Immer bessere Technologien, immer mehr anonyme Profildaten: Das Online-Targeting wird zunehmend genauer. Doch Soziodemografien, Geoinformationen, Kaufverhalten und Affinitäten spielen auch im Offline-Marketing eine Rolle, insbesondere im klassischen Direktmarketing. Im Zuge der Digitalisierung verschwimmen die Grenzen zwischen den Kanälen. Kampagnen werden kanalübergreifend geplant, der Nutzer rückt in den Mittelpunkt. Im Idealfall erhält der Umworbene konsistente Botschaften über Kanalgrenzen hinweg. Dazu müssen Daten aus dem Offline-Targeting mit Online-Daten verknüpft werden. Die Ziehväter aus dem Marketing wollen diese Heirat, doch der Datenschutz ist mit seinem Segen zurückhaltend.
Das „Onboarding“ von Daten liegt in den USA im Trend. Ein auch als CRM-Retargeting bezeichnetes Verfahren ermöglicht es beispielsweise, passende Display-Werbung all jenen Nutzern auszuspielen, von denen eine E-Mail- oder postalische Adresse bekannt ist. Somit können klassische Direktmarketing-Zielgruppen auch mit Bannerwerbung angesprochen werden. Die gleiche Werbebotschaft kann einen Nutzer über Kanalgrenzen hinweg erreichen.
Onboarding-Firmen kooperieren dazu üblicherweise mit Portalen und Netzwerken, die Daten sammeln. So könnte ein Shopping-Portal neben den Cookie-Daten eines Käufers auch die dazu gehörige E-Mail-Adresse liefern. Möchte ein Marketer nun Kunden aus seiner Kundendatenbank via Display-Werbung ansprechen, erhält der Dienstleister vom Werbungtreibenden eine Liste mit entsprechenden E-Mail- beziehungsweise Post-Adressen und gleicht diese mit den dazu passenden Cookies aus seiner Datenbank ab.
Einwilligung des Nutzers zwingend erforderlich
Hierzulande ist ein solches Vorgehen aufgrund der strengen Datenschutzgesetze nicht ohne Weiteres möglich. „Jede Verknüpfung von zunächst anonymen Daten mit personenbezogenen Informationen ist eine Verarbeitung personenbezogener Daten, die einer Einwilligung bedarf, wenn keine gesetzliche Gestattung vorliegt“, erläutert Dr. Martin Schirmbacher, Fachanwalt für IT-Recht bei HÄRTING Rechtsanwälte in Berlin. Wie die Datenerhebung funktioniert und ob Klardaten in Cookies gespeichert oder weitergegeben werden, ist dem Experten zufolge in der Regel irrelevant. „Entscheidend ist, dass die Daten zusammengeführt und aus Sicht des Nutzers womöglich weitergegeben werden“, sagt Schirmbacher. Ein CRM-Retargeting könne nach deutschem Recht nicht ohne ausdrückliche Einwilligung des Nutzers erfolgen, so der Jurist.
Ein solches Opt-in könnte zeitgleich mit der Anmeldung oder dem Erstkauf im Shop erfolgen. „Es muss sich aber um eine echte Einwilligung handeln. Der Nutzer muss also erkennen können, worin er einwilligt“, betont Schirmbacher. Dies setzt eine transparente Einwilligungserklärung voraus. Ein bloßer Link auf AGB, in denen irgendwo ein kaum verständlicher Passus zum Datenschutz enthalten ist, genüge nicht, so der Experte.
Kritisch sehen Datenschützer und Juristen vor allem den Handel dieser Daten. So dürfen hierzulande Daten mit Personenbezug nur unter sehr eingeschränkten Voraussetzungen weitergegeben werden. Selbst eine vorab eingeholte Einwilligung des Nutzers wird Schirmbacher zufolge häufig nicht helfen, weil dem Nutzer klar sein muss, an wen die Daten weitergegeben werden. Wenn dies vorab nicht feststeht, dürfte die (alte) Einwilligung nicht ausreichen. „Ob eine Ausgestaltung denkbar ist, bei der das Matching der Daten anonym geschieht, muss im Einzelfall betrachtet werden“, so Schirmbacher.
