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Als das Werbebanner sprechen lernte

Jens von Rauchhaupt, 10. November 2006

Als sich 1994 das Internet und die Werbung erkannten, war es mehr als eine Romanze. Ihre zahlreichen Zöglinge wuchsen in vielen Umfeldern auf. Patchwork-Kinder nennt man das wohl. Vor gar nicht langer Zeit haben die ersten Sprösslinge dann laufen gelernt. Nun wollen sie nicht nur mit einem spielen, in den USA können sie sogar schon sprechen. Aber nur, wenn man sie fragt. Auch in Deutschland investieren die Agenturen viel Zeit in die Hege und Pflege ihrer Werbebanner. Wird es bei bloßen Motorikübungen bleiben oder ist das, was wir Ihnen jetzt vorstellen, die Zukunft?

Early to bed and early arise...

Ritesh Patels Haare sind noch leicht zerzaust, im Hintergrund huscht seine Frau kurz durch das Bild, das der Browser des ADZINE-Redakteurs ausgibt, in Standardbannergröße samt Chatfenster. Man hört Geschirr klirren, der Frühstückstisch wird gerade gedeckt, es ist 5 Uhr morgens in Montclair, im US-Bundesstaat New York: "Entschuldigen Sie, aber ich muss mich bei der Demonstration des Live-Banners etwas beeilen, ich will noch zur Wahl gehen und danach habe ich ein Meeting, hören Sie mich Jens?" "Ja, ich höre Sie Ritesh, klar und deutlich", so die Antwort über die gute alte Tastatur. Patels Aussprache klingt eher britisch, er hat noch viel vor, wirkt busy und smart. "Gut, dann deaktivieren Sie bitte Adblock, damit ich im Chatfenster Weblinks für unsere Tour schicken kann."

Bei Klick reale Kommunikation

Nur ein Klick auf ein allein stehendes Werbebanner also. Danach erschien schon der Mitbegründer und Mitinhaber Ritesh Patel von AVivocom in seinem Eigenheim und eröffnete sofort das Gespräch. Glaubwürdiger kann man eine Produktdemonstration kaum einleiten. Kein Skype, keine Webcam, geschweige denn ein Headset ist auf Anwenderseite nötig. Ein Klick auf ein Werbebanner und Ton am Computer, mehr nicht, um auf diese Weise zum Beispiel einen Termin bei der Autowerkstatt abzusprechen, der Winter soll ja kommen.

Natürlich ist Videotelefonie ein alter Hut. Völlig neu ist aber der breit angelegte Einsatz dieser Technologie als Dialogmittel für Werbung im Internet. Denn darum geht es bei "Live Banner" und "Live Guide" von AVivocom. "Es ist reale Kommunikation mit dem Kunden", sagt Patel. Nicht, dass man es nicht geahnt hätte. Besonders ist der Zeitpunkt des Erscheinens: "Wir haben 2 Jahre an dem System gearbeitet, es ist absolut marktreif und wird in 3 Wochen erstmalig bei der amerikanischen Versicherung ALLSTATE am Endkunden eingesetzt", so Patel, während er gleichzeitig Beispiele für B2C-Anwendungen in das Chatfenster übermittelt. ALLSTATE läuft mit Live Guide, das Hauptprodukt von AVivocom, welches Internetauftritte hinsichtlich der Kundenbetreuung professionalisieren wird. Live-Banner ist dieselbe Technik, nur als Werbebanner verpackt.

"We put a face into the marketplace"

"Avatare sind überholt, das ist Geschichte. Wir setzen auf den realen Kontakt, ohne gleich mit der Tür ins Haus zu fallen. Daher bietet unser System mehrere Wege an. Der Kunde kann direkt mit unserer Technologie in Bild und Ton mit einem Kundenberater in Kontakt treten, oder man gestaltet - so wie wir hier - den Dialog einseitig audiovisuell. Der Internetanwender entscheidet darüber", sagt Patel. Seit Juni nutzt big blue, IBM diese Technologie für eine B2B-Kampagne in Dänemark und in den USA. "Wir geben uns ein Gesicht am Markt", erklärt Ed Adams von IBM dem Onlinemagazin ClickZ. "Wir konnten überhaupt keinen Missbrauch auf Kundenseite feststellen und Tausende neuer Leads generieren", so Adams weiter.

Webcasts lassen den Kunden auf der Publisherseite

Der besondere Clou am Live-Banner: Der Kundenberater kann Weblinks in das Chatfenster einfügen, bei Klick des Anwenders öffnen sich so genannte Microsites während des Gespräches, zum Beispiel für PDF-Dokumente oder zusätzliche Videostreams. Dabei verlässt der Anwender niemals die URL des Publishers, auf der er das Banner angeklickt hatte. Webcasts nennt man das. Mit ihrer Hilfe soll das Gespräch die gewünschte Richtung einschlagen. Die Bild- und Tonqualität war übrigens hervorragend, Zeitversetzungen durch etwaige Pufferungen nicht wahrzunehmen. Unklar ist natürlich, wie es sich mit der Datenübertragung verhält, wenn die Bannerkommunikation auf einer geladenen Webseite beidseitig in Bild und Ton verläuft. "Das Live Banner selbst hat nur 20 Kbyte und besitzt ein Standardformat nach der US-amerikanischen IAB. Erst wenn die Verbindung per Klick aufgenommen wird, benötigt der Anwender zwischen 60 und 100 Kbyte freie Bandbreite", erläutert Patel gelassen.
Demo IBM: http://www.box.net/public/35fgl4zvfe

