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PERFORMANCE

Die Renaissance der (i)GRPs? Hoffnungsträger Multichannel-Tracking

Ron Warncke, 19. Mai 2014

Um eine echte crossmediale Planung zu erreichen und das gesamte Potenzial aus integrierten Online-Offline-Kampagnen zu entfalten, wird seit längerem seitens der Industrie eine übergreifende (medienunabhängige) Währung gefordert.
Aufgrund des weiterhin dominierenden Anteils von Offline-Kanälen an den Gesamtwerbeausgaben und der damit verbundenen hohen Bedeutung der Kennzahl GRP gehen die meisten Vorstöße in die Richtung, diese Währung auch auf den Online-Bereich zu übertragen, wo sie nie wirklich angekommen ist.

So wird jeder klassische Marketer eine treffsichere Definition von GRP geben können, mit Begriffen wie Reichweite, Frequenz und wichtigste Mediakennzahl. Online-Marketer oder Digital Natives haben hier schon eher Probleme. Es stellt sich also die Frage, was GRPs denn sind und warum deren Erwähnung bei Klassikern ein Glänzen in den Augen auslöst und bei Onlinern eher zu Achselzucken führt.

Auffrischung der GRP-Kenntnisse

GRPs ist die Abkürzung für Grass Rating Points, also die Bruttokontaktsumme oder genauer die Bruttoreichweite in Prozent innerhalb des Zielgruppenpotenzials. Sie misst somit den Werbedruck einer Kampagne, der zur Ansprache und Aktivierung eines Kunden aufgebaut wird, und gehört seit Jahrzehnten zu den wichtigsten Größen eines Mediaplanes.

Die Berechnung erfolgt anhand folgender Formel:

Also die Nettoreichweite in Prozent multipliziert mit der durchschnittlichen Kontaktanzahl/Frequenz, dem ein Kunde dem Werbemittel ausgesetzt wird. Liegt das Zielgruppenpotenzial bei 1,1 Mio. und werden davon 450.000 potenzielle Kunden durchschnittlich 3x mit einem Werbemittel erreicht, ergibt sich ein Werbedruck von 123 GRPs.

Eine Online-Maßzahl in Anlehnung an die klassische Währung, der iGRP

Ein sehr pragmatischer Weg für die digitale Größe ist alle über Online-Kanäle aggregierten Impressions ins Verhältnis zur Zielgruppengröße zu setzen und mit 100 zu multiplizieren. Im Gegensatz zur Berechnung in den klassischen Medien wurde also anstelle der Aufteilung in Nettoreichweite und Frequenz die Bruttoreichweite zur Berechnung herangezogen. Dies erfolgt aus Mangel echter Alternativen zu den Werten. Die Entwicklung der kanalübergreifenden Trackingmöglichkeiten der letzten Jahre liefert jedoch neue Impulse für ein Online-Äquivalent zur klassischen Währung. Durch die holistische Messung und Analyse der individuellen „Path to Purchase“ lassen sich die beiden relevanten Größen Reichweite und Frequenz crosskanal ausweisen.

Wie dies aussieht, zeigt das folgende Beispiel.

Berechnung des iGRP anhand von Multichannel-Tracking-Daten

Der iGRP ist die relative Reichweite in der Zielgruppe x durchschnittliche Kontakthäufigkeit. Für die Berechnung benötigt man folgende Informationen:

* Unique User, die im Kampagnenzeitraum über Werbemittel erreicht wurden
* durchschnittliche Kontakthäufigkeit in der User/Customer Journey
* Zielgruppengröße, die potenziell erreicht werden kann
Kennzahlen 1 und 2 lassen sich dabei direkt aus dem Multichannel-Tracking entnehmen. Werden also 250.000 Unique User über alle Online-Werbemittel im Kampagnenzeitraum erreicht, mit einer durchschnittlichen Penetrationshäufigkeit von 4 Kontakten, fehlt nur noch eine Kennzahl zur Berechnung. Die Zielgruppengröße bemisst sich ab der Positionierung des Unternehmens und den Kommunikationszielen. Vereinfacht kann hier die gesamte Online-Population herangezogen werden, besser ist aber das Potenzial seiner Zielgruppe, z. B. Frauen im Alter zwischen 25 und 35 Jahren mit einer hohen Modeaffinität, aus Markt-Media-Studien auszuzählen und um den Faktor der online Nichterreichbaren zu reduzieren. In unserem Fall läge das Potenzial an erreichbaren Personen bei 1,1 Mio. Usern.

Zusammengefasst ergibt sich nach der oben genannten Formel ein Werbedruck der geplanten Kampagne von:

Damit entwickelt die Online-Kampagne einen Werbedruck, gemessen in (i)GRP, von knapp 75 % der TV-Kampagne. Exkurs: Für eine Erweiterung der Kennzahl und einer Angleichung an die klassischen Metriken kann zusätzlich eine Berechnung auf Basis der Kontakte mit allen Push-Kanälen erfolgen.

Die Hebel für die Steigerung der (i)GRP

Vergleichbar zur Berechnung des Offline-Werbedrucks werden im Sinne einer „Source of Volume“-Analyse die Stellschrauben für den Werbedruck, Nettoreichweite und kanalübergreifende Kontaktfrequenz direkt ersichtlich. Da die Werte in der Regel ab einem bestimmten Niveau miteinander korrelieren, gilt es, die richtige Balance zu finden. Je nach Produkt, Markenstärke und Leistungsfähigkeit des Werbemittels haben sich verschiedene Richtwerte herauskristallisiert.

