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SEARCH MARKETING - RECHT

Online-Marketing und Recht – Was war 2012? Was wird 2013?

Martin Schirmbacher, 20. Dezember 2012

Und wieder geht ein aufregendes Online-Marketing-Jahr zu Ende. Auch in rechtlicher Sicht gab es einige Überraschungen, sodass es sich auch in diesem Jahr lohnt, gleichzeitig zurückzublicken und vorauszuschauen auf 2013. Der folgende Beitrag beschäftigt sich mit rechtlichen Entwicklungen in allen wesentlichen Bereichen des Online-Marketings.

Was war 2012?

1. Search Engine Advertising: Die wesentlichen Rechtfragen beim Keyword-Advertising insbesondere zum Brandbidding scheinen geklärt. Dennoch hat es einige neue Urteile gegeben, die weiteren Aufschluss geben.

Ganz frisch ist eine BGH-Entscheidung zum Broad Match (BGH vom 13.12.2012, Az. I ZR 217/10 – MOST-Pralinen. Wird ein Gattungsbegriff als Keyword bei Google gebucht und wird bei gleichzeitiger Eingabe dieses Begriffs und einer fremden Marke in die Suchmaske die Anzeige des Werbers eingeblendet, stellt dies keine Verletzung der Marke dar. Beim Keyword-Advertising hat der BGH eine Markenverletzung für grundsätzlich ausgeschlossen erklärt, wenn die Anzeige selbst weder die Marke enthält noch auf den Markeninhaber oder dessen Produkte hingewiesen wird. Auch Broad Match ist damit im Grundsatz zulässig.

Der EuGH hat im April 2012 über die internationale Zuständigkeit bei grenzüberschreitenden Streitigkeiten über die Verwendung von Keywords entschieden (Urteil vom 19.4.2012 – Az. C-523/10 – Wintersteiger). Angerufen werden kann das zuständige Gericht desjenigen Mitgliedstaates, in dem die vermeintlich verletzte Marke eingetragen ist, oder das Gericht des Mitgliedstaates, in dem der Werbende seinen Sitz hat.

Problematisch bleibt die Verwendung der fremden Marke in der Anzeige selbst. Das OLG Hamm hat einen Online-Händler verurteilt, wobei die Werbung nicht von ihm, sondern einer beauftragten Preisvergleichsplattform geschaltet wurde (Urteil vom 13.9.2012, Az. I-4 U 71/12). Der Händler hatte die beworbene Marke nicht im Programm, sodass es keine Rechtfertigung für die Verwendung der Marke in der Anzeige selbst gab. Wichtig zu wissen: Wer Agenturen oder Plattformen ins Boot holt, muss wissen, dass nach außen fast immer der Werbetreibende selbst haftet.

2. Suchmaschinenoptimierung: Bekanntlich ist die Verwendung fremder Namen und Marken im nicht sichtbaren Teil der Website problematisch. Die Rechtsprechung ist hier deutlich strenger als bei der Verwendung der gleichen Zeichen als Keywords bei SEA. Allerdings ist nicht jede Verwendung eines fremden Namens per se eine Rechtsverletzung. Insbesondere ist die Nennung des Namens einer Person im Quellcode der Seite bei gleichzeitig kritischer Auseinandersetzung mit der Person von der Meinungsfreiheit gedeckt, wenn die Grenze zur Schmähkritik nicht überschritten ist (OLG München vom 9.2.2012, Az. 6 U 2488/11).

Bemerkenswert ist ein Urteil des LG Amberg, weil es sich mit einem SEO-Vertrag und der angeblich mangelhaften Leistung des Dienstleisters beschäftigt (LG Urteil vom 22.8.2012, Az. 14 O 417/12). Der beauftragte SEO-Dienstleister sollte Backlinks generieren. Der Kunde war unzufrieden und meinte, dass es zum einen zu wenig Links, zum anderen größtenteils in schlechten Umfeldern oder in Blog-Kommentaren ohne entsprechende Ankertexte gewesen seien. Das Gericht wies die Klage auf Rückabwicklung des Vertrages jedoch größtenteils ab. Wenn nichts anderes ausdrücklich vereinbart sei, könne nicht erwartet werden, dass die Links ausschließlich in themenrelevanten Umfeldern platziert würden.

