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MOBILE

Markenkommunikation über Messaging Apps – erste Erfolge und Potenziale

Kristina Kobilke, 2. February 2016
Bild:Sasint - Dollarphotoclub.com

Mit ihren exponentiellen Zuwachsraten, ihrer absoluten Reichweite und dem beispiellosen Engagement ihrer Nutzer bilden Mobile Messaging Apps für Werbetreibende einen vielversprechenden und relevanten Marketingkanal im Kampf um die Aufmerksamkeit der Konsumenten. In Deutschland richtet sich das Interesse der Werbebranche dabei verstärkt auf die Platzhirsche WhatsApp, den Facebook Messenger sowie den Underdog Snapchat. Wie werden WhatsApp & Co. schon heute in der digitalen Markenkommunikation deutscher Unternehmen eingesetzt und wo liegen die Potenziale von Messenger-Marketing?

Während der Zenit der klassischen sozialen Netzwerke erreicht zu sein scheint, ist der Kampf um Marktanteile im Messenger-Markt erst entbrannt. Die Reichweitenführer WhatsApp (900 Mio. Nutzer), die chinesische Chat-App QQ (860 Mio. Nutzer) und der Facebook Messenger (800 Mio. Nutzer) steuern jeweils bereits auf die 1-Milliarde-Nutzer-Marke zu, gefolgt von WeChat (650 Mio. Nutzer) und in weiterem Abstand davon Viber (249 Mio. Nutzer), LINE (212 Mio. Nutzer) und Snapchat (200 Mio. Nutzer).

Nachdem QQ, WeChat und LINE, zum Teil durch die politischen Restriktionen in China, vor allem den asiatischen Markt dominieren, erobern WhatsApp und der Facebook Messenger die übrigen Teile der Welt. Und auch im deutschen Markt führen die beiden Messenger aus dem Hause Facebook die Top Ten der Downloadstatistiken der App Stores an, wie App Annie erst kürzlich ermittelte.

Laut der ARD/ZDF-Onlinestudie 2015 nutzen in Deutschland 57% der Onliner bzw. 32 Millionen Menschen WhatsApp. In der Altersgruppe der 14-29-Jährigen sind es sogar 80%. 69% dieser Zielgruppe nutzen den Messaging-Dienst täglich. Schätzungen zufolge wird der Facebook Messenger wiederum von mindestens der Hälfte der 29 Millionen Facebook-Nutzer in Deutschland genutzt. In der jüngeren Zielgruppe zeichnet sich zudem schon jetzt ein aus Marketingsicht vielversprechender neuer Kommunikationskanal unter den Messengern ab. Snapchat erreicht laut einer Umfrage des DIVSI (Deutsches Institut für Vertrauen und Sicherheit im Netz) zwar nur 5,8% der Messaging-App-Nutzer in Deutschland legt, aber laut GlobalWebIndex mit 45% Nutzerwachstum im 1. Quartal 2015 ein ähnliches Wachstum wie beispielsweise Instagram (43%) an den Tag, das erst vor kurzem mit einer Reichweite von 9 Millionen Nutzern in Deutschland aufwarten konnte.

Messaging Apps avancieren zu dominierenden Plattformen auf den Smartphone-Displays der Menschen. Laut dem jährlichen Internet Trend Report von Mary Meeker, repräsentierten Mobile Instant Messenger bereits im ersten Quartal 2015 60% der zehn meistgenutzten Apps weltweit und das nicht nur im Hinblick auf ihre monatlich aktiven Nutzer, sondern vor allem auch auf die Anzahl täglicher Sessions. Während die Retention-Raten der meisten Apps drastisch sinken, halten sie bei Messaging Apps über Monate ein konstantes Niveau von 60%.

WhatsApp

Mit seiner Ankündigung, WhatsApp ab sofort kostenfrei anzubieten und perspektivisch für die Kommunikation mit Unternehmen zu öffnen, dürfte CEO Jan Koum für ein erstes Aufatmen in den Unternehmen gesorgt haben, die den Kanal trotz fehlender Businessanbindung schon heute für Marketingzwecke einsetzen.

Sven Wiesner

Eine identische Entwicklung wie bei Konkurrent WeChat, der sich schon 2012 für Unternehmen öffnete, sieht Sven Wiesner, Vorstand der beebop media AG, jedoch nicht. Marken wie Adidas, Burberry, Mercedes-Benz oder Nike kommunizieren auf WeChat schon rege mit ihren Kunden über eigene Brand Accounts. Im Verhältnis zu Marken gäbe es aber durchaus kulturelle Unterschiede zwischen dem chinesischen und dem deutschen Markt. „Nutzer sehen in WhatsApp eine Rückzugsmöglichkeit für ihre private Kommunikation und reagieren sensibler auf eine Kommerzialisierung dieses (vermeintlich) geschützten Raumes.“ Anders als bei Instagram oder Snapchat sei WhatsApp viel austauschbarer, da der Nutzer nicht emotional mit der Marke WhatsApp verbunden ist, sondern lediglich auf die Funktionalität der App fokussiert.