Neue Ansätze fürs Neukunden-Marketing
Im Markt gibt es bereits interessante Ansätze, um Offline-Daten in die Online-Werbung zu integrieren. Der Datenriese Acxiom beispielsweise bezeichnet seinen datengetriebenen Targeting-Ansatz als „Collaborative Targeting“. Damit können Offline-Daten in digitale Display-Kampagnen integriert werden. Auch hier werden digitale Touchpoints zur postalischen Adresse der User genutzt, beispielsweise über die Kooperation mit Premium-Publishern, die hinter einer Log-in-Schranke Zugriff auf die Adressdaten ihrer Nutzer haben. Werden diese Publisher gebündelt, kann die große Mehrheit der Internetuser mithilfe von Offline-Daten gezielter angesprochen werden. Anhand der gezeigten Affinitäten lassen sich auch statistische Zwillinge ableiten. Somit kann dieses Verfahren nicht nur für Retargeting eingesetzt werden, sondern auch zur Neukundenansprache. Laut Anbieter werden alle Datenschutzkriterien erfüllt.
Einen reinen Retargeting-Ansatz verfolgt hingegen die Berliner Firma Remintrex. Das Start-up verlängert Online-Retargeting in den Briefkasten. Zeigt ein potenzieller Neukunde im Internet durch sein Surfverhalten – zum Beispiel durch den Besuch einer Website, das Betrachten bestimmter Produkte oder dem Abbruch des Warenkorbs – Interesse an den Services eines Unternehmens, kann er identifiziert und auf postalischem Weg angesprochen werden. Und zwar noch bevor er etwas gekauft oder sich registriert hat.
Damit dies möglich ist, kooperiert Remintrex mit Opt-in-Partnern, wie Marktplätzen, Publishern, Gewinnspiel- oder Freemail-Anbietern. Im Zuge der Registrierung stimmt der Nutzer dort den Retargeting-einschließenden Werbebestimmungen zu und verifiziert seine Daten im Double-Opt-in-Verfahren.
Auf der Website des Anbieters wird mit Hilfe des Cookies dann festgestellt, ob dieser User zuvor auf einer Partnerseite sein Double Opt-in für ein entsprechendes Retargeting gegeben hat. Der Opt-in-Partner verfügt sowohl über die postalische Adressinfo als auch über den zugehörigen Cookie. So kann der interessierte Onliner nun per Briefpost erneut angesprochen werden.
On- und Offline-Kanäle übergreifend planen
Auch bei der Arvato-Tochter AZ Direct wird eine Multichannel-Ansprache großgeschrieben. Der von AZ Direct und microm Micromarketing-Systeme und Consult entwickelte „bestchannelplanner“ liefert verfügbare Zielgruppenpotenziale für verschiedene Kanäle. Dabei handelt es sich um ein webbasiertes Tool, das die Neukundengewinnung in den Kanälen Mailing, Postwurfsendung, E-Mail und Online-Display-Werbung verbessern soll.
Das Besondere: Die Lösung kombiniert die Ergebnisse der Markt-Media-Studie „best for planning“ mit den Multi-Channel-Angeboten der AZ Direct. Der Partner microm liefert ein Adressbewertungsmodell und überträgt die Studie quasi in den Raum. Der Micro- und Geomarketingspezialist stellt dabei fest, welche Merkmale für eine bestimmte Zielgruppe typisch sind und sucht in seiner Datenbank entsprechende soziodemografische Zwillinge. Über die zugehörige Geoinformation dieser soziodemografischen Zwillinge können Gebäude oder Regionen identifiziert werden, in denen diese Zielgruppen mit hoher Wahrscheinlichkeit anzutreffen sind. Diese Geoinformationen nutzt AZ Direct, um Kampagnen gezielt über seine Potenzialdatenbank und damit verbundene Partner auszusteuern.
Im Audience-Targeting-System der AZ Direct ist zu jedem Datensatz die Information hinterlegt, auf welchem Kanal die jeweilige Adresse angesprochen werden darf – also ob sie beispielsweise über einen E-Mail-Partner aussteuerbar ist oder mit Display-Ads angesprochen werden kann. Beispielsweise bietet das Planungstool Zugriff auf 27 Millionen Unique User im Internet. „Wir können auch Adressen selektieren, die sich in drei oder sogar allen vier Kanälen ansprechen lassen. So können aufeinander aufbauende oder sich ergänzende Kampagnen kanalübergreifend geplant werden“, erläutert Peter Kothe, Vertriebsleiter Business Intelligence & Content bei AZ Direct. Aktuell rund sechs Millionen Adressaten lassen sich so gezielt in allen vier Kanälen umwerben.
