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Von der Digitalen Hanse zum Werbemittelscan

Sandra Goetz, 23. Februar 2007

Es gibt sie noch, die Bastler und Tüftler der New Economy 1.0, welche für ihre Ideen in den Himmel gehoben wurden, Venture Capital Milliönchen erhielten, und dann in die Insolvenz gingen - um wenige Jahre später wie Phönix aus der Asche wieder aufzuerstehen. Andreas Sappelt und Frank Reichwein von W3Scan gehören zu diesen Pionieren, ohne die die heutige Internetwirtschaft ein wenig ärmer wäre. Entwickelten Sappelt und Reichwein noch als Studenten an der Universität Hamburg ein System zum Urheberschutz von Multimediadaten im Internet, existiert die Digitale Hanse nur noch als Eintrag im Insolvenzregister. Die Firmengründer haben aber mit W3Scan beste Aussichten, die abgebrochene Erfolgsgeschichte im Bereich Internet Monitoring für Geschäftskunden neu zu schreiben.

ADZINE: Herr Sappelt, was genau machen Sie heute, was ist der Gegenstand des Unternehmens?

Sappelt: W3Scan ist die Suchmaschine für die Anzeige und den Vergleich aller Internetwerbung, mit der wir den Onlinewerbemarkt durch Werbemitteltracking analysieren.

ADZINE: Da kommt doch gleich die Frage auf: Wozu braucht man das?

Sappelt: Klassische Suchmaschinen sind schon lange selbstverständlich, aber eine Suchmaschine wie W3Scan, die geschäftsrelevante Marktdaten sammelt, zählt noch als Orchidee. Dabei ist in der Offlinewelt die Analyse des Werbemarktes seit 50 Jahren Usus, schließlich will man wissen, wie der Werbedruck ist, was die Konkurrenz macht, wo man eigene Geschäftsfelder und vor allem wo und wie man seine Werbemittel am effektivsten positioniert. In der Internetwirtschaft ist diese Anforderung ungleich höher, ist der Markt doch viel fragmentierter, gibt es viel mehr interessante Nischen und Special Interest-Seiten. Doch das Gros legt immer noch einfach los und macht irgendetwas. Oftmals folgt erst nach dem "trial and error" die Besinnung, die Frage, was man hier eigentlich genau macht - und man will dann natürlich auch wissen, was die anderen machen. Und das in der exorbitant schnellen digitalen Wirtschaft. Dafür werden dann drei Webseiten abgesurft, der Rest geht im Tagesgeschäft unter - und man stochert somit weiter im Nebel. Der Punkt ist: Grundlegende Geschäftsinformationen des Wettbewerbs müssen vor jeder Entscheidung auf dem Tisch liegen und nicht nachher. Neben Marktkenntnissen ist das ebenso für die Ideenfindung und für die Kreation notwendige und grundsätzliche Orientierung.

ADZINE: Und dazu Tracking?

Sappelt: Zum einen: Tracking ist der klassische Ansatz, die Realität abzubilden. Solche Dienste sind unverzichtbare Werkzeuge für die Vermarktung, die Mediaplanung und die Werbekunden. Zum anderen sind wir davon überzeugt, dass Tracking der beste Ansatz ist, um ein Modell für die Werberealität zu schaffen. Wichtig ist, jedes Werbeformat mit möglichst genauen Schaltungsdaten zu erfassen, einfach durch häufiges Abrufen. Daraus läßt sich eine Gewichtung errechnen, so wie Googles Pagerank. Wir sind bestrebt, unsere Art Pagerank in Höhe eines Geldwertes als rechnerischer Mediawert anzuzeigen.

ADZINE: Wie funktioniert das?

Sappelt: Im Grunde zeigt der Mediawert die Mengenverteilung innerhalb des Systems an. Durch die Gewichtung sieht der Nutzer im W3Scan das Wichtigste top-down, den Wettbewerbsdruck, die Werbemittel und die Werbeträger. Mit drei Klicks kann der Nutzer jede Werbestrategie erkennen. Für uns ist entscheidend, dass neben dem Mediaplaner, Agentur und Kunde auch der Bannerdesigner mit W3Scan ein intuitives und vor allem nützliches Werkzeug in die Hand bekommt, das einen "aha"-Effekt hat. Man sieht mit einem Blick, was Sinn macht und was nicht.

ADZINE: Und damit verdienen Sie Geld?

Sappelt: Aber sicher! Und zwar damit, indem wir diese Daten dem Vermarkter, Kunden oder der Agentur verkaufen. Schließlich sind das grundlegende und seriöse Informationen, die man im Onlinewerbemarkt haben muss. Außerdem finden unsere Mediawerte Verwendung bei Deutschlands größter Mediaagentur und auch beim
Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft e.V. ZAW.

ADZINE: Nun sind Sie nicht die einzigen Anbieter bezüglich Internet Monitoring auf dem Markt. Wie sind die Perspektiven, da die Konkurrenz nicht schläft und sehr stark ist?

