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SEARCH MARKETING

SEO im Wandel: Warum langfristige Perspektiven sinnvoller sind als kurzfristige Trends

Christoph Spannagel, 30. November 2015
aaabc-Dollarphotoclub.com

Pünktlich zum Jahreswechsel ist es wieder so weit: Überall ist zu lesen, mit welchen SEO-Trends im Jahr 2016 zu rechnen ist. Ein Artikel nach dem nächsten suggeriert genau zu wissen, auf welchem Wege Internetnutzer relevante Webinhalte im nächsten Jahr suchen und finden werden – und wie sich Unternehmen diese Tatsache zunutze machen können, um ihre Marke bekannt zu machen. An plakativen Buzzwords wird dabei nicht gespart: Von „Content-Marketing“, „Mobile-Optimization“ oder „Voice Search“ ist die Rede. Doch so griffig diese Trendwegweiser auf den ersten Blick auch wirken mögen – ihre Halbwertszeit ist gering.

Denn spätestens wenn Google als größte Suchmaschine die Webwelt mit einem neuen Algorithmus-Update in Aufruhr versetzt, werden die nächsten Buzzwords die Runde machen. Statt also von einem kurzfristigen Trend zum nächsten zu jagen, sollten Unternehmen, die ihre zukünftigen Kunden im Netz wirklich erreichen wollen, eine langfristige Perspektive wagen.

Klar ist: Wer digitales Marketing ohne eine gezielte Search Engine Optimization (SEO) seiner Inhalte betreibt, verschenkt ein erhebliches Potenzial. Denn jedes Unternehmen, das eine Website betreibt, aber nicht Unmengen an Geld in Werbung investiert, wird feststellen, dass ein Großteil seiner Seitenbesucher aus der organischen Suche zu ihm findet: Rund 30 Prozent der Webseitenaufrufe gehen bei vielen gut funktionierenden Seite darauf zurück, im Idealfall können es auch über 50 Prozent sein – zu große Zahlen, um diesen Kanal stiefmütterlich zu behandeln. Und trotzdem begegnet so mancher Websitebetreiber dem Stichwort SEO immer noch mit Skepsis. Dahinter liegt der Irrglaube, starke Suchmaschinen wie Google fänden ohnehin jede Website von allein. Und tatsächlich müsste man beim Einrichten einer Website viel falsch machen, um die Search Engines komplett auszusperren – selbst ohne SEO-Kenntnisse wird eine neu aufgesetzte Website über die organische Suche neue Besucher generieren. Schon mit einem Mindestmaß an SEO-Kenntnissen lassen sich die entsprechenden Zahlen allerdings erheblich steigern.

Nun ist die Investition in eine fundierte SEO-Strategie de facto schwerer messbar als jene in klassische Marketingmaßnahmen wie Advertorial- oder Bannerschaltung: Während typische Advertising-Kanäle den Eindruck vermitteln, für eine investierte Summe x ließe sich auf einen Schlag eine garantierte Besucherzahl y kaufen, ist die Suchmaschinenoptimierung einer Produkt- oder Unternehmenswebsite dagegen immer ein etwas langwieriger Prozess: Geeignete Strategien müssen erarbeitet und die Webinhalte entsprechend angepasst werden, damit die Seite besser auffindbar wird. Diese Langwierigkeit lässt Entscheider erst einmal zögern. Vor allem aber hat die SEO-Branche selbst in den vergangenen Jahren kräftig dazu beigetragen, dass ihr Steckenpferd bei Unternehmen in Verruf geraten ist: Viel zu lange haben Dienstleister mit der Prämisse gearbeitet, ihr Job sei es, Suchmaschinen so gut es geht zu „betrügen“, um irrelevante Inhalte möglichst weit nach vorne zu bringen. Seiten, die auf diese Weise im Ranking ganz nach oben klettern, straft Google inzwischen zu Recht ab und verhindert mit entsprechenden Updates seines Suchalgorithmus, dass eine solche Strategie langfristig erfolgreich ist.

Im Umkehrschluss bedeutet das allerdings nicht, dass SEO ein Relikt aus der Vergangenheit wäre. Vielmehr gilt es, den Fokus neu zu setzen: Statt von Jahr zu Jahr aufs Neue zu eruieren, welche Anforderungen die Suchmaschinen-Algorithmen in den kommenden Monaten an eine Website stellen werden, lohnt sich ein Blick hinter die Technik: Wer erkennt, wie sich das Suchverhalten der Webuser zwischen 2010 und heute verändert hat, kann auch besser abschätzen, wie es sich bis 2020 oder gar darüber hinaus weiterentwickeln wird, und seine Produkte und Dienstleistungen langfristig sinnvoll platzieren.

