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DISPLAY ADVERTISING

Technologie trifft Kreation

Karsten Zunke, 11. April 2013

Real-Time Advertising (RTA) – insbesondere das Real-Time Bidding (RTB) – verändert die Mediaplanung grundlegend. Da sind sich die Marktplayer einig. Auch große Vermarkter erkennen die Vorzüge des Echtzeithandels, geben Inventar dafür frei. Und sie beteuern: Nicht nur Restplätze sollen via RTB besser an den Mann gebracht werden, auch Qualitätsinventar stehe bereit. Immer häufiger werden Kampagnen mit Brandingzielen via Real-Time Bidding platziert. Das sollte auch die Kreativen herausfordern. Sie müssen die neue Dynamik in ihren Konzeptionen und Kreationen berücksichtigen.

„Ob Brandingkampagnen via RTB oder klassisch eingebucht werden – das ist für uns in der Kreation zweitrangig“, Sätze wie diesen hört man noch häufig, wenn man mit Kreativagenturen über die Herausforderungen im Display-Echtzeithandel spricht. Letztlich sei es der Werbekunde, der vorgebe, welche Zielsetzungen eine Kreation erreichen soll. Die Art der Preisfestsetzung und Auslieferung scheint für Kreative weniger relevant. Doch das könnte sich im Zeitalter von DSPs, SSPs und profilgesteuerten Kampagnenauslieferungen ändern.

Sven Weisbrich

„Real-Time Bidding ist zum wichtigen Thema geworden, weil es einen hohen Grad an Effizienz bietet. Die zugrunde liegende Technologie ermöglicht eine sehr abschlussorientierte Aussteuerung jeder einzelnen Ad Impression. Genau diese filigrane Zielgruppenselektion ist es auch, die RTB für Branding so interessant macht“, erläutert Sven Weisbrich, CEO bei Universal McCann (UM). So kann die zielgenaue Ansprache im Real-Time Bidding dafür sorgen, individuell relevanter und somit wirksamer zu werben. „Dass Branding nur als Umfeldbuchung funktioniert, gilt heute nicht mehr“, sagt Weisbrich. Zwar müsse die ‚Brand Safety’ gegeben sein, aber die Zielgruppe halte sich schließlich nicht nur dort auf, wo man sie gern hätte. Doch für das Real-Time Bidding gibt es noch Einschränkungen. Reibungslos funktioniert es bisher nur mit dem Universal Ad Package. Zwar gibt es auch erste DSPs, die RTB mit animierten Werbemitteln erlauben, aber die kreativen Freiheiten wie bei klassischen Buchungen gibt es nicht. Noch nicht.

Damian Rodgett

„Branding funktioniert aber auch mit Standardbannern sehr gut“, betont Damian Rodgett, Managing Partner pilot Screentime. Nach seiner Ansicht sind Brandingziele allein über Real-Time Advertising jedoch nur schwer zu erreichen, so brauche man auch immer passende Umfelder, um die Marke zu schützen. „Brandingwerbung ist mittlerweile oft eine Mischung aus TKP-Buchungen für Premiumplatzierungen und flankierender RTB-Auslieferungen“, so Rodgett. Lässt sich das gleiche Umfeld auch über eine Trading-Plattform erreichen, sei es oft der Preis, der über die TKP- oder RTB-Einbuchung entscheide, sagt Rodgett.

Manfred Klaus

Dynamische Kreationen helfen dem Branding

„Standardbanner sind nicht die perfekten Brandingwerbemittel, aber in Ergänzung mit anderen lassen sich die RTB-tauglichen Formate gut in Brandingkampagnen integrieren“, sagt Manfred Klaus, Geschäftsführender Gesellschafter plan.net. Als weiterer interessanter Aspekt für RTB-Branding-kampagnen könnte sich aus seiner Sicht die Dynamisierung der Kreation erweisen. Denn: In einer breit eingekauften Reichweite ist die Chance groß, bestimmte Interessenten wiederzufinden. „Über die Banner-Frequency ist ein Storytelling möglich. Im Sinne einer Produktdynamisierung können verschiedenste Daten integriert werden“, sagt Klaus, der dynamische Werbemittel auch im Real-Time Bidding bei Brandingzielen als sinnvoll ansieht.

Schon heute sind dynamische Kreationen in Bannerkampagnen häufig anzutreffen – außerhalb von RTB. Headline, Text und Stimmungsbild werden dabei dynamisch auf eine fein gegliederte Zielgruppe ausgespielt. Je nach Alter, Geschlecht, Interessen oder Profileigenschaften können den Betrachtern unterschiedliche Werbemotive angezeigt werden, die alle die gleiche Kernbotschaft transportieren, aber dem individuellem Betrachter gerecht werden.

