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Falsche Videometrik bei Facebook – Der Ruf nach unabhängigen Messungen wird lauter

10. November 2016
photocase.de Bild: rokit_de

Ende September platzte die Bombe. Facebook gestand ein, zwei Jahre lang die durchschnittliche Sehdauer der auf Facebook laufenden Videowerbespots falsch berechnet zu haben. Und zwar so falsch, dass die tatsächliche durchschnittliche Betrachtungsdauer der ausgespielten Spots 60 bis 80 Prozent unter den Angaben von Facebook lag. Dieser Vorfall mündet in eine grundsätzliche Frage. Wie glaubwürdig sind eigentlich die Kampagnenmetriken von Facebook oder anderen Walled Gardens, wie beispielsweise Google? Der Ruf nach unabhängigen Kampagnenmessungen wird lauter.

Das war mehr als nur peinlich. In den angelsächsischen Wirtschaftsnachrichten war die Facebook-Misskalkulation bei den Video-Views über längere Zeit ein Topthema. Facebook hatte über zwei Jahre falsche Zahlen zur Videowerbung ausgewiesen. Was war geschehen?

Facebooks Misskalkulation bei der Sehdauer von Videowerbung

Zunächst einmal ist es wichtig zu verstehen, dass Facebook nicht falsch gemessen hat, sondern eine falsche Kalkulation für die durchschnittliche Betrachtungsdauer eines Werbespots auf Facebook zugrunde legte.

Ursprünglich definierte Facebook die durchschnittliche Sehdauer eines Videospots aus der gesamten Sehdauer geteilt durch die Anzahl der Video-Views, die den Spot drei Sekunden oder länger betrachtet haben. Daraus ergab sich eine zu hohe durchschnittliche Betrachtungszeit der Werbespots, die Abweichungen liegen zwischen 60 bis 80 Prozent von der Realität. Facebook hat den Kalkulationsfehler nach Bekanntwerden angepasst. Für die Berechnung der durchschnittlichen Sehdauer werden nun alle Videoabrufe – also auch solche, die weniger als drei Sekunden stattfanden – zur Berechnung herangezogen.

Facebook sagt selbst: "We had previously *defined* the Average Duration of Video Viewed as "total time spent watching a video divided by the total number of people who have played the video." But we erroneously had *calculated* the Average Duration of Video Viewed as "the total time spent watching a video divided by *only* the number of people who have viewed a video for three or more seconds." – „Video Average Watch Time: the total watch time for your video, divided by the total number of video plays. This includes plays that start automatically and on click. This will replace the Average Duration of Video Viewed metric.“

Der Kalkulationsirrtum zeigt, dass die Facebook-Nutzer sehr viel kürzer die Videospots betrachtet haben, als es in den Reports von Facebook dargestellt wurde. Damit hatte ein Werbespot auf Facebook auch deutlich weniger Wirkungschancen beim Rezipienten als angenommen. Die Sehdauer ist allerdings keine Abrechnungsgrundlage, sondern nur eine Hilfsmetrik, darauf macht Facebook selbst in dieser Diskussion aufmerksam. Ein US-Facebook-Sprecher dazu: „We recently discovered an error in the way we calculate one of our video metrics. This error has been fixed, it did not impact billing, and we have notified our partners both through our product dashboards and via sales and publisher outreach. We also renamed the metric to make it clearer what we measure. This metric is one of many our partners use to assess their video campaigns.”

Das sehen offenbar einige Advertiser völlig anders. Laut dem Branchenmagazin MediaPost ist inzwischen eine Klage dreier Advertiser anhängig. Sie werfen Facebook vor, dass die falsche Videometrik die Advertiser und ihre Agenturen dazu angehalten hätten, weiterhin Videowerbung auf Facebook zu buchen.

Besonders für die Mediaagenturen entsteht damit eine schwierige Situation. Sie stehen gegenüber ihren Werbekunden in der Pflicht, da sie deren Budgets möglichst effizient verwalten müssen.

„Wir sind da sehr unglücklich“, sagt Oliver Gertz, Managing Director Interaction , EMEA Mediacom. Gertz weiter: „Die durchschnittliche View-Dauer war zwar nicht die abgerechnete Währung, doch natürlich sind die Entscheidungen für einen bestimmten Publisher auch sehr von qualitativen Metriken abhängig."