Sappelt: Nielsen//Netratings hat beispielsweise mit AdRelevance ein starkes Tool und einen starken Vertrieb. Aber auch wir haben ein starkes Produkt, bessere Methoden für die Statistik, Redaktion und Bedienung des Werkzeuges. Auf den ersten Blick haben wir keine Chance gegen die Amerikaner. Aber es ist wie mit dem Hasen und dem Igel. Auch wenn wir später gestartet sind ... Im Gegensatz zum importierten US-Know-how wollen wir den praxisnahen Werkzeugcharakter pushen, sind außerdem als deutsches Unternehmen einfach dichter am Marktgeschehen. Wir entwickeln selber, können uns als kleine und flexible Einheit viel schneller auf die individuellen Kundenwünsche einstellen. Letzten Endes entscheidet der Kunde, und dazu muss er alle Werkzeuge in die Hand nehmen und sich für das tauglichste entscheiden. Tut der Nutzer das, geht unser Qualitätskonzept auf. Andernfalls machen wir weiter, bis es der Kunde merkt. Das nützlichste Werkzeug wird nämlich gewinnen und wir sind von unserem Produkt absolut überzeugt - wie auch unsere Kunden.

ADZINE: Wie kann sich W3Scan positionieren, welche innovativen Leistungen und Pläne haben Sie?

Sappelt: Unsere Position ist, dass wir Kunden bessere Leistung zu einem kleineren Preis bieten. Besser und billiger, wir hoffen auf zunehmende Lernkurven bei Kunden, die, gerade wenn sie aus der Werbung kommen, oftmals eher konservativ sind und auf einen eingeführten Markennamen anspringen. Innovation: In Kürze werden wir Prognosen über die Zukunft erstellen. Wir haben Daten seit Anfang des Jahrtausends, daraus lassen sich Trends für die Zukunft ablesen. Und was die weiterführenden Pläne angeht: Wir sehen weitere Anwendungen der Monitoring-Maschine, um Online-Aktivitäten auszuwerten und zu gewichten sowie darüber hinaus praxistaugliche Werkzeuge für neue Medienberufe zu schaffen. Dafür müsste uns ein Investor allerdings erst wieder das nötige Kapital in die Hand geben. Mehr Feuer unter dem Hintern würde unsere Erfolgschance noch weiter steigern.

ADZINE: Apropos Investor. Den Hype um Wagniskapital und einer Insolvenz haben Sie ja selber mitgemacht. Was haben Sie draus gelernt?

Sappelt: Eine ganze Menge. Schließlich hatte ich mich gegen das zweite juristische Staatsexamen entschieden, als wir Wagniskapital erhielten. - Und diese Entscheidung trotzdem bis heute nicht bereut. - Ausgehend von einem Uniprojekt hatte die Digitale Hanse eine Urheberschutzmaschine gebaut. Das war zwischen 1999 bis 2001 und einem Investitionsvolumen von drei Millionen Deutsch Mark. Als sie funktionierte, wurde uns vom Investor der "Strom" für die zweite Finanzierungsrunde abgestellt. Man wisse nicht, wann der Markt wieder anspringe und so lange könne man uns nicht durchfüttern - wurde uns gesagt. Wir konnten nicht zusehen, als die Insolvenz-Hyänen die funktionierende Urheberschutzmaschine in Tausend Einzelteile zerlegte und wegschleppte. Das nagt an uns heute noch. Wir mussten wieder von vorne anfangen, mit dem Werbemonitoring. Das Tolle: Die insgesamt fünf Leute, die bereits zu Unizeiten dabei waren, sind immer noch dabei. Ich glaube, dass das auch eine unserer Besonderheiten und Stärken ist. Wir kannten uns vorher, kommen aus den Bereichen Mathe, Informatik, Soziologie und Jura; haben bereits vor dem Hype zusammengearbeitet und entwickelt. Und sind auch danach nicht auseinandergegangen. Für den Neuaufbau von W3Scan ist privates Vermögen draufgegangen. Wir haben jetzt über fünf Jahre ein bombensicheres System entwickelt, extrem optimiert und arbeiten mit geringen Betriebskosten. Das Teuerste ist immer noch die Stromrechnung ... Dabei verlieren wir keine Kunden, im Gegenteil, wir gewinnen weitere hinzu. Gibt es eine bessere Motivation?! Natürlich würden wir auch bei einem Investor nicht "nein" sagen. Damals war das alles für uns so irreal, wir wussten gar nicht, wie uns geschah. Bereits während der Entwicklungsphase, bevor das Produkt für den Markt fertig war, bereits Geld bekommen zu haben. Heute sehen wir das anders, denn für fortgehende Innovationen braucht man mehr Strom ...

ADZINE: Herr Sappelt, wir wünschen weiterhin viel Erfolg und bedanken uns für das Gespräch.

Über den Autor/die Autorin:

Sandra Goetz ist seit 2006 als freie Autorin für ADZINE an Bord. Ihr Fokus liegt auf Interviews zu aktuellen Innovationsthemen im digital Media und Marketing. Außerdem schaut sie sich bei ihren Auslandsreisen immer wieder nach spannenden Geschichten aus der globalen Marketing-Welt um, Interviews inklusive. Seit 2016 verantwortet Sandra die ADZINE Entscheider-Serie.

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