Es ist beispielsweise davon auszugehen, dass sich der Umgang mit Backlinks gravierend verändern wird. Der Suchmaschinenriese bewertete diese in den vergangenen Jahren wie eine Art Empfehlungsschreiben – je öfter von anderen Seiten auf die entsprechende Page verwiesen wurde, desto besser war jene im Google-Ranking vertreten. Es ist hinreichend bekannt, wie viel Schindluder damit getrieben wurde: Seitenbetreiber kauften Backlinks im 10.000er-Pack aus Russland, Vietnam oder China, um ihre Inhalte nach oben zu katapultieren. Darauf reagierte Google schließlich vor gut drei Jahren mit dem Penguin-Update, das in der Lage ist, überoptimierte Webseiten zu erkennen und in ihrer Wertung herabzusetzen. Heute geht es bei Backlinks daher um Klasse statt Masse: Statt Verlinkungen im großen Stil einzukaufen, gilt es vielmehr, Inhalte aufzubauen, die so gut sind, dass sie von allein verlinkt werden. Content Marketing ist für ein solches organisches Linkbuilding das Gebot der Stunde – und war damit zurecht eines der Buzzwords der letzten Jahre.

Wer jedoch einen Blick in die fernere Zukunft wagt, muss davon ausgehen, dass die Wichtigkeit von Backlinks als Rankingfaktor weiter sinken wird. Denn Suchmaschinen wie Google werden immer besser darin, die tatsächliche Inhaltsqualität einer Seite zu beurteilen und sie mit der Suchintention der Nutzer abzugleichen. Stattdessen werden sogenannte Social Signs an Bedeutung gewinnen: Empfehlungen von untereinander vernetzten Usern werden in den nächsten Jahren eine immer wichtigere Rolle spielen.

Vom Keyword-Spam zur Content-Qualität

Eine ähnliche Entwicklung zeigt sich im Übrigen auch bei der Gewichtung von Keywords als Rankingfaktor: Waren Keywords in den Anfangszeiten der Search Engines noch das A und O, um weit vorn in den Ergebnissen gelistet zu sein, sind die Suchmaschinen schnell dazu übergegangen, nur solche Websites hoch zu ranken, die eine Keyworddichte nicht überschreiten. So konnte verhindert werden, dass Webtexte nur noch aus einer Ansammlung von Schlagworten bestehen, für den User aber keinen Nutzen mehr haben. Inzwischen gehen SEO-Spezialisten noch einen Schritt weiter: Sie ermitteln mithilfe der Formel WDF*IDF, in welchem Verhältnis bestimmte Keywords innerhalb einer Website zu allen potenziell möglichen Dokumenten gewichtet werden. Entsprechende Tools helfen dabei, Texte dahingehend zu optimieren, dass sie bestimmte Begriffswolken beinhalten, deren semantischer Zusammenhang von Google erkannt werden kann.

In letzter Konsequenz entstehen auf diese Weise aber wiederum lauter Texte, die auf gleiche Weise unnatürlich sind. Stark zu vermuten ist, dass sich hier in den kommenden fünf Jahren die Spreu vom Weizen trennt: So wird echte Content-Qualität immer wichtiger werden – sie hat einen Mehrwert für den Internet-User und wird dem Keyword-Dropping deshalb im wahrsten Sinne des Wortes den Rang ablaufen.