3. Social-Media-Marketing: Die Werbung mit und in Social Media hat nun endgültig auch die Juristerei erreicht. Nachdem es 2011 schon das erste Urteil zu der Frage gab, ob und wie ein Impressum in Social-Media-Präsenzen eingebunden sein muss, verlagert sich die Rechtsprechung nun weiter.

Das Landgericht Stuttgart hat den Betreiber einer Facebook-Unternehmensseite für Urheberrechtsverletzungen von Dritten zur Verantwortung gezogen, weil er trotz Kenntnis einer Urheberrechtsverletzung das beanstandete Foto nicht entfernte (Urteil vom 20.7.2012, Az. 17 O 303/12). Ein Unbekannter hatte ein urheberrechtlich geschütztes Foto auf der Unternehmenspräsenz auf Facebook geteilt.

Ein brisantes Thema ist neuerdings Schleichwerbung in sozialen Netzwerken. Nachdem einige bekannte Sportler im Auftrag von Nike twitterten, ohne dies kenntlich zu machen, forderte die britische Wettbewerbsbehörde zur Löschung auf.

Auch in Deutschland ist das nicht erlaubt. Die Verschleierung geschäftlicher Handlungen ist verboten. Zum Verhängnis geworden ist das einer Rechtsschutzversicherung, deren Mitarbeiter in einem thematisch passenden Blog lobpreisende Kommentare über seinen Arbeitgeber verfasste, ohne kenntlich zu machen, dass er nicht gänzlich unbefangen war (LG Hamburg vom 24.4.2012, Az. 312 O 715/11).

4. E-Mail-Marketing: Paukenschlag zum Jahresende im E-Mail-Marketing: Das OLG München hat entschieden, dass eine Check-E-Mail im Rahmen eines Double-Opt-in-Verfahrens als Werbung einzustufen ist und deshalb eine Einwilligung des Empfängers nachgewiesen werden müsse (Urteil vom 27.9.2012, Az. 29 U 1682/12). Dieser Nachweis kann natürlich nicht gelingen, weil die Bestätigungs-E-Mail gerade zur Verifizierung der erhobenen Adresse diente. Das Urteil stellt damit das Double-Opt-in-Verfahren insgesamt infrage. Das Urteil ist zu recht allerorten kritisiert worden. Es ist falsch, bringt aber Unsicherheit, weil allein der juristische Ratschlag bleibt, sich davon nicht verunsichern zu lassen und mehr oder weniger weiter zu verfahren wie bisher – der BGH wird’s richten.

Eine Entscheidung des LG Coburg (Urteil vom 17.2.2012, Az. 33 S 87/11) war hingegen erfreulicher Natur. Feedback-Anfragen sind nicht als Werbung qualifiziert worden, sondern stellen nach Ansicht des Gerichts einen Service für die Kunden dar. Einmalige Anfragen per E-Mail zur Kundenzufriedenheit gehören zur Kaufabwicklung, sodass keine explizite Einwilligung des Kunden erforderlich sei.

Außerdem hat eine angebliche Novelle des Datenschutzrechtes (BDSG) zum 1.9.2012 viele Fragen aufgeworfen und wahrscheinlich zu vielen Datenschutz-Audits geführt. Allerdings ist lediglich die letzte Umsetzungsfrist einer alten Gesetzesänderung abgelaufen, die lediglich den Gebrauch von Listendaten in der Direktwerbung einschränkte. Für das E-Mail-Marketing hat sich dadurch nichts verändert. Nach wie vor ist eine ausdrückliche Einwilligung des Nutzers erforderlich.

5. Tracking und Cookies: Tracking-Tools lösen datenschutzrechtliche Probleme aus. Insbesondere an der Frage des Personenbezugs von IP-Adressen scheiden sich die Geister. Zwar hat der EuGH eher nebenbei im Fall von Access-Providern Ende 2011 in einer Entscheidung den Personenbezug bejaht (EuGH Urteil vom 24.11.2011, Az. C-7/10), aber ist darin noch keine generelle Aussage zu sehen. Beim Website-Tracking bleibt es daher bei der unsicheren Rechtslage. Eine endgültige Klärung gab es bisher nicht.

