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SEARCH MARKETING

Echtzeit im Searchmarketing

Jens von Rauchhaupt, 10. Dezember 2009

Live Preview bei den Adservern, Live Webcasts, Live Streaming und nun auch noch Live Search. Manch einer spricht schon vom Realtime-Web und Fachleute prognostizieren eine Verlagerung des Fokus in Richtung Realtime Aktivitäten. Worin liegt überhaupt derzeit der unmittelbare Nutzen von Realtime im Suchmaschinenmarketing? Und wie können Werbungtreibende von der kommenden Realtime-Suche profitieren?

Was zuletzt geschah
Live ist irgendwie sexy. Informationen im Kollektiv aufzunehmen und sich in Echtzeit darüber auszutauschen, das hat für die Menschen offenbar eine besonders hohe Wertigkeit. Nicht zuletzt ist der „Live-Effekt“ eines der Erfolgsgeheimnisse von Twitter. Wer interessiert sich schon für die Tweets von gestern. Microsoft vermeldete bereits im Oktober die Integration der Realtime-Suchergebnisse aus Facebook und Twitter in Bing. Zuvor gab es die ersten Realtime-Gehversuche mit der Suchmaschine wowd.com, die allerdings im Beta-Status steckt. Google hat im Hinblick auf Live-Suchergebnisse diese Woche nachgezogen und die Einführung einer "Latest Results"-Funktion auf der englischsprachigen Site google.com vorgestellt. Noch funktioniert dieses neue Live-Search-Feature von Google nicht überall in Deutschland. Das soll sich in den nächsten Tagen ändern und etwas später, also im ersten Quartal 2010, auch auf google.de funktionieren.

Bei Live-Search verändern sich die Suchergebnisse anhand eines dynamischen Streams von Echtzeitinhalten aus dem gesamten Internet. Unmittelbar nach der Suchworteingabe können die Nutzer nun Aktualisierungen von Personen auf populären Seiten wie Twitter, Facebook, MySpace und Friendfeed nach der Suchworteingabe auf der Ergebnisseite in Echtzeit verfolgen. Dies gilt auch für Schlagzeilen aus Nachrichten und Blog-Posts, die lediglich Sekunden zuvor veröffentlicht worden sind. Alle diese Aktualisierungen werden klassifiziert, sodass nunmehr unter "Latest Results" immer die neuesten und für die jeweilige Suche relevantesten Ergebnisse aufgeführt sind. Über den möglichen Marketingansatz der vorerst letzten Evolutionsstufe der Suchmaschinen ist man sich derweil bei Google noch selbst im Unklaren. Man entwickele schließlich die Produkte für den User und nicht für den Marketingeinsatz, heißt es lapidar bei Google Deutschland.

Ronjon M. Sarcar, iProspect

Realtime, bisher nur punktuell ein Thema

Schon vor der neuen Live-Result-Funktion von Google und Bing beschäftigten sich Search-Experten mit dem Thema Realtime, wenngleich auch eher themenfokussiert wie uns Ronjon M. Sarcar, Gründer und Geschäftsführer der Suchmaschinen Marketing Agentur iProspect erklärt: „Bisher adressierten wir das Thema Real-Time bzw. Live Search im Searchmarketing insbesondere bei Nachrichtenthemen, der Long-Tail über Twitter war bisher kaum erschlossen. Zudem stimmen wir beispielsweise für unsere Touristik-Kunden in einer aktuellen Krisensituation in einem Urlaubsland die Searchkampagnen auf die Geschehnisse ab oder lassen diese dann auch entsprechend pausieren. Das ist sicherlich Live Search Marketing, aber mit starker Verknüpfung zur klassischen Krisen PR“, sagt Sarcar.

Vor allem die Verlagswelt setzte auch vor Live Search auf Realtime, indem sie Keywords zu eigenen hochaktuellen Nachrichten bei Google Adwords einbucht. „Das ist ein Weg, um mit aktuellen Meldungen Nutzer auf die Website ziehen zu können. Google ist da auch durchaus kooperativ, indem Keywordanzeigen schneller freigegeben werden. Allerdings ist das meines Erachtens ein sehr teurer Weg, um Traffic zu generieren. Die Frage, die sich ein Verlag immer stellen sollte: Wann rechnet es sich, wenn ich Klicks für ein Nachrichtenthema einkaufe. Das funktioniert vielleicht mit neuen Erlösmodellen wie es ein Rupert Murdoch macht. Wenn ich aber meine Nachrichten frei zur Verfügung stelle, müssen die Werbeeinnahmen höher sein als der Einkaufspreis für den Traffic“, sagt Sarcar. 

Johannes Beus, SISTRIX

Im Bereich SEO (Search Engine Optimization) gab es laut Sarcar bisher de facto keine Realtime Suche: „Ohne die neue Live-Search Funktion von Google und abgesehen von Google News waren die Vorläufe für SEO immer in Tagen und Wochen zu messen.“ Johannes Beus, Geschäftsführer der Suchmaschinen-Marketing-Agentur Sistrix, weiß aber zu berichten: „Bei Suchanfragen mit einem aktuellen Bezug versucht Google bereits heute, neue Seiten unter den ersten 10 Treffern zu listen.“ Damit meint Beus den etwas ominösen QDF-Effekt (Query deserves freshness). Die Bezeichnung QDF ist dabei die Kreation eines Redakteurs der New York Times. Bereits im Mai 2007 kamen die Produktmanager von Google wohl zu der Auffassung, dass aktuelle Inhalte für die Leser relevant sind und somit Einfluss auf das Suchergebnis haben sollten. „Durch QDF werden – zum Glück – auch solche Seiten nach vorne gespült, die noch nicht ausreichend Vertrauen genießen, um zu dem Keyword dauerhaft in den TOP 10 zu sein. Da wird ‚Trust‘ sozusagen durch ‚Aktualität‘ ersetzt. Damit sieht man häufig Blogs und Foren weiter vorne ranken. Das wird mit der Einbindung der Live Search auf ein neues Level getrieben“, erläutert Beus.