Die bisher gängigste Methode, von der Reichweite und Nutzungsintensität von WhatsApp zu profitieren, ist, den Kanal durch die Integration eines Social Sharing Buttons für persönliches Empfehlungsmarketing zu nutzen. Davon machen nicht nur Publisher regen Gebrauch, sondern auch Händler wie Douglas oder OTTO.

WhatsApp liegt dabei in seiner Bedeutung als Referral-Traffic-Lieferant gleichauf mit Facebook. Mit einer Öffnungs- und Leserate zwischen 85% und 100% der empfangenen Nachrichten wird WhatsApp darüber hinaus nur zu gerne über die Broadcast-Funktion des Messengers als Newsticker, aber auch für Shopping-Alerts eingesetzt. Ob als klassischer Nachrichtenticker, wie die „Breaking News“ bei n-tv, als Liveticker für TV-Events, wie die „Dschungel-News“ bei stern.de, für Sportnachrichten, wie der „BILD-Transferticker“, oder als Schnäppchenalarm bei Urlaubsguru oder DealDoktor.de, Unternehmen greifen dabei für das Handling mangels offizieller API auf Dienstleister wie Whappodo oder WhatsBroadcast zurück. Aufgrund der aktuellen Nutzungsbedingungen von WhatsApp, die eine kommerzielle Nutzung des Dienstes immer noch verbieten, besteht jedoch weiterhin Gefahr, den Zugang zu den mühsam aufgebauten Newsletterabonnenten zu verlieren.

Immer häufiger wird der Kanal innerhalb der Customer Journey für den direkten Kundendialog eingesetzt. Zu den viel zitierten Pionieren auf diesem Gebiet zählt die Online-Styling-Beratung ZALON von Zalando, die im September letzten Jahres den ZALON-Chat ins Leben rief. Dabei beantworten die 200 ZALON Stylisten Fashionfragen von bestehenden und potenziellen Kunden via WhatsApp.

Ivo Scherkamp

Die ersten Erfahrungen mit dem Service waren laut ZALON CEO Ivo Scherkamp durchaus positiv. „Für den Kunden war ein derartiges Maß an persönlicher Interaktion im Online-Bereich bisher ungewohnt. Der Chat ist daher anfangs als erfreuliche Überraschung wahr- und der Fashion Advice als informativ und hilfreich angenommen worden.“ 25% der Chatnutzer kamen wieder und meldeten sich mit erneuten Fashionfragen. Danach ebbte das Interesse jedoch wieder ab. Dennoch hält Scherkamp an ZALON Chat als Ergänzung für kleinere Fragen im Rahmen des ZALON Beratungsservices fest. Und das nicht zuletzt, weil sich über den Chat rege Gespräche ergeben. Bis zu 23 Messages beinhaltet eine Konversation zwischen Kunde und Stylisten im Schnitt.

Auch Peer Wörpel, Direktor Beratung Kreation bei pilot, glaubt, dass WhatsApp sich vorrangig als Kanal für den Customer Support etablieren wird. Dennoch nutzt die Agentur den Messenger auch als Kreativkanal, über den sich Nutzer beispielsweise mit einer originellen Nachricht in Form von Bild oder Text an einem Gewinnspiel beteiligen können. „Die besten Fotos, Videos oder Chatverläufe nutzen wir dann als Stories, die wir wiederum auf den reichweitenstarken Social Networks verbreiten können“, beschreibt Wörpel eine bewährte Taktik. Denn nennenswerter Traffic lässt sich mit WhatsApp im Rahmen von Kampagnen eher nicht generieren. „Wir sind auf weitere Kanäle oder Blogger angewiesen, die die Mechanik einer Kampagne erklären und zum Beispiel die WhatsApp-Nummer publizieren.“

Facebook Messenger

Ginge es nach David Marcus, VP of Messaging Products bei Facebook, soll der Facebook Messenger nicht weniger als der beste und idealerweise einzige Ort der Welt sein, um mit Menschen und Unternehmen zu kommunizieren und um zu konsumieren. Das bedingt unter anderem, dass eine Vielzahl von Services, die derzeit über einzelne Apps genutzt werden, etwa die Buchung von Urlaubsreisen oder Hotels, die Bestellung eines Taxis oder Konzerttickets, selbst Dating-Dienste und idealerweise jede Form von E-Commerce nahtlos in den Messenger migriert wird. Wie so etwas aussieht, zeigt die in den USA verfügbare Uber-Integration in den Facebook Messenger, bei der Freunde direkt aus ihrer Unterhaltung heraus einen Ort auswählen, ein Taxi dorthin bestellen und die anfallenden Fahrtkosten über die integrierte Bezahlfunktion des Messengers miteinander teilen können. Firmen sollen über den Facebook Messenger die gesamte Customer Journey abbilden können.

