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Customer Journey Tracking und die Fehlertoleranz

Ron Warncke, 22. Mai 2013

Ein Thema, das in der bisherigen Diskussion von Customer-Journey-Lösungen kaum Beachtung fand, ist der Umgang mit Ungenauigkeiten und Messfehlern. Eine Herausforderung für die Branche ist die schiere Masse an Daten und die sekundengenaue Zählung von Kampagnenkontakten, die eine Genauigkeit suggeriert, die so in keiner anderen Mediengattung verlangt werden würde. Dabei wurden die bestehenden Lücken im Tracking durch immer neue Entwicklungen zwar abgemildert, aber nicht vollständig geschlossen. Für Akteure im Multichannel-Tracking gilt es, diese Herausforderung offensiv anzugehen und die Diskussion offen zu führen.

Kritiker, die es bei diesem Thema zur Genüge gibt, fällt diesbezüglich vielleicht der Satz ein: „Die Geister die ich rief.“ Und nicht selten müssen sich Akteure des Customer Journey Trackings, insbesondere in der Diskussion mit klassischen Marketingservices, gegen den Ruf des Scharlatans anstelle des Datenmagiers, wie sich die Branche gerne selber sieht, wehren.

Unliebsame Phänomene, Device-Wechsel, Cookielöschungen, Mehrpersonennutzung oder Ad Visibility, wurden in der Vergangenheit nur defensiv angegangen und allenfalls bei stetiger Nachfrage der Werbetreibenden kamen sie auf die Agenda.

Für Akteure im Multichannel-Tracking gilt es, diese Herausforderung offensiv anzugehen und die Diskussion offen zu führen. Denn im Grunde ist es nicht neu, dass in der Effizienzmessung von Kampagnen oder dem Arbeiten mit großen Datenbeständen eine gewisse Unsicherheit über deren Güte besteht. In der Markt- und Mediaforschung hat man über Jahrzehnte gelernt, auch mit einer Ungenauigkeit umzugehen und Ergebnisse auf Basis von geringen Stichproben oder Verzerrungen durch die Qualität von Erhebungsmethoden in den richtigen Kontext zu bringen. Man hat gelernt, sich Hilfsmittel zur Validierung von Ergebnissen zu bedienen.

Was bedeutet aber das Akzeptieren von Ungenauigkeiten für das Customer Journey Tracking, und ebenso relevant das Attribution Modeling?

Als Anwender einer Customer-Journey-Lösung sieht man in der täglichen Arbeit die Vorteile eines modernen Marketingcontrollingtools, die wertvollen Insights zum Kampagnenmix und die Optimierungspotenziale, die sich aus den Daten herauslesen lassen. Lässt man Revue passieren, wie sich die Analysen in den letzten Jahren von einem Zählen von Kontakten in ein System operativer und strategischer Kampagnensteuerung entwickelt hat, hängt die Zukunft dieses Ansatzes nicht von einem zugegebenermaßen relevanten, aber nicht unlösbaren Phänomen einer gewissen Ungenauigkeit ab.

Um es wieder mit dem Bereich der Marktforschung zu vergleichen: Auch bei einem anhand eines ausgefeilten, mathematisch berechneten Forecast für ein Neuprodukt wird sich der erfahrene Researcher oder Marketer nicht auf das Prognosemodell allein verlassen, sondern weitere Befragungsergebnisse, Tabellen und Balkencharts zur Absicherung seiner Entscheidung heranziehen. Ähnliches gilt für das Customer-Journey-Reporting rund um die Ergebnisse eines Attributionsmodells. Sie füllen das Attributionsmodell mit Leben und zeigen auf, wo man als Marketingmanager oder Consultant genauer hinschauen sollte. Sie liefern die wirklichen „Actionable Insights“. Anhand dieser Reports und der Erfahrung von Analytikern und Marketingmanagern lassen sich die Ergebnisse auf Logik überprüfen. Der Einfluss der Ungenauigkeit ist hier näher bestimmbar und die Ergebnisse lassen sich auf ihre Signifikanz prüfen.

Ebenso hilfreich kann ein theoretisches Modell als Rahmen für die Bewertung von Marketingaktivitäten sein. Liegt dem Customer-Journey-Tracking ein derartiges Modell zugrunde, sind Werbetreibende und Agentur in der Lage, die Tracking-KPIs zusätzlich auf ihre Konsistenz zu prüfen und mit Zusatzinformationen anzureichern. Als theoretische Rahmen kommen hier Modelle aus dem Touchpointmapping und der Kaufprozesstheorie infrage.

Neben dem Reporting sollte ebenfalls das ins Relevant-Set aufgenommene Attributionsmodell auf den Prüfstand gestellt werden, ob es neben inhaltlichen Gesichtspunkten auch Ungenauigkeiten in der Messung der Touchpoints toleriert, bestenfalls sogar in der Lage ist, diese Ungenauigkeiten auszugleichen.