Auf europäischer Ebene besteht eine sog. „Cookie-Richtlinie“ (2009/136/EG), die bis Mai 2011 hätte umgesetzt werden müssen. Der deutsche Gesetzgeber hat dies selbst 2012 noch nicht geschafft. Deshalb kann nun davon ausgegangen werden, dass die Richtlinie unmittelbar Anwendung findet, da die Regelungen laut Datenschützern hinreichend bestimmt sind.

6. Affiliate-Marketing: Im Bereich des Affiliate-Marketings hat sich 2012 nicht viel getan. Seit der BGH-Entscheidung zur Haftung eines Merchants für die Wettbewerbsverletzungen seines Affiliates (BGH vom 17.8.2011, Az. I ZR 134/10) scheint Klarheit zu bestehen.

7. E-Commerce und Online-Shops: Die meist diskutierte Änderung für Shop-Betreiber war 2012 die sogenannte Button-Lösung. Gemäß § 312g BGB muss die Zahlungspflichtigkeit aller Online-Angebote erkennbar sein und Verbraucher sind vor Vertragsschluss zusätzlich zu informieren. Das hieß vor allem, dass alle Shop-Betreiber die Bestellen-Buttons in „zahlungspflichtig bestellen“ oder „kaufen“ umbenennen mussten, wollen sie nicht riskieren, dass die mit den Verbrauchern geschlossenen Verträge unwirksam sind.

Im Rahmen der Tätigkeit von Online-Shops kommt es tagtäglich zu Streitigkeiten. Dies spiegelt sich auch in der Fülle der dazu ergangenen Gerichtsentscheidungen wider, was an dieser Stelle den Rahmen allerdings sprengen würde. Beispielhaft ist deshalb nur das Urteil des OLG Bremen zu nennen, in dem die Angabe einer „voraussichtlichen Lieferzeit“ für unzulässig erklärt wurde (Urteil vom 5.10.2012, Az. 2 U 49/12).

Was wird 2013?

1.Search Engine Advertising: Schon in diesem Jahr wurden die gerichtlich entschiedenen Sachverhalte zum Keyword-Advertising immer diffiziler und komplexer. Es ist davon auszugehen, dass sich dieser Trend weiter verstärkt. Zwar besteht jetzt auf dem Papier grundsätzliche Klarheit (wobei die Begründung des BGH zum Broad-Match-Urteil mit Spannung erwartet werden darf), unter welchen Voraussetzungen mit einer Marke oder dem Namen eines Wettbewerbers Keyword-Advertising betrieben werden darf, doch steckt der Teufel im Detail.

Dürfen Preissuchmaschinen, Shoppingportale oder Auktionshäuser Marken auch im Anzeigentext verwenden? Die Fälle sind vielfältig, hier wird es sicherlich weitere Urteile geben.

Auch Konstellationen, in denen sich ein Wettbewerbsverstoß aus der Anzeige selbst ergibt, werden uns vor den deutschen Gerichten im Jahr 2013 begegnen. Ob Preisangaben oder Lieferzeiten, ob Details zu einzelnen Produkten – die Möglichkeiten, mit AdWords-Anzeigen rechtliche Fehler zu machen, sind vielfältig und weiterhin klärungsbedürftig.

Eine weitere Konstellation betrifft das Verhältnis des Herstellers zu seinen Händlern. Es ist abzusehen, dass sich Reseller gegen Vorgaben, die Marke im Keyword-Advertising nicht zu verwenden, zur Wehr setzen werden. Hier hielte dann das Kartellrecht Einzug in das Suchmaschinenmarketing.

2. Suchmaschinenoptimierung: Es ist nur eine Frage der Zeit, bis eine Agentur, ein Werbekunde oder ein Blogbetreiber wegen gekaufter Links verklagt wird. Wer sich erwischen lässt und die Angelegenheit nicht außergerichtlich aus der Welt bekommt, muss nicht nur mit dem PR-Desaster, sondern womöglich auch einem Urteil gegen sich rechnen.

Es ist zu erwarten, dass Markeninhaber gute Karten haben, wenn Wettbewerber mit zweifelhaften Methoden bei der Suche nach der anderen Marke besser gelistet sind. Dabei wird es darauf ankommen, dem Gericht Einblick in die Funktionsweise der verschiedenen Rankingfaktoren zu geben.