Interaktivität in Online-Deutschland

Interaktive Werbebanner können für Werbetreibende teuer werden. Herrschen doch auch in Deutschland Standardgrößen und Volumenbegrenzungen. Nicht standardisierte Bannergrößen, so genannte Out of Banner Formate lassen sich die Vermarkter extra vergüten. Ihre einleuchtende Argumentation bringt Rainer Markussen, Geschäftsführer von G+J EMS auf den Punkt: "Solange erst gut die Hälfte der User über einen DSL Zugang verfügen und befürchtet werden muss, dass die Usability oder die Performance einer Website leidet, werden wir an den Restriktionen bei derartigen Werbeformen vorerst noch festhalten."

Christoph Benning von Eyeblaster Deutschland sieht das ein wenig differenzierter: "Bei Sonderformaten ohne Videos sind uns aufgrund der Ladezeiten tatsächlich noch Grenzen gesetzt. Man muss aber noch zwischen Videos und den Sonderformaten unterscheiden. Sogar in einem standardisierten Bannerformat kann man problemlos 4 Megabyte große Videos ausliefern. Mit 'Videostudio' bieten wir ein Feature, das als Applikation in die Flash-Oberfläche hochgeladen wird und digitalisierte Spots für das Internet umwandelt. Dieses Videopaket erkennt die Bandbreite des Anwenders und kann so das optimale Format ausliefern." In Deutschland ist Eyeblaster neben DoubleClick mit DART motif ein führender Anbieter von Richmedia-Übertragungen und deren Management.

Standardisierte Not, weckt kreative Tugenden

Verenden also viele Innovationsversuche im Sonderformat am Flaschenhals der derzeitigen DSL-Verbreitung? "Wir sehen diese Beschränkung als eine Herausforderung an und lösen sie mit kreativen Ideen", sagt Jan Reineke Mediaplaner bei denkwerk, eine der Top Internetagenturen Deutschlands.

Auch Matthias Mühlenhoff, Account Director bei Elephant Seven in Hamburg, sieht diese Begrenzung professionell: "Sei es Lead-Generierung mittels E-Mailabfrage, Mouse-over-Effekte, kleine Spiele oder einfach eine gute Idee. Wir zeigen unseren Kunden erstmal alle Möglichkeiten von Interaktivität. Letztlich kommt es aber auf die Kampagne und das Kundenziel an. Die Masse der ausgelieferten Banner geht am Ende nicht über die 'Klick mich'-Anforderung hinaus. Allerdings kreieren wir auch Kampagnen, die ausschließlich über Sonderformate zum Beispiel mithilfe von Eyeblaster ausgeliefert werden. Auch wenn diese Werbeformen zuweilen ihren eigenen Preis haben, eignen sie sich hervorragend für unterschiedlichste Ziele, wie etwa reines Branding. Alles hängt von der Zielsetzung einer Kampagne ab. Wer zum Beispiel ein Auto verkaufen will, könnte in der Tat mit so einer 'Callcenter-Idee' Erfolg haben, die Frage ist nur, ob dies in einem Werbebanner geschehen muss", meint Mühlenhoff.

Was bringt eigentlich Interaktivität?

"Man muss doch erstmal überlegen, wofür ein Werbebanner gut ist", antwortet Mühlenhoff. "Bisher ist dies eher ein affektiv genutztes Medium, ohne das der Anwender sich wirklich bewusst mit dem Werbemittel auseinandersetzt. Mittels Interaktivität haben wir die kreativen Möglichkeiten, komplizierte Sachverhalte, wie zum Beispiel einen elektronischen Abstandhalter bei Mercedes Benz dem Verbraucher verständlich zu machen. Damit vermitteln wir auf spielerische Art das Produktverständnis und das fördert das Kommunikationsziel einer Kampagne. Dafür braucht man aber Kreative der Spitzenklasse."

Interaktive Werbebanner kann man jedenfalls nicht mehr vom deutschen Markt wegdenken. Sonst ließe sich der Erfolg von Eyeblaster Deutschland nicht erklären: "Wir haben unser Jahresziel bereits im September erreicht", sagt Benning, und Marco Scarola, Eyeblasters Direktor für Marketing und Produktion, ergänzt zum Thema Interaktivität: "Indem wir mehr Inhalte des Werbetreibenden im Werbebanner platzieren, den Anwender dort interagieren lassen, verändern wir passives Marketing in anwenderbezogenes aktives Marketing." Ritesh Patel sieht alles ganz einfach: "Es muss für alle Beteiligten Sinn machen."

Demo1 - e7: http://bannertool.e-7.com/dcag/abstand
Demo2 - e7: http://bannertool.e-7.com/dhtmlbanner841

Über den Autor/die Autorin:

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