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VIDEO

Video Advertising: Viel Freud, viel Leid

Jens von Rauchhaupt, 30. Juli 2015
Dphotocreo Bednarek - dollarphotoclub.com

Es bleibt wie es war und dennoch wird bald alles anders sein im Video Advertising. Die Preise sind stabil, die Nachfrage der Advertiser nach großen Volumina weiterhin hoch. Werbetreibende haben ihre Not, ausreichend Werbekontakte für ihre Videokampagnen zu erzielen. Neue Werbeformate und Connected TV helfen nur bedingt, um diese Situation zu verbessern. Das macht die Angebote von YouTube und Facebook mittelfristig umso interessanter. Neben Programmatic Selling könnte ein einheitliches Adserving die TV-Vermarktung näher an die Video-Online-Vermarktung heranführen. Die Ad Technology bildet dann die Brücke zwischen klassischem TV und Online.

Ines Thomas

Bewegtbild ist ein Fokusthema der Verlagshäuser. Ein Beispiel unter vielen: Der Premiumverlag Condé Nast hat vor gar nicht allzu langer Zeit dazu einen Strategiewechsel ausgerufen. Man wolle nun mehr auf Video setzen und scheut sich dazu nicht, eigenen Content zu produzieren. „Das Thema Digitalisierung treibt Condé Nast seit Jahren um, wir haben unsere Strukturen in Redaktion und Vermarktung schrittweise und über alle Plattformen hinweg integriert. Unsere Redaktionen arbeiten und experimentieren zwar schon lange mit Videoformaten. Aber Video ist ein Wachstumsfeld und wird sowohl auf User- als auch auf Vermarktungsseite immer wichtiger. Deshalb ist es für uns ein Fokusthema. Die logische Konsequenz daraus ist der Aufbau einer eigenen Video-Unit als Teil der Condé Nast Manufaktur“, berichtet Ines Thomas, Pressesprecherin vom Condé Nast Verlag Deutschland.

Mobile Videonutzung wächst rasant

Denn mit der Videovermarktung lässt sich vor allem im Premiumbereich richtig Geld verdienen. Bei den Premiumvermarktern läuft Video nach wie vor wie geschnitten Brot. „Wir freuen uns weiterhin über steigende Nachfrage nach unserem Videoinventar und wir bekommen ebenfalls noch Anfragen nach so großen Volumina, die wir gar nicht vollständig bedienen können“, berichtet Christoph Henning, Leiter Bewegtbild beim Spiegel-Vermarkter Spiegel QC. Der ganz große Anstieg sei aber beim Video Advertising vorbei. „Es wächst nun gleichbleibend stetig, aber rasant“, sagt Henning. Auf insgesamt 17 Mio. Video Views im Monat kommt der Spiegel Verlag mit Spiegel Online (SPON) und dem Web-TV-Angebot Spiegel.TV. Beide Angebote könnten nicht unterschiedlicher sein. Während SPON auf Short Content mit Videos von maximal 5 Minuten für den Newsbereich setzt, hält Spiegel.TV Videos und Filme von 20 bis 90 Minuten Spiellänge bereit. Entsprechend sind auf Spiegel.TV die mobilen Abrufe deutlich niedriger, sie liegen laut Henning bei etwa 15 Prozent, während inzwischen durchschnittlich 40 Prozent aller Video Views von Spiegel Online über mobile Geräte abgerufen werden. „Der Grund für das unterschiedliche Verhältnis der mobilen Zugriffe ist in der unterschiedlichen Nutzungssituation der beiden Videoangebote zu suchen“, sagt Henning.