3. Social-Media-Marketing: Twitter, Facebook und Co. werden auch 2013 vorrangige Kommunikations- und Werbeplattformen sein. Dabei werden sich immer wieder neue Rechtsfragen stellen. Zu hoffen ist, dass Datenschutzbedenken direkt zwischen den Behörden und den sozialen Netzwerken geklärt werden und nicht wieder Unternehmen, die die Angebote nutzen, ins Fadenkreuz der Datenschützer geraten.

Ansonsten muss man kein Prophet sein, um diverse marken-, urheber- und wettbewerbsrechtliche Streitigkeiten im Zusammenhang mit den sozialen Netzwerken zu prognostizieren. Dabei werden Facebook, Twitter und andere Social Networks einerseits nur Medium der Rechtsverletzung sein. Bestimmte Besonderheiten gibt es aber nun einmal nur dort, sodass Juristen hier weiterhin Neuland betreten werden (müssen).

4. E-Mail-Marketing: Das oben dargestellte unerfreuliche Urteil des OLG München zum Double-Opt-in ist im Ergebnis falsch und wird von Juristen einhellig abgelehnt. Es bleibt zu hoffen, dass es schnell klarstellende Rechtsprechung gibt, die der Branche die Sicherheit zurückgibt.

Doch auch über das Double-Opt-in-Verfahren hinaus sind Urteile zu erwarten. Mögliche Themenfelder sind zum Beispiel: personalisierte Newsletter, Reminder-E-Mails an Kaufabbrecher, Werbung in Transaktions-E-Mails, Co-Sponsoring und das Erlöschen von Einwilligungen – in vielen Einzelfragen besteht bis heute keine gerichtliche Klärung zur Zulässigkeit.

5. Tracking und Cookies: Ob es 2013 einen Fortgang in Sachen Cookies geben wird, ist ungewiss. Solange die Bundesregierung auf ihrem Standpunkt bleibt, dass eine detailliertere Umsetzung der EU-Richtlinie nicht nottut, ist auf gesetzgeberischer Ebene nichts Neues zu erwarten. Unter Umständen geht es mit den selbstregulatorischen Ansätzen noch einen Schritt weiter. Unternehmen, die über die Grenzen Deutschlands hinaus tätig sind, müssen die Rechtslage im Ausland aber genau im Blick haben. In vielen Ländern gelten deutlich strengere Gesetze als hierzulande.

6. Affiliate-Marketing: Beim Affiliate-Marketing scheint zunächst Ruhe eingekehrt zu sein. Für die Branche wäre gut, wenn dies so bliebe. Wichtig ist weiterhin, dass Advertiser über die Netzwerke klare Regelungen mit den Publishern treffen. Die Haftung nach außen für Handlungen der Publisher lässt sich nur bedingt begrenzen, klare Vorgaben können aber im Innenverhältnis für Klarheit (und Schadensersatz) sorgen.

7. E-Commerce und Online-Shops: Die neue Verbraucherrechterichtlinie muss vom Gesetzgeber bis zum 13.12.2013 umgesetzt werden (Richtlinie 2011/83/EU). Die Richtlinie schafft EU-weit einheitliche Standards. Zwar werden die Änderungen erst Mitte 2014 in Kraft treten, es lohnt jedoch, sich rechtzeitig zu informieren.

Darüber hinaus bleibt abzuwarten, ob Beschränkungen des Online-Vertriebs durch Hersteller tatsächlich durchgesetzt werden, wie dies zum Beispiel Adidas für 2013 für den Vertrieb auf eBay und Amazon angekündigt hat. Die rechtliche Zulässigkeit einer solchen Beschränkung hängt stets vom jeweiligen Vertriebssystem ab und muss daher im Einzelfall untersucht werden. Es bleibt abzuwarten, wie ernst es den Herstellern mit der Durchsetzung ist und ob Prozesse geführt werden. Wahrscheinlich ist dies.

Über den Autor:
Dr. Martin Schirmbacher ist Fachanwalt für IT-Recht bei Härting Rechtsanwälte in Berlin. 2010 erschien sein Praktikerhandbuch "Online Marketing und Recht".

Bild Martin Schirmbacher Über den Autor/die Autorin:

Dr. Martin Schirmbacher ist Fachanwalt für IT-Recht bei Härting Rechtsanwälte in Berlin. 2010 erschien sein Praktikerhandbuch "Online Marketing und Recht".

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