Um den Datenschutz sicherzustellen, hat AZ Direct mit dem TÜV Rheinland das Data Secure TTP-System entwickelt – ein patentiertes Verfahren, das die anonymisierte Verknüpfung der AZ-Datenbanken mit den kanalspezifischen Potenzialdateien seiner Partner ermöglicht.
Auch im RTA wird verknüpft
Insbesondere Firmen aus dem klassischen Direktmarketing arbeiten daran, Internet-Daten mit Daten aus der klassischen Marketingwelt zu verknüpfen. „Wer kundenzentriert werben möchte, muss heutzutage auf beides zurückgreifen – Online- und Offline-Daten“, sagt Katrin Meier, Senior Sales Consultant bei der schober marketing group. Mit seinem neuen „Data Driver“ möchte Schober noch genaueres Online-Marketing ermöglichen. Kern der Lösung ist eine Data Management Platform (DMP), die aus verschiedenen Datenquellen gespeist wird. Auf der einen Seite fließen die Schober-Offline-Daten ein: postalische Adressen, E-Mail-Adressen, aber auch klassische Informationen wie Soziodemografien, Kaufkraft und Affinitäten gehören dazu. Diese Daten werden verschlüsselt und anonymisiert und sind nach Aussage von Schober nicht mehr auf eine bestimmte Person rückführbar.
Auf der anderen Seite fließen Informationen aus der Online-Welt in den Datenbestand der DMP. Dabei handelt es sich um sämtliche Daten, die via Cookie gesammelt werden. Für das Matching kommen die Daten von sogenannten Touchpoint-Partnern ins Spiel – dies können zum Beispiel Shopping-Portale sein, die sowohl über E-Mail-Adressen als auch über Cookie-Informationen verfügen.
Das Matching kann dann über zwei Arten erfolgen. „Zum einen können wir On- und Offline-Daten mithilfe der verhashten Daten unserer Touchpoint-Partner matchen. Zum anderen ist ein Matching auch rein über die E-Mail-Adresse möglich“, erläutert Meier. So befinden sich bereits im klassischen Schober-Datenpool sehr viele E-Mail-Adressen. „Werden On- und Offline-Daten nach dem gleichen Prinzip verhasht, lassen sich die zugehörigen Merkmale anschließend wieder andocken – verschlüsselt und völlig anonym“, erläutert Meier. Die zugehörige Datenverarbeitung erfolgt auf getrennten Servern. „Auch im Rahmen des strengen deutschen Datenschutzes kann kundenzentrierter und bedarfsgerechter geworben werden“, betont Meier.
Datenqualität wird wichtiger
Aus Sicht der Expertin wird künftig die Qualität der Daten eine entscheidende Rolle spielen. „Offline-Informationen können diese Qualität ins Online-Marketing einbringen“, so Meier. Denn während so manches Online-Targeting auf Hochrechnungen basiert, sind die Offline-Daten in der Regel sehr fundiert – mitunter sogar handerhoben. Entsprechend müssen Marketer für ein Online-Targeting auf Basis von Offline-Daten auf der Schober DMP höhere TKPs zahlen als für ein reines Online-Targeting.
Auch die Deutsche Post setzt auf die Verknüpfung von Off- mit Online-Daten. So haben die Tochterunternehmen Deutsche Post Direkt und nugg.ad eine Lösung entwickelt, mit der Daten aus der Offline-Welt (Post Direkt) mit Daten aus der Online-Welt (nugg.ad) statistisch synchronisiert werden. Nach Auskunft der Deutschen Post werden dabei zu keinem Zeitpunkt personenbeziehbare Daten verarbeitet.
Durch diese statistische Datensynchronisation entstehen Einsatzgebiete, die früher nicht denkbar waren. Zum Beispiel kann ein Anbieter mithilfe der nugg.ad-Technologie messen, welche User-Profile auf seiner Website surfen und welche Charakteristika entscheidend sind für einen Kauf eines Produkts. Diese Profile lassen sich dann bei Post Direkt einsetzen, um Zielgruppenpotenziale zu definieren und postalische Dialogmarketingimpulse zu setzen. Begleiten ließe sich dies in der Online-Welt mit der Targeting-Technologie von nugg.ad. Der Kreislauf wäre geschlossen. Man darf gespannt sein, welche Lösungen in diesem Jahr noch präsentiert werden. Die Verknüpfung von On- und Offline-Daten hat gerade erst begonnen.
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