Eine ähnliche Nutzungsentwicklung stellt man in Köln beim RTL-Vermarkter IP Deutschland fest. „Im Schnitt haben wir eine mobile Videonutzung von 30 Prozent mit hohen zweistelligen Wachstumsraten pro Jahr“, berichtet Tim Nieland, Abteilungsleiter Product Management beim RTL Vermarkter IP Deutschland. „Bei Longform-Formaten befinden sich die Nutzer im Leanback-Modus und schauen die Inhalte eher zu Hause auf der Couch. Das gilt bei uns vor allem für die Portale von RTL NOW oder VOX NOW. Bei spezifischen Angeboten haben wir aber eine mobile Videonutzung von 60 Prozent. Das gilt zum Beispiel für n-tv.de oder VIP.de“, so Nieland.

Tim Nieland

Ob Desktop, Smartphone, Tablet oder Smart-TV-Angebote wie digitaler Teletext oder auch App-Angebote, bei IP Deutschland bucht der Werbetreibende über das Fourscreen-Angebot die Kampagne für seine Zielgruppe ein, das Werbemittel – in den meisten Fällen PreRolls – wird dann über alle digitalen Endgeräten ausgeliefert, wo sich diese Zielgruppe gerade aufhält. Der RTL-Vermarkter trennt also nicht mehr zwischen den digitalen Kanälen. Warum auch: „Ein Kontakt auf dem Smartphone ist genauso viel wert wie auf dem Desktop, darum vermarkten wir Mobile nicht gesondert. Fast 50 Prozent der Fourscreen-Buchungen werden auf Mobile ausgeliefert“, sagt Nieland.

Targeting hat bei Video kaum Relevanz – Frequency Capping schon

Die Nachfrage nach guten Platzierungen für die Videowerbung ist so hoch, dass Targeting und Themenumfelder eine untergeordnete Rolle spielen, wie Henning von Spiegel QC berichtet: „Den Werbetreibenden, gerade den traditionellen TV-Marken, ist das Frequency Capping wichtiger als Targetingmöglichkeiten weil das zur Verfügung stehende Inventar geringer ist als die Nachfrage. Technisch bieten wir alle Targetingmöglichkeiten an, das schmälert aber die schon ‚ohnehin geringe‘ Videoreichweite noch weiter.“ Das Frequency Capping bleibt aber auch im Video Advertising ein wichtiges Planungskriterium. Eine Herausforderung für die kleinen Publisher, die aufgrund ihrer Reichweite gezwungen sind, quasi in einer Endlosschleife dieselben Kontakte mit dem immer wieder gleichen PreRoll-Spots zu befeuern. Ein Problem, das die größeren der Zunft nicht haben. „Würden wir die Werbung ohne Frequency Capping ausliefern, würden es die Nutzer wohlmöglich nicht merken, einfach weil auf Spiegel Online und Spiegel.TV so viele unterschiedliche Kampagnen eingebucht sind, dass eine Kampagnendurchmischung automatisch stattfindet“, sagt Henning.

Pre-Roll-Preise könnten 2016 steigen

Gebucht werden vor allem InStream-PreRoll-Formate, die TKP dafür sind trotz YouTube und Facebook stabil und hoch. Die ersten Vermarkter denken daher über eine Preiserhöhung für das nächste Jahr nach, klar dazu äußern will man sich aber noch nicht. Doch den Videovermarktern wurmt es, dass einige große Werbetreibende die Preise durch Rabatte deutlich drücken, weil sie auf einen Schlag großen Volumina einkaufen.

Mit Outstream gegen die Angebotsarmut

Von diesen Sorgen können die kleinen Vermarkter und ihre Publisher nur träumen. Mit Outstream gibt es allerdings ein recht neues Videowerbeformat, das ihnen dabei helfen wird, an die großen Videobudgets der Werbetreibenden zu kommen. Vom Unternehmen Teads erstmalig auf den Markt gebracht, erfährt dieses Format auch über andere Anbieter einen wahren Siegeszug. Streng genommen ist Outstream ein InPage-Format, das sich beim Lesen eines Textes durch Scrollen mit der Maus öffnet. Der Vorteil von Outstream liegt auf der Hand. Es ist userinitiiert, das Video startet nur, wenn die Hälfte des Werbespots sichtbar ist, und besonders wichtig: Es benötigt kein Videocontent, der entweder teuer gekauft oder selbst produziert werden müsste. Damit können auch kleinere Publisher vom Boom im Video Advertising profitieren.

