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Shopzertifizierung – Googles neues Geschäft mit dem Vertrauen

Stefan Götz, 17. Dezember 2013

Google hat im November ein kostenloses Zertifizierungsprogramm für Online-Händler gestartet. Noch handelt es sich um ein Pilotprogramm. Sechs ausgewählte Shops erhielten nach erfolgter Prüfung auf der Webseite das Logo „Google Zertifizierter Händler“. Mit dem Google-Logo können die zertifizierten Shops beim Verbraucher um Vertrauen werben. Nicht überall stieß Googles neuer Service, der in den USA schon länger unter „Google Trusted Stores“ läuft, auf Gegenliebe. Einige Bewertungsportale sehen ihr Geschäftsmodell bedroht. Die meisten Shops lassen es noch links liegen und die Verbraucher? Die sehen langsam den Schilderwald vor lauter Siegel nicht.

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Das wusste schon der oberste Genosse Lenin. Freilich wusste er nicht um die wahren Nöte eines Online-Shoppers, der in diesen Tagen endlich ein Geschenk im Internet gefunden hat, allerdings in einem Webshop, in dem er noch nie eingekauft hat. Diesen plagen dann die typischen Fragen, weil ihm eben im Internet aufgrund fehlender physischer Näher die Kontrolle fehlt. Wird der Shop schnell genug liefern können? Was für einen Ruf hat der Laden? Wie kulant zeigt er sich gegebenenfalls in der Rückabwicklung. Wie haben andere diesen Shop und seine Produkte bewertet? Vertrauen muss ein Shop sich eben verdienen. Den Verbrauchern bleiben beim Erstkauf nur die Meinungen der anderen oder eben ein schmuckes Gütesiegel, vielleicht goldumrahmt mit Daumen hoch oder mit Häkchen – je nach Geschmack des Siegeldesigners.

Diese helfen den Shops dann, ihre Conversions bei Erstkäufern zu erhöhen. Und das ist auch das Hauptargument für die Shops, eine solche kostenlose Zertifizierung von Google über sich ergehen zu lassen: „Kunden wissen, wenn sie das ‚Google Zertifizierter Händler‘-Logo auf der Website eines Online-Shops sehen, dass sie dort bedenkenlos einkaufen können. Wir haben bereits 2012 in den USA Google Trusted Stores erfolgreich gestartet und gehen davon aus, dass auch die in Deutschland am Programm teilnehmenden Händler ihr Online-Geschäft steigern können”, so Brian Marquardt, Group Product Manager, von Google Shopping. Beim Pilotpartner fahrrad.de hat man keine Zweifel an den Vorteilen einer Google-Zertifizierung. „Das Siegel stellt dar, welche Performance unser Onlineshop liefert. Da diese sehr gut ist, geben wir die Info auch gerne an unsere Kunden weiter. Dadurch erwarten wir einen weiteren Conversionrate-Zuwachs“, so Hanna-Marie Mayer, Sprecherin für die internetstores GmbH, zu der fahrrad.de gehört.

Auf einem Blick Vertrauen schaffen

Um das “Google Zertifizierte-Händler”-Logo zu erhalten, müssen Shops wie fahrrad.de kontinuierlich die beiden Google-Kriterien “herausragender Kundenservice” und “zuverlässiger Versand” erfüllen. Dass Google bei der Prüfung weit mehr auf Algorithmen statt auf Manpower setzt, sollte klar sein. Das Logo wird dann auf der Website der Händler eingebunden. Und Google macht das wirklich gut. Wenn ein Nutzer die Maus darüberbewegt, erhält er auf einen Blick die wichtigsten Informationen zum Versand und Service des Händlers sowie zum kostenlosen Käuferschutz von Google. Aktiviert der Nutzer den Käuferschutz, will Google Unterstützung im Falle von Schwierigkeiten nach dem Online-Kauf anbieten. Dieser Schutz gilt allerdings nur für Bestellungen bis zu einem Maximalbetrag von 1.000 Euro, die ein Käufer im Laufe seines Lebens ausgibt. Ein Google+-Konto oder eine Gmail-Adresse benötigt der Einkäufer für den Käuferschutz übrigens nicht.

