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PROGRAMMATIC

Programmatic Advertising erreicht das nächste Level

Jens von Rauchhaupt, 27. Mai 2015
frank peters, dollarphotoclub.com

Der automatisierte Mediaeinkauf zieht in Deutschland an. Egal wen man fragt: Mediaagenturen, Vermarkter oder Data Provider. Alle bestätigen einen mächtigen Shift seit dem vierten Quartal 2014. Allerdings gibt es dabei zwei völlig unterschiedliche Welten: die Performance-Display- bzw. Retargeting-Advertiser, die über Real-Time Bidding (RTB) umfeldunabhängig Media einkaufen, und die Premiumvermarkter und Brand-Advertiser, die sich abschotten und den Mediahandel gesondert in eigenen Marktplätzen, den Private Marketplaces (PMPs) vorantreiben.

Programmatic Advertising erreicht das nächste Level und das bedeutet, der plattformbasierte Mediahandel ist für alle Marktteilnehmer der digitalen Werbung gesetzt. So berichtete mir Stefan Schumacher, Executive Director Digital bei G+J EMS, in einem Vorgespräch zur Adtrader Conference, dass der Hamburger Traditionsvermarkter annähernd sein gesamtes stationäres Inventar für den programmatischen Einkauf fit gemacht habe.

40 Prozent Open Auctions, 60 Prozent Direct Deals oder Private Auctions in Private Marketplaces. Das ist derzeit die typische Verteilung bei den Vermarktern. Insgesamt ist man – je nachdem welchen deutschen Vermarkter man fragt – bei einem Gesamtanteil von 10 bis 20 Prozent des stationären Gesamtinventars, der plattformbasiert gehandelt wird. Und es wird mehr, von Monat zu Monat, von Quartal zu Quartal.

Nicht nur die Mediaagenturen, sondern eben auch die Vermarkter haben 2014 offenbar ihre Hausaufgaben gemacht und sich auf Programmatic Advertising technologisch und personell vorbereitet. Dabei kommt das Konstrukt der Private Marketplaces (PMPs) ihnen besonders entgegen. Hierüber werden Branding-Kampagnen mit Billboard Ads und Half Page Ads gebucht, auch Wallpaper können zunehmend über die PMPs eingekauft werden. Die Preise zeigen sich bisher in den PMPs stabil und sind mit denen aus der klassischen Vermarktung vergleichbar. Auch die großen Mediaagenturen haben sich mit dem Mediahandel in den PMPs arrangiert. Bei Ihnen werden bereits bis zu 20 Prozent ihrer Display-Brand-Kampagnen über PMPs eingekauft.

Auf der anderen Seite werden selten solche Platzierungen über offene Auktionen im Real-Time-Bidding-Verfahren gehandelt. Die Vermarkter trennen diese beiden Bereiche weiterhin mehr oder weniger strikt, um ihre Preise für ihre Frontsites zu schützen. Nur das Secondary Inventory und die Restplätze werden dann für offene Auktionen freigegeben. Was also früher über Werbenetzwerke lief, geschieht heute direkt über RTB. Für die Advertiser ein kleines Manko, denn richtig gut optimieren lassen sich vor allem RTB-Kampagnen. Auf der anderen Seite haben OpenRTB-Auktionen seit jeher den Nachteil, dass hier durch die Einkaufsseite keine garantierten Abnahmemengen (Guaranteed Inventory) erzielt werden können. Ein weiterer Grund, warum PMPs sich so schnell am Markt etablieren konnten.

Die Angst, dass die Direct Sales Teams der Vermarkter unter dieser Entwicklung leiden, bestätigte sich bisher nicht. Ganz im Gegenteil: Noch ist Programmatic in vielen Bereichen beratungsintensiv. Ein Umstand, der die bekannten Effizienzvorteile fast wieder zunichtemacht. Allerdings ist das eine Momentaufnahme. So haben gerade kleinere Mediaagenturen und Werbetreibende noch hohen Beratungsbedarf und es sind hier die Vermarkter, die diesen Agenturen das neue Programmatic Advertising näherbringen müssen, persönlich, im Gespräch. Am Ende ist Programmatic Advertising für Premiumvermarkter in erster Linie ein Abwicklungsinstrument und so werden wohl auch weiterhin nicht nur die Jahresdeals auf persönlicher Ebene verhandelt werden.

Und Video und Mobile?

