges, Ad Networks und anderen verfügbaren, angeschlossenen Inventarquellen gekauft. Ziel ist es, die Kampagnenperformance und den Budgeteinsatz im Display Advertising zu optimieren. Hier findet nicht nur die Kampagnenplanung und der Kauf statt, sondern auch das Reporting der gewonnenen Insights. Der Grundgedanke hinter Agency Trading Desks war es, mehr Kontrolle darüber zu erhalten, wo der eingesetzte Werbeeuro landet, und auf Basis der Ergebnisse nachzujustieren. Eine Aufgabe, die in der direkten Zusammenarbeit mit Werbenetzwerken auf Basis von manuellen Einbuchungen (I/O) oft nur schwer zu lösen war.

Neben der Agenturvariante gibt es Advertiser Trading Desks, die von Unternehmen mit oftmals großen Werbebudgets selbst betrieben und unterhalten werden. Meist handelt es sich um Unternehmen aus Handel, Konsumgüterindustrie oder Automobilbranche. Die großen Budgets rechtfertigen die Investition in eine firmeneigene Lösung und eigenes Know-how. Die direkte Einbindung in die Unternehmensinfrastruktur und das CRM vermeidet zudem Reibungsverluste und garantiert die eigene Datenhoheit und -kontrolle.

Früher kauften werbungtreibende Unternehmen und ihre Agenturen Anzeigenplätze direkt vom Publisher oder den Netzwerken, weil sie dort die gewünschte Zielgruppe wähnten. Trading Desks nutzen die Daten der werbungtreibenden Unternehmen sowie Drittdaten, um einzelne User, die ins definierte Targeting passen, unabhängig von der besuchten Seite anzusprechen. Die Trading Desks sind damit eine direkte Ausprägung des durch Programmatic Advertising eingeläuteten Paradigmenwechsel hin zum datengetriebenen, nutzerzentrischen Marketing.

Publisher Trading Desks – the new kid on the block

Mit dem Publisher Trading Desk nimmt sich nun auch der Publisher als letztes Glied dem nutzerzentrischen Modell an, indem sie ihre Trumpfkarte, die eigene 1st-Party-Inventarquelle inklusiver eigener Daten ausspielen. Mit dem Publisher Trading Desk will dieser den eigenen, bekannten Leserkreis besser vermarkten – und zwar auf eigenen Seiten genauso wie auf Drittseiten. Der Publisher sorgt so für einen Ausbau des verfügbaren Inventars und der verfügbaren Leserschaft. Gleichzeitig automatisiert er den Inventarhandel auch auf seiner Seite, ganz gleich ob ein Werbekunde direkt oder programmatisch einkauft.

Dieses Vorgehen lohnt sich besonders für vertikale Publisher, die wissen, dass sich eine sehr spitze Zielgruppe – der perfekt identifizierte User – auf ihrer Webseite befindet. Mit dem Publisher Trading Desk kaufen sie nun Inventar auf Drittseiten hinzu, um den bereits identifizierten User auch weiterhin ansprechen zu können. Dieses einzigartige Paket (Zielgruppe auf eigener Seite plus virtuelles Partnernetzwerk) wird dann wiederum als Premiumangebot – meist im Direktverkauf – weitergereicht. Der Publisher profitiert hierbei davon, sein eigenes 1st-Party-Inventar möglicherweise besser verkaufen zu können und gleichzeitig Margenerlöse zu erzielen.

Wie schon beim Agency Trading Desk lässt sich auch bei der Publisher-Variante das bestmögliche Ergebnis mit einer technisch vollintegrierten Lösung erzielen. Hier profitiert der Publisher davon, nur einen Ansprechpartner für technischen Support und eventuelle Fehlersuche zu haben. Ein nicht zu unterschätzender Vorteil beim Aufbau eines neuen Geschäftsmodells. Vor allem vermindert eine Full-Stack-Lösung den „Verlust“ von Cookies beim sogenannten „Cookie Match“ gegenüber einem Setup bestehend aus verschiedenen Systemen unterschiedlicher Hersteller erheblich. Ziel ist, den optimalen Cookie Match zu erreichen, volle Abrechnungsmöglichkeiten zu bieten und auch die Einbindung von DMP-Daten sicherzustellen.

Der Trading Desk bietet dem Publisher im Idealfall auch die zusätzliche Option, seine Datenpakete mit 2nd-Party-Daten des werbungtreibenden Unternehmens anzureichern. Das kann für bestimmte Werbekunden eine durchaus sinnvolle Option sein. So könnte zum Beispiel ein Automobilhersteller, der in seinem CRM Daten über auslaufende Leasingverträge speichert, seine Kunden zwei Monate vor Auslauf des Vertrags online gezielt ansprechen wollen. Auch wenn diese Option nicht immer sinnvoll sein muss, so ist die Möglichkeit als solche wichtig für den Erfolg des Publisher Trading Desks.

Mit dem eigenen Trading Desk öffnet der Publisher sich selber die Tür zu den Möglichkeiten des Data Driven Advertising. Gleichzeitig bringt er sich in Position, selber umfangreicher innerhalb der Wertschöpfungskette zu profitieren und dabei den Dateneinsatz selber eng zu steuern. Ein längst überfälliger Schritt. Denn wer als Publisher weiter versucht, das Ad-Impression-Modell zu retten, indem er zwar einerseits Datenpools anlegt, andererseits jedoch sein Werbeumfeld ausschließlich über den Kontext anpreist, der agiert im besten Fall halbgar – lässt er doch das nutzerzentrische Model außer Acht. Mit dem Aufbau eines Publisher Trading Desks geht natürlich auch eine höhere Prozesskomplexität einher, die der Publisher managen muss – entweder selber oder über Partner. Wer aber darauf wartet, dass sich das Feld von alleine bestellt, der hat den Transformationsprozess verschlafen und macht sich komplett abhängig von anderen Playern im Werbemarkt.

Bild Jörg Vogelsang Über den Autor/die Autorin:

Jörg Vogelsang ist Vice President Publisher Platforms EMEA bei Adform. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf der direkten Anbindung von Publisher Adservern, Supply Side Platforms (SSP), Systemen für Data Management und Vermarktung sowie Partnerplattformen an das Adform Netzwerk. Vogelsang ist seit fast 20 Jahren in leitenden Positionen in der Marketing- und Retail-Branche tätig.