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ANALYTICS

Her mit den alten Zöpfen – ein Plädoyer für die Customer Experience

Timo von Focht, 27. Februar 2012

Verfolgt man derzeit die Diskussion über die Optimierung von Webauftritten und Online-Shops, fällt immer wieder der Begriff der „Customer Journey“. Möglichst „in Echtzeit“ soll beispielsweise abgebildet werden, woher ein Online-Kunde kam, von welchem Kontaktpunkt aus die Kaufentscheidung getroffen und über welche Wege der Kaufprozess, hoffentlich erfolgreich, abgewickelt wurde.

Diese Daten sind sicher hilfreich und gut. Aber ist die Customer Journey wirklich der Stein der Weisen? Verlassen wir kurz einmal die Online-Welt und stellen uns die Frage, ob es dem Betreiber etwa eines Nike-Shops etwas bringt, zu wissen, dass ein Kunde vorher ins Schaufenster eines Adidas-Geschäfts geblickt hat, wenn er dieses Wissen nicht nutzt, um das eigene Schaufenster- und Ladendesign ständig zu verbessern. Mit anderen Worten: Wenn das Kauferlebnis im eigenen Geschäft so unwiderstehlich und so komfortabel wie möglich gestaltet wird, sodass ein Besucher gerne kauft, wiederkommt und idealerweise den Laden weiterempfiehlt, dann ist ein Ziel eines jeden Unternehmens erreicht: Man hat einen loyalen Kunden gewonnen und damit Kosten im Verhältnis zum Umsatz optimiert.

Off- und Online geht es um dasselbe – je positiver ein Besuch, desto stärker und nachhaltiger sind die Kundenbindung und -loyalität. Die tragende Säule einer nachhaltigen Optimierung von Online-Auftritten sollte daher die fortlaufend gezielte und kontrollierte Verbesserung der Kundenerfahrung sein.

Das Prinzip des „Customer Experience Managements“ beschreibt nichts anderes. Und dieses Prinzip ist vergleichsweise alt – erste Veröffentlichungen dazu erschienen schon Ende der 90er-Jahre, etwa im Harvard Business Review – und wurde in den ersten Jahren des Millenniums in die Online-Welt übernommen, Stichworte sind hier Usability und User-Centered Design. Mit der steigenden Anzahl an Online-Marketing-Kanälen wuchs die Sensibilisierung für die Verschiedenheit der Besucher und Kunden. Damit wuchs das Interesse an der Customer Journey – aus dem Wissen über die Online-Herkunft der Besucher will man Entscheidungen ableiten, wie diese angesprochen werden sollten. Wie aber berücksichtigt man die Verschiedenheiten von Besuchern auf der Website und schafft den Brückenschlag vom User Centered Design nach der Devise „One-Size-Fits-All“ zum individuellen Kundenerlebnis? Die Antwort ist die fortlaufende Optimierung dieses Kundenerlebnisses auf der Basis des Onsite-Verhaltens der Besucher.

Ein immerwährender Prozess

In Bezug auf die Optimierung der Customer Experience gibt es eine gute und eine schlechte Nachricht. Der Prozess, das ist die schlechte Nachricht, ist nie zu Ende, man ist nie fertig. Schließlich sind Kundenerwartungen und -verhalten nicht in Stein gemeißelt, das Angebot muss immer wieder aktuellen Entwicklungen angepasst werden. Die gute Nachricht ist: Mit den geeigneten Technologien und dem entsprechenden Know-how ist die fortlaufende Optimierung effizient durchführbar.

Um den Besuchern ein möglichst positives Kauferlebnis zu bieten, gilt es, insbesondere die folgenden Aspekte zu berücksichtigen:

  • Inhalte und Angebote sollten den Kundeninteressen entsprechend personalisiert werden.
  • Relevante Inhalte sollten attraktiv gestaltet werden.
  • Der einfache Zugriff auf die jeweils benötigten Informationen muss sichergestellt werden.
  • Die Bestell-, Bezahl- und Lieferprozesse müssen transparent und reibungslos gestaltet sein.
  • Den unterschiedlichen Besuchern müssen mehrere Möglichkeiten der Kontaktaufnahme zur Verfügung stehen.

