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Nebel mit Sichtbehinderung

Karsten Zunke, 27. Oktober 2006

Restplätze - das ist ein gruseliges Unwort. Zumindest meinen das Vermarkter und Media-Agenturen. Natürlich möchte niemand offiziell Restposten kaufen oder verkaufen, sondern eher Freiflächen buchen oder freie Werbeflächen anbieten. Geschweige denn Auskunft geben, wie viel es davon auf der eigenen Website gibt. Aufgrund unterschiedlichster Interessenlagen der Marktteilnehmer ähnelt dieses Business einer herbstlichen Wiese im Morgennebel - ein weites Feld, von dem einige schon aus Erfahrung wissen, wie es bei Tageslicht aussieht. Wer dieses Feld zum ersten Mal betritt, kann das Aussehen zunächst nur schemenhaft erahnen. Doch es herrscht ein reges Treiben.

"Kein Kunde erfährt den Verkaufspreis, den Sie uns anbieten", wird auf einer Vermittler- Website geworben. Ziemlich geheimnisvoll geht es in der Branche zu, wenn mit Restplätzen gehandelt wird. Also jenen Platzierungen, die sich nicht mehr über teure TKP-Listenpreise verkaufen lassen. Und das Geschäft mit den ungeliebten Werbeplätzen ist lukrativ. So werden täglich Milliarden freier Page Impressions bereitgestellt oder für Kampagnen dazugekauft. Und die Restplatzvermarktung scheint für alle von Vorteil zu sein. Vermarkter können ihre übrigen Freiflächen verkaufen, ohne sich dabei ihre Listen-Preise kaputt zu machen, Media-Agenturen machen ihre Kunden glücklich und die wiederum freuen sich über viele Klicks auf ihre Werbemittel. Nur reden möchte darüber niemand wirklich gern. Vermarkter sind verständlicherweise nicht daran interessiert, die Anzahl und die Preise ihrer Restplätze zu kommunizieren, denn je klarer dies wird, desto schwieriger wird es für sie, ihre Listenpreise am Markt durchzusetzen.

Restplätze aus erster Hand

Vor allem Website-Betreiber, die ihre Seiten in Eigenregie vermarkten, sind daran interessiert, dass Kunden möglichst hochpreisige Platzierungen einkaufen. Allerdings ist der Markt dafür begrenzt und damit verfällt jeden Tag wertvolles Inventar. Das Problem: Im Internet kann nichts gelagert werden. Was an einem Tag nicht verkauft wird, ist unwiederbringlich verloren. Sie müssen daher versuchen, auch ihren Bestand auf B-Seiten zu verkaufen. Das ist heute aufgrund der guten Marktlage zwar leichter als vor einigen Jahren, aber auf der Basis hoher TKP-Listen-Preise in der Regel eine große Herausforderung. Darum haben Vermarkter begonnen Restplatzvermarktungen zu starten. Die erste und einfachste Variante: Die Vermarkter bieten ihren Kunden solche Plätze direkt auf Cost-Per-Click-Basis an. Hier weiß der Kunde genau, dass nur bestimmte Mengen und bestimmte Platzierungen erhältlich sind. Manche Vermarkter bieten auch TKP-CPX-Deals als Mischform an. Vorteil: Der Werbungtreibende weiß, was er bekommt. Nachteil: Diese Möglichkeit weckt Begehrlichkeiten beim Werber.