Eine Entwicklung wie diese zöge eine drastische Konsolidierung der fragmentierten App-und Internetlandschaft nach sich und stellt zudem völlig neue Anforderungen an Unternehmen. Der Echtzeitdialog mit Kunden über Messenger Apps lässt sich derzeit nur schwer skalieren.

Facebook stellt deshalb ausgewählten Partnern ein SDK zur Verfügung, mit dem Unternehmen einen eigenen Chatbot programmieren können, der in der Lage ist, ohne menschliches Zutun auf Nachrichten der Nutzer zu reagieren. Einer der ersten deutschen Partner ist Axel Springer mit dem BILD Transferticker, der über den Facebook Messenger ausgeliefert wird.

Das israelische Start-up Imperson kreiert mit Hilfe der SDK und AI-Technologie inzwischen schon Chatbots mit Persönlichkeit, die für Marketingkampagnen eingesetzt werden. So zum Beispiel berühmte fiktionale Charaktere aus Kinofilmen oder TV-Serien, wie Miss Piggy, die in der Lage sind, eine halbstündige Konversation über den Facebook Messenger aufrechtzuerhalten.

Snapchat

Peer Wörpel

Einen ähnlichen Ansatz, allerdings mit echten Menschen, verfolgt Peer Wörpel gerade für eine Kampagne im FMCG-Bereich auf Snapchat, WhatsApp & Co. „Wir
erschaffen Testimonials, die zur Sprache und der Zielsetzung des Kunden passen, und lassen sie mit den Nutzern via WhatsApp und Snapchat in den Dialog treten. Die besten Konversationen in Bild oder Sprache qualifizieren sich für einen exklusiven Gewinn.“ Das setze allerdings gerade bei Snapchat voraus, dass das Testimonial auch wirklich erreichbar und aktiv ist.

Denn Markenzeichen von Snapchat ist die absolute Authentizität. Inhalte werden direkt aus der App heraus erstellt, in Echtzeit geteilt und zerstören sich nach maximal 10 Sekunden selbst, sobald der Empfänger die Nachricht geöffnet hat. Es sei denn, Nutzer speichern ihre Snaps in ihrer „Geschichte“ bzw. Snapchat-Story, die sie mit Freunden oder auch öffentlich teilen können. Eine Geschichte ist maximal 24 Stunden online. So können über einen Tag verteilt Momentaufnahmen in Form von Fotos und Videos zu einem kleinen Tagebuch zusammengefügt werden, das Freunden einen persönlichen und unverstellten Einblick in die eigenen Erlebnisse gibt. Ästhetik ist dabei zweitrangig.

Für Marken eröffnet sich hier eine besondere Form des visuellen Storytellings. Schon heute lässt sich Sixt regelmäßig bei Probefahrten mit neuen Fahrzeugen in der Flotte im Rahmen einer Snapchat-Story über die Schulter schauen. Bei Mercedes-Benz sitzen Snapchat-User gefühlt in der ersten Reihe auf der Mercedes- Benz Fashion Week und bei Neckermann Reisen nehmen Instagram-Influencer die Nutzer mit in den Urlaub.

„Die Herausforderung für unsere Kunden ist es, immer mehr Kanäle kanaladäquat zu bespielen“, beschreibt Peer Wörpel ein wachsendes Dilemma. Er wählt deshalb verstärkt auch den Weg über Influencer, die sich auf Snapchat oder anderen Kanälen schon eine Reichweite aufgebaut haben und gleichzeitig die Inhalteproduktion übernehmen.

Und auch Sven Wiesner kennt diese Problematik: „Erschwerend kommt hinzu, dass Kunden zwar von neuen Kanälen wie Snapchat begeistert sind, jedoch von Anfang an mit KPIs arbeiten wollen.“ Erfahrungswerte sind bisher jedoch rar.

Fazit:

WhatsApp, der Facebook Messenger und Snapchat sind in Deutschland in puncto Markenkommunikation noch in einem frühen Stadium. Doch schon jetzt nutzen Werbetreibende eine Vielzahl von Möglichkeiten, um sich Zielgruppen über die neuen Kanäle zu erschließen. Perspektivisch zeichnen sich im Marketing über Messenger Apps vielversprechende Innovationen für Werbetreibende ab! Es bleibt spannend!

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