Viele Vermarkter mit redaktionellen Werbeträgern wie beispielsweise Axel Springer oder Spiegel Online bieten bereits die Möglichkeit, Outstream-Formate einzubuchen. Während der ein oder andere Publisher sich uns gegenüber geradezu euphorisch zu Outstream äußerte, kann es in seiner Werbewirkung nicht mit PreRolls mithalten. Für Spiegel QC ist Outstream daher eher eine Ergänzung. „Es eignet sich vor allem für Werbetreibende, die kurzfristig eine große Menge an Werbekontakten benötigen und der Vermarkter das gewünschte Volumen mit dem eigenen Videocontent nicht stemmen kann“, so Henning. Bei wichtigen KPIs können aber die Outstream-Formate nicht mit den InStream-Formaten konkurrieren. „InStream-Werbung hat im Durchschnitt eine Completion Rate von 90 %, bei Outstream bewegt sich dieser Wert bei etwa 30 %. Da die Preise bei uns zudem relativ nah an den InStream-Preisen liegen, sehe ich Outstream höchstens als Ergänzung. Wer als Vermarkter richtig in die Videovermarktung einsteigen will, dem wird Outstream langfristig nicht reichen.“

Connected TV, ein Heilsbringer für ein besseres Videoangebot?

Aus Sicht des Werbetreibenden könnten die digitalen Angebote im Smart-TV eine interessante Möglichkeit sein, um größere Volumen für die eigenen Videospots einzubuchen. Die Reichweiten sind aber hier noch begrenzt. Die Gründe dafür sind unterschiedlich. Bei IP Deutschland liegen die Connected-TV-Views beispielsweise bei etwa 5 Mio. im Monat. Von der Entwicklung enttäuscht sei man aber nicht, wie Tim Nieland meint. Denn IP Deutschland geht hier mit Vorsicht zu Werke: „Das Medium ist das richtige und es steckt sehr viel Potenzial in Connected TV. Allerdings gehen wir mit diesem Thema sehr restriktiv um und haben sog. Signalschutzkriterien aufgestellt, die Kabelnetzbetreiber oder TV-Hersteller erfüllen müssen. Damit vermeiden wir, dass Dritte mit Ad Skipping oder Werbeüberblendungen arbeiten.“

Publisher, die ihre Inhalte via Apps im Smart-TV zur Verfügung stellen, sind mit der Entwicklung von Connected TV weniger glücklich. „Connected TV ist gut für die Strahlkraft der Marke, allerdings sind hier die Nutzungszahlen noch nicht in dem Bereich, das sie eine große Relevanz für die Vermarktung spielen könnten“, sagt Henning, der für die Zukunft des Smart-TV-Marktes weitere Veränderungen prognostiziert. „Im Moment ist das ein riesen Tohuwabohu bei den Technologien und Standards. Es wird in der Zukunft aber vollkommen normal sein, dass der Zuschauer über eine App am Smartphone digitale Bewegtbildprogramme abruft und sie auf seinen Fernseher streamt, ganz gleich welches TV-Gerät und welches Betriebssystem die Smartphones unterstützen. Dann wird das Smartphone eigentlich zu einer Fernbedienung“, glaubt Henning.