Automatisches Bietersystem für ungeliebte Platzierungen

Hinzu kommt, dass Werbekunden sehr gern Cost-Per-Click-Deals abschließen, weil dadurch ihr Risiko minimal ist - beziehungsweise vom Vermarkter geschultert werden muss. Doch der Markt dafür ist begrenzt, viele Vermarkter bieten gar keine CPX-Abrechnungen mehr an (siehe ADZINE 5/2006). Denn wenn das beworbene Produkt langweilig oder das Werbemittel grauenhaft gestaltet ist, hat der Vermarkter viel Werbung für seinen Kunden gemacht, aber wenig verdient, weil die dafür nötigen Klicks ausbleiben. "Viele Vermarkter setzen deshalb auf eine technische Lösung und bieten Class-1- und Class-2-Kampagnen an", sagt Julian Simons, Geschäftsführer von Mediascale. Class-1-Kampagnen sind jene nach TKP-Listenpreis, die garantiert ausgeliefert werden. Class-2-Kampagnen werden zu niedrigeren Preisen und auf anderen Platzierungen angeboten. "Bei den Class-2 Kampagnen etabliert sich eine Art Bieterverfahren", erläutert Simons. "Der Kunde gibt an, wie viel er bereit ist, für eine Kampagne zu zahlen, der Vermarkter stellt dies in sein System ein und dieses System optimiert selbstständig entsprechend dem höchsten Gebot. Bietet ein anderer Kunde einen höheren TKP, bekommt seine Kampagne automatisch mehr Volumen", so Simons. Somit übernimmt die Maschine die Auslieferung und Optimierung: Vorteil für den Online-Vermarkter: Er nimmt sich in solchen Fällen aus der Diskussion. Kunden, die ein bestimmtes Volumen fest buchen wollen, müssen Class-1-Platzierungen belegen. Als dritte, direkte Möglichkeit, übriges Inventar anzubieten, sind Affiliate-Netze geeignet. Wer sich ein eigenes Affiliate-Netzwerk aufbaut, kann Restplätze seines Website-Portfolios auch darüber vermarkten.

Diskretion Ehrensache

Aber es gibt eine weitere Variante, seine freien Werbeflächen doch noch diskret an den Mann zu bringen. Durch die Anonymisierung über ein Netzwerk oder einen Dienstleister.
Mit Performance-Media gibt es mittlerweile eine Plattform für Online-Medialeistung, auf der Angebote und Nachfrage direkt aufeinander treffen. Hier können Werbungtreibende Online-Medialeistung vermarkterübergreifend selektieren und buchen. Knapp zwei Milliarden Page Impressions stehen in der Regel zum Handel bereit. Vermarkter betrachten die Plattform als zusätzlichen Vertriebskanal, der insbesondere einen leistungsgerechten Abverkauf hochwertiger Restplätze unterstützt. Performance-Media stützt sich in seinem Geschäftsmodell auf zwei Säulen - zum einen auf eine vertriebsorientierte Mediaplanung und zum anderen auf den Online-Marktplatz. "Wir handeln nicht mit Traffic", sagt Michael Siegler, Geschäftsführer Performance Media Deutschland GmbH. Man kaufe Vermarktern auch keinen Traffic ab."Wer freie Kapazitäten hat, stellt sie auf unserer Plattform aktiv ein", erläutert Siegler. Dabei werden die Angebote anonymisiert. Ein potenzieller Kunde erfährt nicht, auf welchen konkreten Seiten die Werbung ausgeliefert wird. Über die Plattform sind lediglich das relevante Umfeld, die Zielgruppendaten, die jeweils buchbare Kontaktzahl sowie die zugehörigen Media-Preise abrufbar. Kommt ein Geschäft zustande, erhält der Plattformbetreiber eine Provision von den Online-Vermarktern. Primäre Zielgruppe sind direktbuchende Werbungtreibende.

Auch Mediascale handelt mit Restplätzen und positioniert sich selbst als Agentur für Vertriebskampagnen. "Wir sind eine Vertriebsagentur", sagt Simons. "Während eine Online-Media-Agentur nur gegen Originalbelege Medialeistung vermitteln darf und dafür die Agenturprovision erhält, sind wir in dieser Beziehung freier. Wir poolen Reichweiten verschiedener Vermarkter und nutzen dafür unter anderem die angebotenen Restplätze", so Simons. Das Ergebnis ist eine Mischkalkulation für die angebotene Reichweite. "Bei vertriebsorientierten Kampagnen machen solche Abrechnungsmodelle Sinn, da hier der Abverkauf und nicht die Platzierung im Vordergrund steht, bei markenorientierten Kampagnen nicht", so Simons. Der Kunde profitiert von einem günstigen Einkaufspreis, einem garantierten Volumen und erfährt, welche wichtigen Websites in dieser Reichweite enthalten sind. Den Einkaufspreis für eine einzelne Platzierung erfährt der Kunde nicht. Dies sei letztlich ein gutes Geschäft für alle Beteiligten. Und dem Kunden ist es offensichtlich egal, wie neblig es auf dem Restplatz-Feld ist - Hauptsache, die Ernte ist ertragreich.

Über den Autor/die Autorin:

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