Spezialisten oder Allround-Agenturen: Wer hat beim Kunden die Nase vorn?
Helge Denker, 4. August 2006Media-Planer und Suchmaschinen-Marketing-Agenturen breiten ihr Angebot immer weiter aus. Schlägt nun die Stunde der Alleskönner, die das gesamte Spektrum des Online-Marketings aus einer Hand anbieten? Oder haben die Spezialisten bessere Chancen? Und was hat der Werbekunden davon? Adzine hat bei vier Agenturen nachgefragt.
Jens Jokschat, Mediadirektor der pilot 1/0 GmbH in Hamburg, sieht die Allround-Anbieter klar im Vorteil: "Wir glauben sehr stark daran, dass der Markt Dienstleister braucht, die das gesamte Spektrum des Online-Marketings abdecken können." Der Bereich der Online-Werbung sei ein komplexes Feld und bei der Pilot Group integraler Bestandteil von umfassenden Medienkampagnen. Die pilot group wurde vor sieben Jahren gegründet und entwickelte sich vom klassischen Mediaplaner zur Allround-Agentur mit einem starken Standbein in den digitalen Medien. Bekannte Pilot-Kunden sind zum Beispiel Procter & Gamble, Olympus, Direct-Line, Freenet und Klarmobil.
Beauftragt der Werbekunde mit jedem Online-Bereich, wie zum Beispiel Adwords, Searchmarketing, Affiliate-Programme oder Bannerwerbung einen eigenen Spezialisten-Dienstleister, bestehe die Gefahr, so Jokschat, der "hohen Reibungsverluste". In der Praxis kommt es laut Jokschat oft zu Überschneidungen und mangelhaften Absprachen, die zum Beispiel zur Platzierung von unterschiedlichen Internetadressen durch Affiliate Partner und SEOs im Suchmaschinen-Marketing führen.
Auch die Abstimmung zwischen Kreation und Mediaplanung sollte möglichst eng sein, so Jokschat, da sei es besonders bei der Erstellung von Sonderwerbeformen von Vorteil, wenn die Kollegen gleich mit im Haus sitzen. Gerade bei Sonderformaten in der Bannerwerbung, wie zum Beispiel bei bestimmten Audio-Formaten, bestehe ein sehr hoher Abstimmungs- und Kommunikationsbedarf.
Kommen alle Werbe-Lösungen aus einer Hand, entfalle auch die Gefahr, dass eine Agentur dort den Budgetschwerpunkt legt, wo sie selbst am meisten Geld verdienen kann. Verdiene die Agentur an allen Werbekanälen gleich, besteht die Gefahr nicht, dass sie das Budget in einen Bereich lenkt, der für sie besonders profitabel ist. Der Wettbewerb um Teile des Budgets zwischen verschiedenen Anbietern sei meist nicht im Interesse des Kunden und aufwändige Online-Lösungen bei klassischen Agenturen oft nicht besonders beliebt, hat Jokschat beobachtet.
Das Problem des personellen Engpasses bekämpft pilot 1/0 durch eigene Initiative: "Wir haben eigenes Know-how aufgebaut und bilden unsere Leute selbst aus", so Jens Jokschat. Die Pilot Group verfügt heute über rund 100 Mitarbeiter, für den Online-Bereich Pilot 1/0 arbeiten derzeit 45 Mitarbeiter.
3GNet, Spezialist für das Online-Performance-Marketing, ist bereits seit sieben Jahren auf dem Markt und betreute als Großkunden u.a. eBay Deutschland. Der Spezialist bietet Suchmaschinen-Marketing, Affiliate-Programme und Tracking-Lösungen an und arbeitet auch mit strategischen Partnern zusammen. Gottfried Häuserer, seit 2006 Mit-Geschäftsführer von 3Gnet, sieht Allround-Agenturen vor der schwierigen Aufgabe, Online-Know-how zukaufen zu müssen, das es auf dem Markt derzeit nicht gibt. "Es fehlen die Leute mit Erfahrung, die Affiliate- und SEM-Spezialisten", berichtet er.
Speziell im Umfeld des Online-Performance-Marketings - dazu zählt Häuserer Affiliate-Marketing, Suchmaschinen-Marketing, Suchmaschinen-Optimierung und den performance-orientierten Online-Media-Einkauf - gäbe es viel zu wenige Spezialisten. Ein großer Vorteil für die "Agenturen der ersten Stunde" wie 3GNet, die sich durch massives technische Know-how auszeichnen.
