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Der Preis der Unabhängigkeit

Jörg Manthey, 20. Oktober 2014

Demand-Side- (DSP), Supply-Side- (SSP) und Exchange-Plattformen machen es Unternehmen heute möglich, Inventar komfortabel selbst einzukaufen – ganz ohne Mediaagentur. Die Vorteile scheinen auf der Hand zu liegen: Ohne Mediaagentur können Unternehmen ihre Kosten minimieren und sind unabhängig von Beratern, da sie das Media-Know-how im eigenen Haus bündeln können. Aber: Ist das auch sinnvoll? Und lohnt es sich wirklich für Unternehmen, Media selbst in die Hand zu nehmen?

Mehr Partner statt weniger

Das Mediaparadigma ist vorbei: Früher war Media vor allem dadurch definiert, dass Unternehmen durch die Marktmacht der Mediaagenturen zu günstigen Preisen einkaufen konnten. Heute gibt es weitaus mehr und ganz neue Argumente für eine Zusammenarbeit mit Mediaagenturen: Mit neuen Strategien wie Programmatic Buying oder Real-time Advertising ist die Marktsituation so viel komplexer, dass die Gegenfrage erlaubt sein muss: Kann ein Unternehmen heute überhaupt noch ohne Agenturen auskommen? Die Frage lautet eher: Mit wie vielen will man zusammenarbeiten?

Unternehmen müssen sich also darüber klar werden, ob sie einen Beratungs- und Umsetzungspartner benötigen. Oder ob sie selbst eine ganze Mannschaft an Serviceanbietern und Systemen koordinieren können. Letzteres kostet Kraft und Ressourcen. Diese Mittel stehen dann nicht bereit, um Produkte weiterzuentwickeln und das eigentliche Marketing sicherzustellen.

Die Frage für Unternehmen sollte daher lauten: Kann ein eigenes Team das ständig wachsende System-, Daten-, Technologie- und Partnernetzwerk kanalisieren, harmonisieren und Stillstand und Siloarbeit verhindern? Gleichzeitig ist zu klären, ob es sich lohnt, Bereiche wie Technologie, Set-up oder gar die Entwicklungskosten bei einem Agenturpartner zu bündeln – dies macht aber nur Sinn, wenn signifikante Skaleneffekte erreicht werden können.

Unternehmen müssen also genau prüfen, was sie wollen. Denn falsche Entscheidungen können zu größeren – und kostspieligeren – Strukturen führen. Und eben nicht zu mehr Unabhängigkeit und Flexibilität. Daher gilt es immer, im Vorfeld beim Thema ‚Self-Service’ folgende Faktoren zu beachten:

Die Partnerwahl

Die Entscheidung für ein eigenständiges Mediamanagement im Unternehmen ist ein aufwendiger Prozess. Set-ups sind zeitraubend und kostenintensiv. Hat das Unternehmen sich entschieden, ist natürlich auch mit Beauftragung von externen Partnern wie IT-Dienstleistern oder Datenanalysten zu rechnen. Manche Leistungen können ausgelagert, Prozesse gemeinsam optimiert werden. Doch wo bleibt der Vergleich mit anderen Services und Technologien?

Das ist ein Vorteil, den ausreichend große Agenturen bieten: Sie haben viele Systeme und können jederzeit auf fast allen Plattformen und Dienstleistern arbeiten – ohne große Anlaufzeiten!

In der schnelldrehenden digitalen Wirtschaft entwickeln sich Technologien täglich, die Eintrittsbarrieren, das technische Set-up und die Ausbildung für die Systeme sind hoch. Teilweise erfordern unterschiedliche Kampagnenziele sogar verschiedene Systeme, denkt man nur an die verschiedensten DSPs im Markt. Und wo ist die zentrale Steuerungstechnologie? Können sich „normale“ Unternehmen – nicht Großkonzerne oder große Investoren –, die auf Skaleneffekte setzen, diese Systeme leisten?

Investition in Daten

Eine weitere Herausforderung für selbstständig agierende Unternehmen ist die Datenverarbeitung. Alle Unternehmen sammeln selbst Daten. Aber wie viel Budget gibt es noch für Third-Party-Daten, Kundenprofile, Marktdaten, Tools zur Datenverarbeitung und für Mitarbeiter, die Insights aus Markt, Wettbewerb und Konsument ziehen und einsetzen? Und was kosten diese Insights bei Nicht-Agenturpartnern? Das Vielfache gegenüber Agenturen.

Nur wenn Unternehmen ihre Budgets für den Zukauf von Daten verfünffachen können, um genügend über ihre Zielgruppen und Märkte zu wissen und um Strategien abzuleiten, rechnet sich eine direkte Partnerschaft mit den Anbietern. Denn Agenturen haben die Daten zentral für alle Kunden, es könnte also ein kostspieliges Unterfangen werden, ohne Agentur zu arbeiten.