Ulrich Hafenbradl

Datenschutz der Angriffspunkt des Wettbewerbs

Google tritt in Europa nicht unter dem Namen „Trusted Stores“ auf. Das sei auf die „etablierte Marktstellung“ des Wettbewerbers Trusted Shops zurückzuführen, meint Ulrich Hafenbradl, Mitbegründer und Managing Director der Trusted Shops GmbH. Hafenbradl geht mit Googles „Zertifiziertem Händler“ hart ins Gericht. Für Google ginge es nur vordergründig um Vertrauen. Das System basiere auf einer massiven Weiterleitung von Daten, mehrheitlich ohne Einwilligung des Verbrauchers. Für welche Zwecke Google diese Daten noch verwendet, könne laut Hafenbradl überhaupt nicht gesagt werden. „Bei ‚Google Zertifizierter Händler‘ müssen Shopbetreiber komplette Orderdaten verpflichtend an das amerikanische Unternehmen weitergeben, wie z. B. Warenbezeichnung, Preise, Discounts, E-Mail-Adressen, Retouren etc. Online-Händler sollten sich daher überlegen, ob sie ihre Kundendaten für ihre Konversionssteigerung preisgeben und an ein Unternehmen mit Servern in den USA übergeben oder nicht. Denn wofür Google die Daten noch verwendet oder weitergeben muss, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden“, so der Mitbegründer von Trusted Shops.

Martin Schirmbacher

Shops mit sieben Siegeln

Inzwischen gibt es ein Meer an Zertifizierungsdiensten für Online-Shops. Neben Trusted Shops hat sich vor allem das Euro-Label des EHI Retail Institute etabliert. Seit Dezember bietet auch der Händlerbund e. V. aus Leipzig, immerhin ein Verband, der 28.000 Online- und eBay-Shops in Rechtsfragen unterstützt, ein eigenes Käufersiegel an. Hinzukommen Bewertungsdienste wie eKomi, um nur einige Marktteilnehmer zu nennen.
Ein Grund für die Siegelflut liegt in den rechtlichen Rahmenbedingungen. Grundsätzlich darf jeder sein eigenes Gütesiegel "erfinden". Allerdings kann die Verwendung von Gütezeichen, Qualitätskennzeichen oder Ähnlichem ohne die erforderliche Genehmigung irreführend und damit gegen das Wettbewerbsrecht verstoßen. „Dies bezieht sich jedoch nur auf unternehmens- oder produktbezogene Auszeichnungen, die aufgrund einer objektiven Prüfung vergeben und im Verkehr als Hinweis auf eine besondere Güte oder Qualität verstanden werden. Das Gütesiegel muss also Aussagen über allgemein objektivierte Standardanforderungen treffen. Gleichgültig ist dabei, ob die Vergabe durch staatliche oder private Stellen erfolgt. Es muss sich aber stets um ein Zeichen handeln, welches nur mit Zustimmung der vergebenden Stelle verwendet werden darf“, erläutert Rechtanwalt Martin Schirmbacher von Härting Rechtsanwälte in Berlin.

Julian Wirtler

Siegelanbieter müssen sich von Google abgrenzen

„Nur wenige Siegel sind wie ‚EHI Geprüfter Online-Shop‘ offiziell anerkannt, weil sie sich selbst einer Kontrolle unterwerfen, und werden deshalb vom Bundesministerium der Justiz empfohlen. Die Zertifizierung von Shops durch mehrere dieser empfohlenen Siegel kann dem Verbraucher Mehrwerte bieten, weil die Siegel durchaus unterschiedliche Schwerpunkte setzen“, sagt Julian Wirtler vom EHI Retail Institute.

Alle Zertifizierungsanbieter sind um eine klare Abgrenzung zu Google bemüht. Als eine „interessante Möglichkeit“ versteht Julian Wirtler vom EHI Retail Institut das neue Google-Siegel, um als Online-Shop beim Verbraucher für noch mehr Vertrauen zu werben. Eine Konkurrenz zum eigenen EHI-Gütesiegel sieht Wirtler im Google-Zertifikat nicht. Unser Siegel gibt dem Verbraucher in doppelter Hinsicht die Sicherheit: Einerseits garantiert das Siegel ‚EHI Geprüfter Online-Shop‘, dass der Shop regelmäßig durch Experten kontrolliert wird. Anderseits steht EHI den Verbrauchern mit seinem Beschwerde- und Streitschlichtungsverfahren zur Seite, falls doch einmal ein Problem beim Online-Einkauf auftreten sollte. Trägt ein Shop unser EHI-Siegel, weiß der Verbraucher, dass seine Rechte gewahrt sind.“

Auch beim Händlerbund glaubt man den Shops ein schärferes Profil bieten zu können. Die Zertifizierung durch den Händlerbund wird dort von 15 Juristen nach 130 Kriterien durchgeführt. Ein Zertifikat eines wirklich unabhängigen Instituts würde laut Händlerbundsprecherin Susanne Böttcher besser Vertrauen aufbauen können als das Zertifikat eines Global Players wie Google. Wirtler vom EHI Retail Institute sieht in der Datensicherheit und im Datenschutz ein weiteres wichtiges Abgrenzungskriterium zur eigenen kostenpflichtigen Siegellösung. „Bei Google zahlt der Shop mit den Daten. Datenschutz ist besonders in Deutschland ein sensibles Thema. Wir haben schon von einigen Shops das Feedback erhalten, dass sie sich aus diesem Grund nicht von Google zertifizieren lassen werden.“