Aus der Sicht von Häuserer werden sich innerhalb der nächsten Monate zwei Trends abzeichnen:
- Klassische Werbeagenturen werden Ihre Online-Units stärken oder - falls noch nicht vorhanden - sehr schnell versuchen, diese Bereiche intern aufzubauen oder durch Partnerschaften und Zukäufe in das Dienstleistungsspektrum zu integrieren.
- Bestehende Online-Marketing-Agenturen werden sich stärker spezialisieren. So geht 3GNet zum Beispiel weiter in Richtung Online-Performance-Marketing und konzentriert sich auf die Kern-Vertriebskanäle im Internet: Affiliate-Marketing-Management, Suchmaschinen-Optimierung und Suchmaschinen-Marketing. Themen wie Onlinemedia, E-Mail- und Newslettermarketing, Werbemittelgestaltung usw. werden ebenfalls über Partnerschaften angeboten.
Viele Kunden, so Häuserer, legten großen Wert darauf, mit vertriebsorientierten Partnern zusammenzuarbeiten. Mitarbeiter aus klassischen Agenturen oder reinen Multimedia-Agenturen hätten hier oft einen anderen Fokus. "Wir reden mit unseren Kunden gerne über Vertriebsbudgets, die nach oben hin offen sind und nicht über Werbe- und Marketingbudgets, die innerhalb eines bestimmten Zeitraumes verplant werden können", berichtet der 3Gnet-Geschäftsführer.
Für die werbetreibenden Unternehmen sei es "eine Frage des Überlebens", möglichst viel Know-how über Internet-Werbemöglichkeiten aufzubauen. Je wissender ein Ansprechpartner im Unternehmen sei, desto mehr wird die Agentur und der "verlängerte Vertriebsarm" Internet gefordert. Viele Unternehmen gehen bereits heute den Weg, ihre Onlineabteilungen sehr dünn zu besetzten, d.h. die Mitarbeiter konzentrieren sich auf die Steuerung der hochspezialisierten Online-Agenturen. Dabei entstehe dann oft der Irrglaube, man könne Online-Marketing transaktionsabhängig und erfolgsabhängig betreiben und die Agentur dabei möglichst weit im Preis drücken. Dabei würde übersehen, dass die tägliche Beobachtung, zum Beispiel durch Tracking, technisch und personell sehr aufwändig, für die Erfolgskontrolle aber dringend notwendig sei. "Hochqualifizierte Arbeit kostet ihren Preis", betont Häuserer.
"Alleskönner" können die Arbeit zwar fürs Erste abnehmen, werden aber früher oder später an Ihre Grenzen stoßen. Die Frage sei nur, wie lange die Unternehmen dazu benötigen, um festzustellen, dass nicht ihr gesamtes Potential ausgeschöpft wird. Da der Onlinebereich sehr stark "technisch getrieben" sei, haben es klassische Werbeagenturen in diesem Umfeld eher schwer, Fuß zu fassen, wenn das nötige Know-how fehle. "Für Generalisten ist es schwieriger, sich in diesen Bereich einzuarbeiten", stellt Häuserer fest. Dazu entwickle sich der Onlinemarkt zu dynamisch, würden sich Grundvoraussetzungen zu schnell verändern.
Dem Reiz, sich auf das klassische Agenturgeschäft auszubreiten, erliegt 3Gnet offensichtlich nicht: "Wir bewegen uns nicht in Metiers, von denen wir keine Ahnung haben", betont Häuserer.
3Gnet deckt seinen wachsenden Personalbedarf, wie zum Beispiel im Bereich Junior-Affiliate-Manager, zum großen Teil selbst und bildet u.a. Studenten und Diplomanden aus, die in diesem Job Fuß fassen wollen. Derzeit arbeiten rund 65 Mitarbeiter für 3Gnet in München und betreuen Kunden wie o2, eBay, Karstadt, Esprit und Allianz24.
Stefan Längin, Managing Director von Planetactive in Düsseldorf, sieht im Gegensatz zu Häuserer die Generalisten, wie seine Firma, beim Kunden klar im Vorteil: Unter dem Motto "Technology enabled Marketing" würden alle Register des Online-Marketings gezogen, vom Suchmaschinen-Marketing über Partnerprogramme, Content Management bis zum E-Mail-Marketing.