Programmatic etabliert sich zunehmend im Video Advertising

Es ist nicht nur der Druck des US-Wettbewerbs, der über LiveRail (Facebook) und die Google Ad Exchange (YouTube) Videoinventar den Einkaufsplattformen zur Verfügung stellt, sondern auch die Nachfrageseite selbst, die vermehrt programmatisch Videokontakte einkaufen möchte. „Netflix hat uns gezeigt, dass einige Werbetreibende zukünftig nur noch zentral über ihren Trading Desk programmatisch einkaufen wollen. Wer dann nicht darauf vorbereitet ist, wird von den Advertisern nicht berücksichtigt“, glaubt Henning. Je nach Quartal wird bis zu 40 Prozent des Videoinventars von Spiegel QC entweder programmatisch über StickyADS.tv oder über den Zweitvermarkter IP Deutschland vermarktet. Auch bei IP Deutschland selbst sammelt man nach der Übernahme des Videomarktplatzes SpotXchange durch die RTL-Gruppe die ersten praktischen Erfahrungen mit Programmatic Selling. „Über SpotXchange vermarkten wir bereits über Private Deals einen kleinen Teil unseres Inventars programmatisch“, bestätigt Jens Pöppelmann, Director Media Operations bei IP Deutschland. Wie IP Deutschland und alle anderen deutschen Premiumvermarkter setzt Spiegel QC auf Private Marketplaces: „Im Videobereich nutzen wir ausschließlich Private Marketplaces und keine offene Systeme. Hier arbeiten wir mit Private Auctions und Private Deals.“

Christoph Henning

Für Henning gibt es aber noch einen zweiten Grund, warum Spiegel QC sich konsequent auf Programmatic Selling ausrichtet: „Es ist die Transparenz. Eine SSP erlaubt eine eTKP- (effektiver TKP) Optimierung. Damit erreichen wir zum Teil höhere Preise, als wenn wir alles unserem Zweitvermarkter überlassen.“ Und Henning geht noch weiter: „Eigentlich favorisiere ich eine holistische Programmatic-Lösung. Dann würden wir auch unsere Direct Sales Teams an unsere SSP anschließen und diese müssten genauso wie die Agenturen um das Inventar buhlen. Das wäre dann eine echte eTKP-Optimierung. Denn es kommt schon jetzt teilweise vor, dass wir programmatisch höhere Preise erzielen als unsere Direktvermarktung, bei der Volumendeals den Preis ganz schön drücken können.“

Werbetechnologie als Behelfsbrücke zur klassischen TV-Vermarktung

Doch wie geht es nun weiter? Noch immer sind klassische TV-Vermarktung und Online Video Advertising zwei Parallelwelten, die einfach nicht zusammenfinden wollen. Christoph Henning glaubt aber, dass die Tage der klassischen TV-Vermarktung gezählt seien: „In zehn Jahren wird es das klassische TV-Werbegeschäft, wie wir es kennen, nicht mehr geben. Digital-TV wird mit dem klassischen Geschäft verschmelzen. Die Targetingkriterien, die Digital bietet, sind so granular, dass die Werbetreibenden diese unbedingt nutzen wollen.“ Henning berichtet, dass die Mediaagenturen sich bereits auf diese neue Ära einstellen: „Die Mediaagenturen stellen sich inzwischen neu auf. Es werden Units gebildet, die nicht mehr zwischen Print, TV und Online unterscheiden, sondern stellen markenbezogene Teams auf, die für den Kunden gattungsübergreifend planen.“

Jens Pöppelmann

Und tatsächlich suchen auch die Vermarkter der privaten TV-Sender an technischen Lösungen, um diese Vorteile aus der Online-Vermarktung in die „alte Welt“ hinüberzutragen. „Wir überlegen schon, wie wir perspektivisch die Prozesse und Systeme für klassische TV- und Digital-Vermarktung vereinheitlichen und synchronisieren können“, sagt Pöppelmann von IP Deutschland. Allerdings schränkt er auch gleich ein: „Werbung für lineares Fernsehen wird auch zukünftig nicht direkt über einen Adserver ausgeliefert. Man kann das aber dem Adserver ‚vorgaukeln‘. Wenn man die TV-Reichweite in Online-Reichweite, also in Ad Impressions umrechnet, wissen wir, welches Volumen im klassischen TV möglich ist. Dieses Volumen können wir dem Adserver dann virtuell zur Verfügung stellen.“ Über diese Behelfsbrücke könnten die Vermarkter zumindest im digitalen Fernsehen nach Online-Kriterien Bewegtbildwerbung ausspielen.

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