Einige Online-Händler scheinen das weniger eng zu sehen. Frei nach dem Motto: Mehr Siegel, mehr Vertrauen, mehr Umsatz. „Wir planen, zukünftig auch das ‚Trusted Shops‘-Siegel und den Käuferschutz einzubinden, und setzen damit ein weiteres Zeichen für Transparenz, Sicherheit und Qualität im Kundenservice“, sagt Heiko Loy, Pressesprecher vom Online-Händler Pearl.de, die sich bereits „Google zertifizierter Händler“ nennen dürfen. Loy sieht im neuen Google-Zertifikat eine vertrauensbildende Maßnahme, um auch potenziellen Kunden einen sicheren Einkauf bei Pearl anbieten zu können. „Jeder Kunde soll mit dem Pearl-Online-Shop ein unkompliziertes und sicheres Einkaufserlebnis verbinden, was wir gerne mit den Siegeln unter Beweis stellen“, so Loy. Und bei fahrrad.de glaubt man ebenfalls an die Nutzung mehrerer Gütesiegel: „Wir glauben, einen guten Mix aus Zertifikaten auf fahrrad.de abzubilden, um das Vertrauen unserer Kunden in unseren Shop zu stärken“, so die Sprecherin Mayer.

Michael Ambros

Michael Ambros, Gründer und Geschäftsführer von eKomi findet Googles Zertifizierung – und das mag vielleicht überraschen – richtig gut. „Google möchte die besten Ergebnisse sichtbar machen und die schwarzen Schafe abstufen und die besten Händler bevorzugt behandeln. Wir als Bewertungstool tun im Ergebnis genau das Gleiche, indem wir die Bewertung für unsere Kunden einholen und sichtbar machen.“ Einen Wettbewerb sieht Ambros in der Google-Händler-Zertifizierung nicht. „Es mag hier und da Schnittmengen geben, aber wir sind Technologieanbieter und arbeiten über alle Branchen hinweg für Online-Shops, Versicherungen und Banken zusammen. Das ist gar nicht das Geschäftsmodell von Google“, sagt Ambros.

Bewertungen können in AdWords-Anzeigen einfließen

Ambros glaubt aber auch, dass es derzeit zu viele Siegel gibt. eKomi will selbst kein Siegelanbieter sein. „Wir sind nur dafür da, echte Nutzerbewertungen für unsere Kunden verfügbar zu machen. Auch Google nutzt unsere Bewertungen.“ Diese eKomi-Bewertungen können wie auch die anderen Bewertungen mit dem AdWords-Konto verknüpft werden, sodass diese Bewertungen beim Advertiser kostenfrei in der Suchmaschinenanzeige sichtbar werden. Dazu muss man aber als Shop bestimmte Anforderungen erfüllen. „Man braucht im Schnitt mindestens eine Benotung von 3,5. Außerdem müssen permanent gute Bewertungen reinkommen, mindestens 30 Positive in den letzten 12 Monate. Wer das nicht erfüllt, verliert die AdWords Sterne“, erläutert Ambros.

Indem Google neben den Informationen von Bewertungsplattformen nun auch die Bewertungen aus den „Google Trusted Stores“-Programm mit AdWords-Anzeigen verbindet, vollzieht der Suchmaschinenanbieter einen logischen Schritt, der ein Google-Zertifikat für Online-Shops langfristig unumgänglich erscheinen lässt.

Hafenbradl sieht Trusted Shops mit seinen 17.000 geprüften Online-Shops trotz Googles neuem Zertifikat gut aufgestellt. „Ob Google sich mit dem Modell durchsetzt, hängt daher davon ab, wie viel Datenschutz wir in Europa haben wollen. Der parallele Einsatz unterschiedlicher vertrauensbildender Maßnahmen im Online-Handel ist nicht neu. Nahezu jeder Shopbetreiber setzt beispielsweise gleich mehrere Paymentsysteme ein, um durch den Aspekt der sicheren Zahlung Vertrauen beim Verbraucher zu erzeugen. Auch nutzen Shopbetreiber oftmals mehr als ein Gütesiegel, um ihre Vertrauenswürdigkeit unter Beweis zu stellen“, sagt Hafenbradl.

Bild Stefan Götz Über den Autor/die Autorin:

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