Viele Online-Agenturen, hat Längin beobachtet, wandeln sich zum "ganzheitlichen Berater", der Trend gehe zu einem vernetzten Anbieten aller Leistungen innerhalb des Online-Marketings. Den Vorteil für den Kunden sieht Längin in der besseren Kommunikation, wenn Online-Lösungen verknüpft und ganzheitlich von nur einer Agentur betreut werden. So können die Ergebnisse von Online-Kampagnen und E-Mail-Newslettern zusammen gesehen und optimiert werden, was bei einzelnen Agenturen nicht funktioniert.
Bei einer Transaktionskampagne mit besonders hohem Werbedruck muss die Kreation und die Media ständig optimiert und angepasst werden, um möglichst günstig Neukunden zu gewinnen. "Das bekommen Sie mit mehreren Agenturen zwar gestemmt", meint Längin,
"aber nur unter dramatischem Verlust der Bewegungsgeschwindigkeit. Nur eine Agentur, welche alle Leistungen vernetzt anbietet, hat die notwendige Datentransparenz und den schnellen Zugriff auf Ressourcen, um Optimierungsempfehlungen zu geben und sie dann auch schnell umzusetzen."
Positiv sieht Längin die dynamische Entwicklung des Marktes, auf dem ein Wissensvorsprung eine Haltbarkeit von kaum einem halben Jahr habe. "Die Kompetenz beim Kunden steigt", erklärt der Planetactive-Manager, "er weiß immer genauer, was er will." Planetactive bildet Personal selbst aus, bietet Trainee-Programme und Ausbildungen im Media- und im kaufmännischen Bereich an. Besonders Flash-Programmierer seien zur Zeit sehr gefragt. "Im Moment stehen die Chancen für den Start einer Karriere gut", meint Längin lächelnd. Die Planetactive GmbH hat Mitarbeiter und Standorte in Deutschland, Österreich und der Schweiz und betreut unter anderem Kunden wie AOL, Amex, SAP, IBM und die Techniker Krankenkasse.
Ralf-Michael Lüters, CBO von Globalmedia Webmarketing, bietet seinen Kunden den "Alles aus einer Hand"-Service seit längerem an und sieht sich gegenüber Spezialisten im Vorteil. Seine Begründung: Die Allrounder bieten einen Ansprechpartner, alle seine Maßnahmen werden aufeinander abgestimmt und erlauben maximale Synergien und eine optimale Lernkurve, da Erkenntnisse und Erfahrungen aus einem Bereich sofort auf alle anderen Bereiche übertragen werden können.
Der Werbekunde müsse heute selbst massiv Know-how aufbauen, um aus allen Bereichen den richtigen Partner zu finden und seine Online Marketing Aktivitäten zu koordinieren. "Es ist nur die Frage, wie viel sie als Unternehmen in diesem Bereich investieren wollen", so Lüters, "um immer auf dem letzten Stand zu sein und Ergebnisse richtig beurteilen zu können." Deshalb suchen sich viele Unternehmen einen kompetenten Partner, der "nicht nur den kurzfristigen Rubel sucht", sondern an einer langfristigen Partnerschaft interessiert ist und für den der Erfolg und die Zufriedenheit des Kunden die Erfolgskriterien sind.
Globalmedia könne dem Unternehmen viele Aufgaben abnehmen, dafür stellt es laut Lüters ein Team von Experten zusammen und mache bei der Qualität keine Kompromisse. Spezialisten im Team zu haben sei dafür ein Muss, doch diese sind kaum am Markt zu finden. Auch Global Media setzt daher verstärkt auf die Ausbildung von Hochschulabgängern und Quereinsteigern, die bei Erfolg übernommen werden können. Die Übernahmequote liegt bei etwa 80 Prozent, der Bedarf übersteige trotzdem noch das Angebot.
Lüters warnt davor, als Agentur kurzfristig auf Gewinn-Maximierung zu schielen, daher sollten Unternehmen ihre Wahl genau überdenken und dem potentiellen Dienstleister "auf den Zahn fühlen", zur Not auch eine Probezeit vereinbaren. Langfristig sei eine Agentur nur so erfolgreich wie ihr Kunde, also könne es keinen anderen Weg geben, als das Beste für den Kunden herauszuholen. Für Global Media heißt das Maß aller Dinge "Return on Media Investment des Kunden". "Daran misst man sich intern und lässt sich messen", so Lüters.