Neue „Live“-Chance für die Unternehmen?

Wird also das nun neue Live Search des Suchmaschinen-Marktführers gravierende Veränderungen zufolge haben? Natürlich nicht im Paid-Search-Bereich. Live Search bedeutet ja nichts anderes, als dass Google bestimmte Quellen wie Twitter und Facebook schneller indexiert. Sarcar prognostiziert hingegen einen erheblichen Einfluss von Googles Live Search auf das SEO der Zukunft: „Das wird ein spannendes Thema. Unternehmen können sich auch mit kurzfristigen Aktionen in der Google Suchergebnisseite gut präsentieren. Wie gesagt, im SEO Bereich hatte man bisher kaum die Möglichkeit mit aktuelle Themen kurzfristig eine gesteuerte Botschaft zu platzieren. Zukünftig wird das  aber für die Unternehmen über Dienste wie Facebook und Twitter möglich sein.“

Schlüssige Social-Media-Kommunikationsstrategie

Was man dafür tun muss, um in den Google SERP (Search Engine Result Page)-Liste weit oben zu stehen, vermag Sarcar natürlich noch nicht zu sagen. „Hier wird Google erfahrungsgemäß noch experimentieren. Die Hürde, um mit einem Tweet eine gute Position in der SERP zu erreichen, wird extrem hoch sein. Es wird nicht reichen, sporadisch Nachrichten über Twitter abzusetzen und 1000 Follower zu haben“, meint Sarcar. Vielmehr setzt das eine sehr lebendige und aktiv gepflegte Kommunikation des Unternehmens voraus und erst durch Kontinuität wird dies für die Ergebnisse in den Suchmaschinen Relevanz haben.

„Das bedeutet für die Unternehmen in Zukunft: eine konsistente, in sich schlüssige Social-Media-Kommunikationsstrategie. Dabei werden Twitter oder Facebook dann alleine für sich nicht reichen. Erst das Zusammenspiel der verschiedenen Social Networks wird für die nötige Relevanz sorgen“, meint Sarcar, der sich bereits über den richtigen Mix der Social Networks Gedanken macht. „Twitter und Facebook ergänzen sich bekanntlich in ihren Mechanismen gut, während StudiVZ und Facebook untereinander eher austauschbar sind. Ein Unternehmen muss also demnächst überlegen, wie diese Dienste miteinander sinnvoll verknüpft werden. Das bedarf eine hohe Expertise in dem gesamten Bereich, der von Unternehmen durch die Unterstützung von neutralen beratenden Spezialagenturen zukünftig noch weiter ausgebaut werden muss.“

Bald ein Social Quality Score?

Johannes Beus denkt bereits wieder an die kleineren Unternehmen und räumt ihnen neue Perspektiven mit Live Search ein: „Besonders bei begrenztem SEO-Budget sollte man die Möglichkeiten der Live Search im Auge behalten. Hier können durch richtiges Timing und eine gute Vorbereitung Erfolge erzielt werden, die sonst weitaus größere Summen benötigen.“ Dafür sei es auch nach Meinung von Beus erst einmal notwendig, dass „glaubhafte“ Twitter- und Facebook-Accounts angelegt und befüllt werden müssen. „Google wird vermutlich keine Treffer aus Accounts anzeigen, die ganz neu sind und die noch keinen Inhalt haben.“ Und vielleicht gibt es ja dann eine Art “ Social Quality Score“, der beispielsweise Spam Tweets erkennen kann.

Fazit: SEO wird immer sozialer

Die Ausweisung von Live-Suchergebnissen bei Google adelt die Social Networks und Social-Media-Dienste. Dies wird ihnen zu noch mehr Relevanz verhelfen. Zudem erweitern die Live Search Results das Berufsbild der Searchexperten im Bereich SEO. Zukünftig wird mehr denn je Social Media Know-how gefragt sein. Natürlich wird sich für die Optimierung der Unternehmenswebsite nichts ändern, sofern man das Thema Social Media Optimization – also die Einbindung bzw. Verknüpfung mit Social-Media-Diensten wie Twitter bereits adressiert hat. Interessant sind die denkbaren Anwendungsszenarien innerhalb der Social Networks für die Realtime-Suchergebnisse: Live-Shopping, Live-Auktionen, Live-TV Programmzeitschriften, Live-Sport und -Events kommen also demnächst von Twitter, Facebook und Co. und verweisen dann auf die unternehmenseigene Website. Johannes Beus: „Gerade Ereignisse, bei denen eine Vielzahl von Nutzern in kurzer Zeit nach dem gleichen Begriff suchen, sind hier interessant. So kann ich mir im Rahmen der kommenden Fußball-WM in Südafrika spannende Einbindungen vorstellen.“ Das alles setzt nur eines voraus: Eine lang anhaltende Kommunikationsstrategie für die Social Networks und Social-Media-Dienste. Aber diese nutzt ja wohl inzwischen jedes Unternehmen oder etwa nicht?

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