Ein Bild von einem Kunden

Ein Eckpfeiler der Customer Experience ist die Personalisierung der Inhalte. Der erste Schritt dabei ist die unterschiedliche Ansprache von Besuchersegmenten und Kundentypen, also von „One-Size-Fits-All“ zu „Some-Sizes-Fit-Many“.

Wer sich nicht ausschließlich auf bloße Daten verlassen möchte, kann sich in Form von Personas – das sind beispielhafte Nutzermodelle, um Zielgruppen nach ihren Merkmalen zu beschreiben – einen weitaus besseren, greifbareren Eindruck der Kunden verschaffen. Und wer ganz sicher gehen will, kann Kundenbefragungen durchführen und dabei beispielsweise auf eine Selektion der umsatzstärksten Kunden fokussieren. Diese Kenntnis über die Besucher und somit die potenziellen Käufer schafft die Grundlage für die Festlegung der Regeln, wie die Customer Experience aussehen soll.

Mit zunehmendem Traffic, multiplen Zugriffspunkten und einer großen Artikelvielfalt auf der Website stoßen rein regelbasierte Typologien aber schnell an technische Grenzen. Will man den Schritt zum maßgeschneiderten Inhalt pro Besucher gehen, um sämtliche Vorteile des Prinzips „Customer Experience Management“ für sich zu nutzen, ist der nächste Schritt eine dynamische Aussteuerung durch intelligente Systeme und Plattformen. Hier werden Besucher nicht mehr nach vordefinierten Profilen segmentiert und Inhalte personalisiert, sondern auf Basis von aktuellen Verhaltensparametern.

So können wiederkehrende Kunden auf Basis der aus früheren Besuchen vorliegenden Daten, des aktuellen Surfverhaltens und aufgrund von Ähnlichkeiten mit anderen Besuchern gezielt angesprochen werden. Durch die Verbindung mit dem CRM-System können beispielsweise in anonymisierter Form Zusatzinformationen wie „Single“, „Familie mit zwei Kindern“ oder „bucht regelmäßig Pauschalreisen im Mittelmeerraum“ aufgerufen und für die Personalisierung der Inhalte herangezogen werden.

Eine Vielzahl von Optionen für die tatsächliche Individualisierung von Inhalten bieten Produktempfehlungsmechanismen: Je nach aktuellem Kundeninteresse können etwa alternative oder ergänzende Produkte präsentiert werden oder man stimuliert den Kaufprozess über Informationen, welche Produkte andere Kunden zusätzlich erworben haben. Auf diese Weise wird die Website auf Artikel- beziehungsweise Produktebene für jeden einzelnen Besucher und Kunden zu einem optimalen Erlebnis, das im weitesten Sinne unabhängig von Zugriffspunkten und Traffic-Quellen ist. Websiteinhalte und -layout spiegeln immer das aktuelle Verhalten und die Bedarfssituation des Besuchers wider – und führen so optimal durch den Besuch.

Testing ist unverzichtbar

Bei der Definition all dieser Aspekte gilt der Grundsatz, dass der Wurm dem Fisch schmecken muss und nicht dem Angler. Ein „No-Go“ sollte daher die unreflektierte Umsetzung von am grünen Tisch entschiedenen Modifikationen des Webangebots sein.

Moderne Testing-Verfahren, insbesondere das multivariate Testing, ermöglichen die Überprüfung von Änderungen im Livebetrieb der Website und auf Basis eines Samples echter Besucher. Jedes Element einer Website kann damit auf seine Wirkung auf die Besucher hin getestet werden. Die jeweils optimale Variante wird dann generell auf der Website umgesetzt. Auf diese Weise kann die Customer Experience effizient und fortlaufend optimiert werden.

Bild Timo von Focht Über den Autor/die Autorin:

Als Regional Director verantwortet Timo von Focht das operative Business der Conversion-Experten der Maxymiser GmbH in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Davor war von Focht Country Manager D-A-CH bei der AT Internet GmbH (Webanalyse und Social Media Monitoring). Weitere Stationen waren die CHIP Online GmbH und CBS Interactive, wo er Kunden im Bereich Online-Werbung betreute.

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