Gewichtet man den Anspruch an eine absolut sichere Messung aller ins Modell einzubeziehenden Kontakte besonders hoch, ist sogar das schwer gescholtene „Last Click“-Verfahren einer Gleichverteilung oder gar der beliebten Badewanne vorzuziehen. Kaum ein anderer Kontakt ist so genau messbar wie der letzte Klick vor der Conversion.

Um also dem „Last Click“-Verfahren den Rang abzulaufen, muss eine moderne Customer-Journey-Lösung auf zwei Säulen stehen. Auf der einen Seite wird ein Reporting zur Wirkungsanalyse der Maßnahmen und des Marketingmix angeboten, idealerweise in Kombination mit einem Partner, der bezüglich dieser Daten berät und Erfahrung in den verschiedenen Medienkanälen mitbringt. Auf der anderen Seite ein fundiertes Attributionsmodell, das sich neben einer realitätsnahen und nachvollziehbaren Abbildung der Wirklichkeit auch fehlerverzeihend bezüglich Ungenauigkeiten und nicht messbaren Touchpoints zeigt.

Eine Gruppe von Verfahren, die dieser Ungenauigkeit Rechnung tragen, sind die konzeptgesteuerten Phasenmodelle auf Basis des Kaufentscheidungsprozesses. Hierbei werden Kampagnen dafür vergütet, dass sie ihre Zielsetzungen im Kampagnenmix erfüllen. Es ist hierbei nicht entscheidend, ob die Kampagnenzielsetzung auf Awareness, Überzeugung oder einen Abschluss gerichtet ist. Soweit die Kampagne ihr Ziel erreicht, wird auch vergütet.

Was macht aber das Verfahren so fehlertolerant?

Wie beschrieben hängt bei diesen Ansätzen die Provisionierung nicht von dem Rang der zu bewertenden Kampagne ab oder ob schon 1, 2 oder mehr Kampagnen vor ihr konsumiert wurden, wie es bei dem klassischen Badewannenmodell der Fall ist. Vielmehr ist entscheidend, ob der Kontakt in der Lage ist, einen potenziellen Kunden in seiner Entscheidung weiter voranzutreiben. Wird also in der Zwischenzeit ein Kontakt gemessen, der für den User nicht sichtbar ist oder von ihm nicht wahrgenommen wurde, hat dies keine Auswirkung auf die Vergütung, da diese Kontakte im Normalfall auch nicht den Kunden auf seinem Weg zum Kauf antreiben werden. 

Zudem bedeutet ein auf Kaufphasen aufbauendes Modell nicht, dass ein Kunde auch alle Phasen im gut messbaren „Paid Media“-Bereich durchlaufen muss. Selbstverständlich gibt es auch andere Faktoren, die den Kunden in seiner Kaufentscheidung beeinflussen und im Entscheidungsprozess beschleunigen, die außerhalb des je messbaren Bereiches liegen. Im Phasenmodell würde der Kunde nach einem nicht messbaren Kontakt im nächsten Schritt seiner Journey aufgefangen werden, ob es in der Consideration-Phase ist oder unmittelbar vor dem Abschluss, im „Intent to Purchase“. Die messbaren Kontakte werden ordnungsmäßig vergütet und bei den nicht messbaren Kontakten weiß man durch das ergänzende Reporting, an welcher Stelle sie wirken und wie sie die Customer Journey beeinflussen. 

Fazit
Ungenauigkeit im Customer-Journey-Tracking ist demnach kein Grund für ein Infragestellen der grundsätzlichen Herangehensweise, sondern vielmehr eine Herausforderung für Dienstleister und Werbetreibender, damit umzugehen und den Controllingansatz dementsprechend auszurichten Eines scheint gewiss: Aufgrund der aufkommenden Diskussion um einen verschärften Umgang mit Cookies und eine damit einhergehende Anbahnung des „Finger Printing“ als Lösungsansatz werden wir auch in Zukunft Messfehler in der Customer Journey thematisieren müssen.

Über den Autor:
Ron Warncke ist als Senior Consultant Customer Journey für explido tätig und berät Unternehmen bezüglich ihrer Online Media Strategie sowie der konsistenten Ausrichtung aller Marketingmaßnahmen entlang der Customer Journey. Der Diplom Kaufmann verfügt über mehrjährige Erfahrung in der online und offline Werbewirkungs- und Kundenverhaltensforschung. Seine Karriere startete er bei dem internationalen Marktforschungs-institut TNS Infratest im Bereich Consumer & Retail.

Bild Ron Warncke Über den Autor/die Autorin:

Ron Warncke ist Stratege Customer Journey bei explido und berät Agenturkunden in der Crosschannel-Architektur und einer konsequenten Ausrichtung aller Kommunikationsmaßnahmen auf die Zielgruppen und deren Bedürfnisse. Seine Karriere startete der 33-jährige Diplom Kaufmann in der klassischen Markt- und Mediaforschung bei TNS Infratest bevor er als selbständiger Berater tätig wurde. Er verfügt über langjährige Erfahrung in den Online- wie Offlinemedien und tritt als Speaker bei zahlreichen Branchenevents zu diesem Thema auf.

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