Da jede Erhöhung der (i)GRP mit Kosten verbunden ist, gemessen in Cost per Rating (CpR), gilt es, den Grenznutzen zu beachten:

Resultiert eine Ausweitung der Online- oder Offline-Werbeaktivitäten in zusätzliche Reichweite, also der Ansprache bisher nicht erreichter Konsumenten, oder führt das zusätzliche Investment zu einer Erhöhung der Kontaktfrequenz bei bereits erreichten Kunden?

Ist das Reichweitenpotenzial ausgeschöpft, schließt sich die Frage an, ob die gesteigerte Kontaktintensität auch zu einem höheren Output führt oder der bei Kunden gesetzte Werbereiz bereits seine Sättigung erreicht hat.

Da die GRP für den Offline-Bereich in den gängigen Planungstools auf Kampagnenebene berechnet werden können, dienen sie als Zielvorgabe, ob eine entwickelte Kampagne auch den anvisierten Werbedruck und den damit verbundenen Outcome erreichen kann, bzw. der Bewertung verschiedener Mediapläne.

Für die Berechnung der iGRP muss hingegen ein Multichannel-Tracking-System installiert werden, welches in der Regel cookiebasiert die Kampagnenkontakte auf Userebene misst. Durch die Echtzeitauswertung ist es hier möglich, die Kennzahlen Werbedruck, Nettoreichweite und Frequenz direkt während der Kampagnenlaufzeit zu optimieren. Ist der anvisierte Werbedruck zu gering, aber die optimale Kontaktintensität erreicht, im Allgemeinen 5 bis 6 Kontakte, so ist die Erweiterung um neue Kanäle oder Platzierungen zu empfehlen. Erreicht die Kampagne hingegen eine hohe Netto-Reichweite bei suboptimaler Kontaktintensität, ist die Erhöhung der Retargeting-Investition eine Option.

Kritik an der Übertragung des GRP auf die Online-Welt

Zu beachten ist, dass das Prinzip der GRP aus einer Zeit von vorwiegend Non-Response-Kanälen stammt. Im Online-Marketing, insbesondere im Performance-Bereich, hat sich jedoch folgendes Prinzip durchgesetzt:

Aufmerksamkeit ist gut, Relevanz ist wichtig, Aktivierung ist entscheidend.

Dies bedeutet eine hohe Anzahl an Werbemaßnahme ist geplant mit einer spezifischen Zielsetzung, der Aktivierung des Kunden. Welche Form diese annimmt und mit welcher Kennzahl sie gemessen wird, hängt von dem jeweiligen Kanal und dem gewünschten Ereignis ab. Man kann es auch allgemeiner als Engagement bezeichnen. Für eine Performance-Kampagne heißt Engagement häufig Sale, für ein Online-Video kann es der Besuch der Website oder auch das Ansehen weiterer Videos auf dem Youtube-Kanal sein. Diesem Grundprinzip folgend, haben sich für die digitalen Kanäle spezifische Kennzahlen herauskristallisiert. Die Währung GRPs berücksichtigt diese Beziehung nur indirekt. Aktivierung ist hier das Resultat aus Reichweite und Frequenz, was meistens, aber nicht immer gelten muss.

Fazit

Das Prinzip der GRP als übergreifende Kennzahl für die crossmedialen Werbeaktivitäten rückt durch das Multichannel-Tracking wieder stärker in den Vordergrund. Das Potenzial der iGRP liegt in einer durchaus gewinnbringenden Erweiterung des bestehenden Sets an relevanten KPIs, sowohl für Performance als auch digitale Brand-Kampagnen. Für eine crossmediale Leitwährung reicht dies jedoch nicht. Insbesondere für Branchen, die ihre Wurzeln außerhalb des E-Commerce haben, ist es aber ein Grund sich stärker mit dem Thema Multichannel-Tracking auseinanderzusetzen, um eine Kontinuität der Erfolgsmaße bei zunehmender Verschiebung von klassischen Branding-Budgets ins Digitale zu ordnen. Da zumindest mittelfristig nicht von einer sowohl die Online- als auch die Offline-Kanäle adäquat abbildenden und auch übergreifend gemessenen Kennzahl auszugehen ist, kommen Werbetreibende nicht an einem Einsatz zur Verbesserung der Planung, Messung und Optimierung von digitalen wie crossmedialen Kampagnen herum.

Über den Autor:
Ron Warncke ist seit Anfang 2013 für explido tätig, eine führende Agentur für digitales Marketing und Vertrieb und Teil des Dentsu Aegis Network. Als Stratege Customer Journey entwickelt er Kommunikationsstrategien, die konsequent auf die Konsumenten und deren Bedürfnisse abgestimmt sind. Durch innovative Beratungs- und Analyseansätze sichert er seinen Mandanten eine konsistente und effiziente Ansprache entlang des Path-to-Conversion. Unterstützt wird der Diplom-Kaufmann dabei durch ein hochspezialisiertes Analytics-Team. Vor dem Einstieg bei explido war er als Berater und Mitgründer von CuBe Matrix im Bereich Werbeeffizienz und Kundenverhalten für Mediaagenturen und Unternehmen aus den Bereichen Automotive, FMCG, eCommerce sowie Finance tätig.

Bild Ron Warncke Über den Autor/die Autorin:

Ron Warncke ist Stratege Customer Journey bei explido und berät Agenturkunden in der Crosschannel-Architektur und einer konsequenten Ausrichtung aller Kommunikationsmaßnahmen auf die Zielgruppen und deren Bedürfnisse. Seine Karriere startete der 33-jährige Diplom Kaufmann in der klassischen Markt- und Mediaforschung bei TNS Infratest bevor er als selbständiger Berater tätig wurde. Er verfügt über langjährige Erfahrung in den Online- wie Offlinemedien und tritt als Speaker bei zahlreichen Branchenevents zu diesem Thema auf.

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