„Im Rahmen eines Real-Time Bidding stehen die Beschränkungen der Werbemittel einer Dynamisierung der Kreation allerdings noch entgegen“, sagt Klaus. So ist das Dateigewicht begrenzt, Animationen sind nur bedingt möglich und die Motive müssen 24 Stunden vor Auslieferung vorliegen. „Man bringt dynamisierte Kampagnen schlecht in Exchanges unter“, so Klaus. Doch das muss nicht so bleiben, glaubt der Experte. Marktbeobachter gehen davon aus, dass RTB sich auch für weitere Brandingformate öffnen wird.

Unterzielgruppen und aufbauende Botschaften

Eine Dynamisierung der Kreation stellt generell neue Anforderungen an Kreation und Konzeption. „Die Herausforderung für Kreative ist, dass sie nicht mehr nur in einer Kreationslinie denken dürfen, sondern ein Kreationskonzept haben müssen, dass auch auf Subzielgruppen abstellt. Außerdem sollte man in der Lage sein, mit einer bestimmten Menge an Kontakten innerhalb der Kampagne eine Geschichte zu erzählen“, so Klaus.

Auch Weisbrich sieht in dynamischen Kreationen großes Potenzial. „Storytelling ist im Ad Trading technologisch möglich und inhaltlich sinnvoll“, sagt der UM-Chef. So lassen sich Zielgruppen sehr feingliedrig segmentieren und mit Regeln intelligente Auslieferungsmechaniken hinterlegen. Wenn jemand wiederholt auf eine bestimmte Botschaft nicht reagiert, kann im nächsten Schritt die Ansprache verändert und dem User beispielsweise ein stärkeres Incentive oder ein anderes Produkt dieses Anbieters angezeigt werden, das ebenfalls zum Userprofil passt. Für Weisbrich macht eine Unterscheidung zwischen Branding- und Responsezielen dabei immer weniger Sinn: „Dass beim Real-Time Bidding jede Abschlussthematik auch eine Brandingwirkung mit sich bringt, liegt daran, dass man stets die richtige Zielgruppe anspricht.“ In einer Kontaktabfolge müsse daher immer die Marke sichtbar sein und der Grundtenor ihrer Botschaft transportiert werden. Innerhalb des Verlaufs eines solchen „User-Flows“ könne man dem Nutzer Anstöße geben, die ihn ein Stück weiter zum Kampagnenziel bringen.

Back to the roots

„Wir führen im Markt eine viel zu technokratische Diskussion“, sagt Weisbrich. Entscheidend sei es, den Nutzer mit relevanten Markenbotschaften im Sales Funnel weiterzuführen. „Die Zielausrichtungen nach Werbeerinnerung und Transaktion können dabei über die Inhalte der Kommunikation vorgenommen werden. Die eingesetzte Technologie und die Methodik des Einkaufs bilden dafür die Grundlage. Nicht mehr, aber auch nicht weniger“, so Weisbrich.

Storytelling setzt voraus, dass der Nutzer eine bestimmte Kontaktdosis garantiert erhält, ansonsten bricht die Geschichte in ihrem Aufbau ab. Cookie-Löscher und Gerätewechsler kommen nicht in den Genuss solcher intelligenten Kampagnen. An einer kontaktklassenorientierten Kampagnensteuerung scheiden sich bereits im Nicht-RTB-Geschäft die Geister. Während Storytelling-Skeptiker wie Rodgett vor hohen Kreations- und Adserving-Kosten warnen – „die Kosten stehen in keiner Relation zum Nutzen“ –, verweisen die Befürworter auf kostengünstige dynamische Bannergenerierungstools und die hohe Werbewirkung.

Eines scheint sich in Zeiten eines immer stärker automatisierten und individualisierten Echtzeit-Advertisings aber herauszukristallisieren: Wenn Touchpoints zunehmend mit dynamischen, zum Profil passenden Botschaften bespielt werden, muss vielfältiger konzipiert werden. Ein solcher Touchpoint wäre damit künftig mehr, als ein schnöder Sichtkontakt zwischen Interessent und Werbemittel. An diesem Kontaktpunkt treffen künftig Technologie, Kreation und Media zusammen. Gemeinsam könnten sie dort einen ganz neuen Dreiklang der Werbewirkung erzeugen.

Bild Karsten Zunke Über den Autor/die Autorin:

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