Instream-Videowerbung – also Werbespots in Form des Pre-, Mid- oder PostRoll – werden gegenwärtig und auch zukünftig ausschließlich über Private Marketplaces und Deal-IDs gehandelt. Denn hier ist die Abnahme von Guaranteed Inventory besonders wichtig. Werbetreibende, die hochpreisige Videowerbung zur Kommunikation einsetzen, müssen genau wissen, wie viel Werbedruck sie in einer vorbestimmten Zeit aufbauen müssen. Noch immer fehlt es trotz starker Nachfrage an ausreichend Videoinventar. Somit stehen die großen Medienhäuser zunächst nicht im Zugzwang ihr Videoinventar für Programmatic Buying freizugeben. Das wird sich aber noch dieses Jahr ändern, denn der Wettbewerb in Form von ausländischen Videocontent-Anbietern und Vermarktern steht in den Startlöchern. Und so ist es nur eine Frage der Zeit, dass immer mehr Videocontent für den automatisierten Mediahandel freigegeben wird.

Nahezu gegensätzlich zum Video Advertising verhält sich der Mobile-Werbemarkt. Hier ist die Angebotsseite prall gefüllt mit inzwischen günstigem Inventar, es fehlt die Nachfrage aufseiten der Werbetreibenden. Programmatic Buying wird hier als Heilsbringer für die Angebotsseite gehandelt und in der Tat: Die Zeichen stehen gut, dass dies so eintrifft. Denn die Infrastruktur für Programmatic Selling haben die Vermarkter fast zeitgleich zum stationären Geschäft aufgebaut und zum anderen haben die Werbungtreibenden endlich verstanden, dass die Zielgruppen ihre Medienzeit zunehmend an mobilen Endgeräten verbringen. Die große Chance liegt in den Apps. Da sich hier bereits einige Marktplätze und Mobile-Demand-Side-Plattformen am Markt etabliert haben, werden immer mehr Werbetreibenden den Schritt in Richtung Mobile Programmatic gehen.

Meta, Meta

Nicht „Hyper, Hyper“, sondern „Meta, Meta“ ist im Programmatic Advertising der Trend der Stunde. Und zwar sowohl für die Einkaufs- als auch neuerdings für die Verkaufsseite. Werbetreibende und ihre Agenturen arbeiten inzwischen mit einer Vielzahl von Demand-Side-Plattformen zusammen. Die Kunst ist nun, die unterschiedliche Arten von Kampagnen, deren Targetings und Zielgruppen auf unterschiedlichsten Datenquellen basieren, über eine übergeordnete Meta-DSP in Einklang zu bringen und dabei Überschneidungen im Mediaeinkauf zu vermeiden und die Werbekanäle Display, Mobile, Video und Social aufeinander abzustimmen. Auf Vermarkterseite gibt es ebenfalls die ersten Meta-SSPs. Ihr Angebot richtet sich an kleinere Vermarkter, die erst in das Programmatic Advertising einsteigen wollen, ohne sich fest an einen SSP-Anbieter binden zu müssen. Hierbei handelt es sich um Full-Service Lösungen, die den Vermarktern den Zugang zu verschiedenen SSP-Technologien und PMPs erlauben.

Kreative Konzepte noch Mangelware

Woran es aber noch immer mangelt, ist die kreative Kampagnenumsetzung der durch Programmatic Buying gegebenen Möglichkeiten. Programmatic Buying bedeutet ja in erster Linie einen automatisierten Mediaeinkauf auf Basis vorliegender Zielgruppen- und Kampagnendaten. Diese Datenlage sollte bereits bei der Kampagnenkonzeption die Gestaltung der Werbemittel beeinflussen, um unterschiedliche Werbemittel passend zum jeweiligen Kanal und der Nutzungssituation ausliefern zu können. Was im Performance-Bereich unter Dynamic Creative Optimization (kurz: DCO) bereits Einzug hält, wird in der Brand-Kommunikation noch viel zu selten eingesetzt. Erste Gehversuche im mehrstufigen Storytelling gibt es aber bereits. Havas Düsseldorf hatte in Zusammenarbeit mit Microsoft für Peugeot eine solche Kampagne umgesetzt und bezeichnete dies als „Creative Sequencing“. Nutzte ein User beispielsweise nur die Xbox, wurden drei Motive entsprechend nur auf der Konsole ausgespielt. War er stattdessen auf MSN, Windows 8 und Outlook.com unterwegs, traf er jeweils auf verschiedenen Plattformen auf einen neuen Teil der Story, ohne permanent mit dem gleichen Motiv gelangweilt zu werden. So konnten effektiv mehrere Werbebotschaften in Serie beim gleichen Nutzer über Programmatic Buying ausgespielt werden. Dies setzt allerdings voraus, dass die Kreativabteilung von vornherein die Möglichkeiten von Programmatic Buying bzw. Real-Time Advertising berücksichtigt hat. Insgesamt befindet sich aber die Verbindung von Data, Kreativität und automatisierten Mediaeinkauf erst in den Anfängen.

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