Zudem benötigen Unternehmen genügend Ressourcen, um dann auch das eigene Datenmanagement zu organisieren, sodass sie daraus Strategien für Marketing und Vertrieb generieren können. Agenturen liefern diese organisatorischen Leistungen in der Regel günstiger – und dazu gibt’s inklusive täglich wertvolle, neutrale und gut aufbereitete Insights. 

Weiterbildung ist essenziell

Was Unternehmen brauchen, sind genügend erfahrene Mitarbeiter aus den Bereichen Strategie, Analyse, Technologie und Kampagnenmanagement, die über einen größeren Horizont als die eigene Branche verfügen. Echte Bewertungskompetenz kann nur der liefern, der mehr sieht als seinen eigenen Aufgabenbereich und Zusammenhänge aus anderen Fachbereichen in seine Strategien integriert.

Um stets auf dem neuesten Stand zu sein, müssen sich die Mitarbeiter kontinuierlich weiterbilden. Das kostet Zeit und Geld. Heute gibt es kaum ein kleines oder mittelständiges Unternehmen mit bis zu 500 Mitarbeitern, das genügend Ressourcen zur Verfügung stellen kann, um bei allen relevanten Themen aus den unterschiedlichsten Bereichen stets up to date zu sein. Ganz abgesehen von den enormen Ausgaben für die Weiterbildung: Zu den aktuell relevanten Feldern zählen mobile Expertise, strategische Sicherheit, Social Media Insights, Dashboards & Analytics und Mediaeinkauf. Zudem müssen die Mitarbeiter die Mediaplanung über alle Kanäle beherrschen und dabei die besten Verhandlungsergebnisse bei den Vermarktern und anderen Partnern erzielen. Und auch der programmatische Einkauf mit Performance- sowie mit Imagezielen und Search-Expertise über alle taktischen Maßnahmen nimmt ständig an Bedeutung zu. Die eigenen Mitarbeiter auf all diesen Gebieten fit zu machen, ist eine Aufgabe, die nur mit einem entsprechenden HR-Budget zu lösen ist.

Ein Blick in die Zukunft: Der Nachwuchs

Bei der Diskussion um die Zukunft der Mediaplanung ist auch die Frage nach dem Nachwuchs entscheidend. Agenturen und Medien bilden enorm viele Digitalexperten aus, die die Unternehmen dann oftmals abwerben. Aber kann ein Markt so nachhaltig funktionieren? Die wirklich gut ausgebildeten Kräfte werden täglich teurer und die ständigen Investitionen in Mitarbeiter steigen stetig.

Wäre es nicht besser für die Unternehmen, selbst Mitarbeiter auszubilden, die den eigenen Markt wie ihre Westentasche kennen, mit den besten Partnern jederzeit flexibel zusammenarbeiten können und Zugriff auf die neuesten und besten Technologien bekommen? Agenturen hätten dann geringere Anfangsinvestitionen und könnten ihr Budget für die Kommunikationsstrategien ihrer Kunden besser nutzen.

Fazit

Schaut man richtig hin und rechnet die Zahlen kritisch durch, so bleibt für die meisten Unternehmen nur eine Einsicht: Der Preis, den viele Werbungtreibende für die vermeintliche eigene Unabhängigkeit zahlen, ist die Abhängigkeit von einigen wenigen hochspezialisierten Servicepartnern, die nur genau definierte Leistungen liefern – ohne Innovationskraft für das eigene Unternehmen. Dadurch sind die Reaktionsmöglichkeiten weniger flexibel: So fehlen etwa gelieferten Daten die kundenspezifische Tiefe. Die notwendige Analysekompetenz muss dann bei einem anderen Anbieter eingekauft werden oder intern bereitstehen – beides ist mit zusätzlichen Kosten verbunden. Daher sind wir absolut überzeugt davon: Für ein effizientes Geschäft empfiehlt sich unbedingt die Zusammenarbeit mit einer leistungsfähigen Agentur, die umfassend sowohl Know-how als auch Infrastruktur schnell und flexibel nach Bedarf zur Verfügung stellen kann.

Über den Autor:
Jörg Manthey ist als Managing Director gemeinsam mit Sven Traichel, CEO Havas Media Deutschland, verantwortlich für das digitale Geschäft der Havas Media in Deutschland. Mit seinem digitalen Managementteam treibt er federführend das digitale Wachstum der Havas Gruppe in Deutschland voran und baut die Marke Havas Digital weiter aus. Havas Digital vereint die digitalen Services der Havas Media und Havas Worldwide zu einem einzigartigen digitalen Full-Service-Angebot.

Bild Jörg Manthey Über den Autor/die Autorin:

Jörg Manthey ist als Managing Director gemeinsam mit Sven Traichel, CEO Havas Media Deutschland, verantwortlich für das digitale Geschäft der Havas Media in Deutschland. Mit seinem digitalen Managementteam treibt er federführend das digitale Wachstum der Havas Gruppe in Deutschland voran und baut die Marke Havas Digital weiter aus. Havas Digital vereint die digitalen Services der Havas Media und Havas Worldwide zu einem einzigartigen digitalen Full-Service-Angebot.

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