Individuellen Suchbedarf antizipieren und bedienen

Kaum etwas hat die Suche im Netz in den vergangenen fünf Jahren so stark verändert wie das Aufkommen mobiler Endgeräte. Lag die Smartphonedichte hierzulande noch vor wenigen Jahren unter zehn Prozent, wurde 2015 gut die Hälfte aller Suchanfragen über Mobile Devices abgesetzt. Da lohnt es sich, genauer hinzuschauen: Während insbesondere ältere Nutzer inzwischen dazu tendieren, kürzere Suchanfragen als auf dem Desktop einzugeben, tendiert die jüngere Generation zur Spracheingabe, die wiederum eine ganz neue Suchqualität mit sich bringt: Den Eingabebefehl „Siri, ich habe Hunger!“ in „Restaurant Konstanz“ umzuwandeln, erfordert von der Suchmaschine eine deutlich höhere „Denkleistung“ als eine einfache Keywordsuche. Vor dem Hintergrund, dass derzeit vor allem Devices mit kleineren Displays wie beispielsweise Smartwatches auf den Markt drängen, ist zu erwarten, dass in den kommenden fünf Jahren auch neue Formen der Suche entstehen. Gleichzeitig wird die Rolle des Standorts bei der Ergebnisausgabe weiter wachsen: Googelt ein Nutzer von unterwegs aus per Smartphone nach einem Bekleidungsgeschäft, sucht er in der Regel nicht den Online-Shop, sondern die Öffnungszeiten. Auch darauf sollten Unternehmen, die ihren Kunden einen sinnvollen Webauftritt offerieren wollen, vorbereitet sein.

Mit dem veränderten Suchverhalten geht eine weitere Beobachtung einher: War es vor einigen Jahren noch wichtig, im organischen Index möglichst gut gerankt zu sein, geht der Trend immer mehr zur Differenzierung: Universelle Rankings – beispielsweise bei Google Plus Local – können für ein lokales Unternehmen viel wichtiger sein. Nicht zu unterschätzen sind auch Plattformen wie YouTube, die sich immer mehr zu einer neuen Form der Suchmaschine entwickeln: Tatsächlich suchen inzwischen mehr Menschen über YouTube nach Begriffen als in jeder anderen Suchmaschine nach dem Vorreiter Google. Unternehmen dürfen solche Kanäle bei ihrer Markenpräsentation auf keinen Fall unterschätzen. Der Trend weg von der Bedeutung des Suchmaschinenrangs hin zur zielgruppenspezifischen Visibility wird sich in den kommenden Jahren weiter fortsetzen.

Vorbei sind auch die Zeiten, in denen alle User die gleichen Suchergebnisse erhielten: Schon jetzt werden die aufgezeigten Ergebnisse anhand von Faktoren wie der geographischen Position oder der im Browser eingestellten Sprache regionalisiert. Aber bei der Ergebnisausgabe für regionale Cluster wird es nicht bleiben: Gerade Google wird immer besser darin, zu erkennen, wo seine Nutzer leben, wohin sie reisen, wie sie arbeiten und was sie einkaufen. Das mag auf den ersten Blick vor allem erschrecken – es bietet aber auch die Gelegenheit, jedem Internetuser individuell auf ihn zugeschnittene Ergebnisse zur Verfügung zu stellen. Schon heute gibt es erste Dienste, bei denen Search Engines Daten kumulieren und dadurch Services bieten, noch bevor der Nutzer überhaupt nach ihnen sucht. Und in nicht allzu ferner Zukunft wird dies noch viel weitreichender funktionieren als der Smartphonewecker, der uns eine halbe Stunde früher weckt, wenn auf unserem Weg zur Arbeit Stau angekündigt ist.

SEO der Zukunft ist Search Experience Optimization

Betrachtet man die Entwicklungen der letzten Jahre im Ganzen, so lässt sich eine starke Tendenz erkennen: Es kann bei der Optimierung von Webinhalten immer weniger darum gehen, die Suchalgorithmen der großen Search Engines so gut wie möglich zu durchschauen oder gar zu hintergehen – sondern es gilt heute schon, erst Recht aber in Zukunft vor allem darum, den Nutzer zu verstehen und seinen tatsächlichen Bedarf zu antizipieren. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung bekommt auch SEO eine ganz neue Bedeutung: Aus Search Engine Optimization wird Search Experience Optimization. Wer also nicht nur 2016, sondern auch noch in fünf oder fünfzehn Jahren eine funktionierende Website betreiben möchte, muss endlich damit anfangen, sich Gedanken darüber zu machen, welche Inhalte und Formen sich der Nutzer von ihm tatsächlich wünscht.

Bild Foto: Christoph Spannagel Über den Autor/die Autorin:

Christoph Spannagel ist Head of SEO bei der Performance Marketing Agentur Goldbach Interactive. Der studierte Medienwissenschaftler hat eine langjährige Erfahrung im Bereich Suchmaschinen-Optimierung und betreut mit seinem SEO-Team Kunden wie HERTZ, BASF und SIGMA.

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