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PROGRAMMATIC - Kommentar

Transparenz nicht delegierbar

Arne Schulze-Geißler, 25. Januar 2017
Adobe Stock Paylessimages

Tech, Tech, Tech – das ist das Thema für jeden Advertiser, der 2017 in den digitalen Kanälen substanziell Mediabudget lässt. Nicht für jeden auf den ersten Blick sexy, aber enorm zukunftsträchtig, denn (Ad)Tech wird Standleitung zu Medien und Zielgruppen und das für eine wachsende Zahl von Kanälen. 2017 werden wir z. B. auch im Digital Audio einen substanziellen Anstieg der Mediaspendings erleben können. Genau in diesem Begriff der Mediaausgaben liegt allerdings aktuell die Brisanz.

Digitale Medialösungen sind bereits heute meist Package-Deals bestehend aus Tech, Media, Data und den entsprechenden Dienstleistungen. Die Leistungen sind miteinander verwoben, daher kommt heute Media als Package aus einer Hand für den Kunden oftmals zunächst intransparent daher, wenn er anfängt, das Ergebnis, Leistungen und Kosten zuzuordnen und diese zu bewerten. Die gute Nachricht ist jedoch, Transparenz ist möglich, soweit Transparenz gewollt und zwischen den Parteien vereinbart ist. Die schlechte Nachricht: Die Herstellung von Transparenz erfordert die Bereitschaft, sich mit der technischen Infrastruktur als Grundlage für moderne Medialogistik und Produkteigenschaften auseinanderzusetzen, um die erforderliche Portion Steuerungs-Know-how aufzubauen.

Einige Zeit konnte man ja die Meinung vertreten, dass sich Advertiser nicht allzu intensiv mit der Automation des Mediageschäfts befassen müssten. Vielmehr sollte es Aufgabe der Mediaagenturen sein, die besten Instrumente und Mittel zu wählen, um definierte Media- und Marketingziele zu erreichen. Die Rahmenbedingungen haben sich jedoch verändert: Dazu gehören der Umfang des Angebots von Programmatic Media,die Anwendbarkeit von Data, insbesondere auch eigener Daten des Advertisers, der Angebotsmarkt für Full-Service-Leistungen und die ungleiche Verteilung von Know-how im Markt. Zu den Spezialisten im Markt gehören die Mediaagenturen, die sich bereits seit Jahren professionell mit Programmatic Media befassen und das nicht immer nur ausschließlich im Interesse ihrer Kunden. Agenturen sind wie die meisten ihrer Kunden gewinnorientierte Unternehmen, nicht selten mit üppigen Margenvorgaben aus internationalen Headquartern und da bringt Nichtwissen und Passivität auf Kundenseite gewisse Versuchungen mit sich. Gerade bei großem Know-how-Gefälle zwischen Dienstleister und Auftraggeber besteht nun mal das Risiko einer Übervorteilung. Als Auftraggeber sollte man diesem Zustand möglichst durch Aufgeklärtheit vorbeugen und Dienstleister gar nicht erst in Versuchung führen.

In der Programmatic-Media-Ära entscheidet das Setup aus Technologie, Daten und Dienstleistern nicht nur über die Qualität der Werbeleistung, sondern auch maßgeblich über deren Kosten. Schrott zu kaufen ist blöd, diesen dann noch zu Premiumkonditionen zu bezahlen ist schon doppelt blöd. Undurchsichtige Leistungen gepaart mit Gutgläubigkeit oder Unwissenheit des Kunden ist ja kein neues Businessmodell im Mediageschäft. Programmatic hat die Hürden des Markteintritts allerdings noch einmal abgesenkt. Eigentlich kann ja jeder digitale Medialeistung einkaufen und weiterverkaufen. Preisspannen für Media von Euro 0,30 bis 30,00 TKP beflügeln verständlicherweise die Phantasien jedes Resellers in der Wertschöpfungskette, auch derer, die eigentlich gar keine Händler sind. Kaum ein anderer Markt ist wohl so kreativ im Veredeln, Päckchenschnüren, Umverpacken, Neulabeln und Bepreisen von Produkten wie der für Mediaprodukte, die mit irgendeinem Algorithmus und Audiencemerkmalen angereichert werden. Nur leider stehen bei diesen Hütchenspielereien selten die Advertiserinteressen im Vordergrund.

Veredelt ein Anbieter Medialeistung mit einem Preis von €1,20 TKP mit Daten für €1,00 TKP kann natürlich durchaus ein wertiges Mediaprodukt entstehen, aber dennoch möchte ich persönlich nur ungern das Zehnfache des Einkaufspreises dafür bezahlen, schon gar nicht, wenn ähnliches mit meinem gesamten Digitalbudget passiert.

Das war doch das große Versprechen von Programmatic: "Transparenz", Demand und Supply näher zusammenzubringen, überflüssige Middlemen auszuschalten. Aus den ersten Jahren Programmatic könnten wir daher eines gelernt haben, auch wenn technisch machbar, kommt die Transparenz nicht von allein beim Kunden an. Unternehmen müssen ihren Dienstleistern zeigen, dass sie mit der Materie, die sie fremdvergeben, vertraut sind. Sie müssen den gewünschten Transparenzgrad mit allem Nachdruck einfordern und auch vertraglich festhalten. Messbarkeit von Qualität und Transparenz von Preis und Leistung bei digitaler Media- und Datenleistung ist nur für den erreichbar, der Blackboxes gar nicht erst zulässt, Einblick in die Einzelbestandteile des Buying-Prozesses hat, lernt diese zu beurteilen und auch korrigierend eingreifen kann. Es gab aus meiner Sicht noch nie so viel Potential für den Advertiser, selbst die Effizienz und Effektivität der Mediaausgaben zu beeinflussen. Ohne Transparenz können Advertiser dagegen weder bei Qualitätsfragen noch beim Zustandekommen von Preis und Leistung in Zukunft mitreden und damit eigentlich auch keine Entscheidungen treffen, die auf viel mehr als Treu und Glauben beruhen.

Da Mediaentscheidungen ja in erster Linie rational getroffen werden sollten, habe ich aus den bereits beschriebenen Gründen die Hoffnung, dass 2017 das Jahr des technisch interessierten und aufgeklärten Advertisers werden könnte.

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