Daher fordern wir von allen Vermarktern, dass wir die Mediaauslieferung durch unabhängige Adserver- und Verfikationstools messen können – inklusive Viewability, Fraud, Brand Safety und bei Videosehdauer.

(Oliver Gertz, Mediacom EMEA)

Facebook macht hingegen darauf aufmerksam, dass sie bereits Verifizierungsdienste einsetzten. „Um Werbetreibenden die Wahlmöglichkeiten und Transparenz zu bieten, die sie brauchen, haben wir unser Programm zur Verifizierung durch dritte Partner ausgeweitet. So stellen wir die Genauigkeit und Richtigkeit unserer Metriken für Viewability und Aufmerksamkeit sicher. Im September 2015 haben wir bekannt gegeben, dass Moat offiziell zu den Verifizierungspartnern zählt. Das Programm umfasst nun mit Nielsen, Comscore und Integral Ad Science noch drei weitere Partner“, so ein Facebook-Sprecher gegenüber Adzine. Unsere Recherche hat ergeben, dass auch der deutsche Metrikendienstleister Meetrics kurz vor einer Partnerschaft mit Facebook stehen soll. Doch noch ist das nicht der Fall. Merkwürdig ist nur: Warum haben Moat und die anderen genannten Dienstleister die Abweichungen zwischen den ausgewiesenen Facebook-Zahlen und der tatsächlichen Betrachtungsdauer dann nicht erkannt?

Die Mediaagenturen setzen lieber auf ihre eigenen Verifizierungsdienste, mit denen sie selbst die wichtigsten KPIs ihrer Kampagnen messen können. So hat Dentsu Aegis beispielsweise aus diesem Grund gemeinsam mit vielen großen Vermarktern eine Initiative namens „Scale“ ins Leben gerufen. Gemeinsam mit dem Verification-Anbieter ihrer Wahl – in diesem Fall Meetrics – werden alle von Dentsu Aegis eingebuchten Kampagnen auf Basis der gleichen Benchmarks wie beispielsweise Sichtbarkeit, View-Through-Rate und Audience durchgemessen. Scale wird aber bisher nur von den „Dentsu Aegis“-Agenturen und nur außerhalb von Facebook oder auch Google eingesetzt. Den Wirkungsbeitrag der Videokampagnen auf Facebook und den anderen Walled Gardens versucht man mit „Brand Uplift“-Studien nachzuweisen.

Laut Angaben von Frank Sültmann, Managing Director der Dentsu-Tochter Amnet, würden diese Studien den Wertbeitrag der Videowerbung auf Facebook auch regelmäßig belegen. Facebook-Videowerbung funktioniert also auch fürs Brand Advertising. Sültmann plädiert dennoch dazu, dass Facebook und Google zukünftig unabhängige Dienstleister nach Wahl der Mediaagenturen zulassen.

Für uns ist maßgeblich, dass keine wirtschaftlichen Schäden für unsere Kunden entstanden sind. Was wir nun tun, sind weitere Brand Uplift Studien mit Facebook durchzuführen. Solange wir den Mehrwert im Brand Uplift bestätigen können, müssen die Mess-Probleme natürlich behoben werden, wir können aber den Mehrwert für unsere Kunden dennoch gewährleisten.

(Frank Sültmann, Amnet (Dentsu-Aegis))

Oliver Gertz von Mediacom glaubt, dass am Ende die Advertiser am längeren Hebel sitzen und sich mit der Forderung nach eigenen Messungen in den Walled Gardens auch durchsetzen werden: „Als Online-Werbung vor über 15 Jahren gestartet ist, hatten wir lange Diskussionen mit Vermarktern, ob wir die Werbeauslieferung durch eigene 3rd-Party-Adserver messen können. Der Kampf wurde von den Werbekunden gewonnen. Der gleiche Kampf läuft nun auch mit den Walled Gardens, doch letztendlich zahlen die Werbekunden alles. Daher sollten sie auch auf unabhängiger Messung bestehen – durch die akkreditierten Tools, die Werbekunden oder die Agentur auswählen.“

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