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EditorialOhne Werbung geht es nicht

Jens von Rauchhaupt, 26. Januar 2015

Vor kurzem hat das IT- Fachmagazin Golem.de die Abozahlen der eigenen Paid-Content-Lösung "Golem pur" veröffentlicht. Auch wenn die Verantwortlichen dieser Online-Publikation es nicht so sehen mögen, die Zahlen sind ernüchternd und sollten es jedem Publisher noch einmal vor Augen führen: Mit einem Paid-Content-Modell allein kann sich kaum ein Online-Medienangebot über Wasser halten. Ohne Werbung geht es einfach nicht.

Golem ist ein bei IT-Gadget-Fans, Programmierern und Systemadministratoren beliebtes und anerkanntes Fachmagazin. Es ist ein reines Online-Format, ein Kind des Internets. Anders als der Wettbewerb kann es sich weder auf eine langjährige Printleserschaft verlassen, die regelmäßig auch die Onlineversionen konsumiert, noch können gattungsübergreifende Cross-Marketingmaßnahmen eingesetzt werden. Und dennoch bringt es Golem.de laut AGOF auf eine Nettoreichweite vom 1,92 Mio. Unique User im Monat. Ein super Wert. Interessante und gute Storys finden eben auch 2015 noch ihre Stammleser.

Typisch für solche Publikationen im IT-Bereich ist eine treue, aber auch immerzu nörgelnde Nutzerschaft, die zu einem großen Teil Adblocker einsetzt, über 50 Prozent sollen es bei Golem.de sein. Das brachte die Macher auf die Idee, mit „Golem pur“ den Nutzern eine werbe- und trackingfreie Alternative anzubieten, die seit August 2014 als Zwölfmonatsabo, Sechsmonatsabo und Einmonatsabo zur Verfügung steht und dank kürzerer Ladezeiten auch mit mehr Nutzungskomfort bestechen soll.

Ernüchternd: Nur 1.638 Abonnenten

Doch nach vier Monaten haben sich gerade einmal 1.638 Abonnenten für die kostenpflichtige Pur-Version entschieden. Golem selbst gibt sich mit dieser Abonnentenzahl zufrieden und verweist darauf, dass die Zahlungsbereitschaft für Nachrichten und Texte im Internet ja generell gering seien – wie wahr, wie wahr –, sagt aber selbst, dass man die Zahlen auch „pessimistisch“ lesen kann. Und das sollte man auch, denn 1.638 Abonnenten bei einer Nutzerzahl von 1,92 Mio. im Monat, das ist eine „Aboquote“ von weniger als 1 Prozent.

Man muss Golem zunächst einmal Respekt zollen für die Offenheit hinsichtlich der Veröffentlichung der eigenen Abonnentenzahlen. Allerdings ist die Frage erlaubt, wie man mit 1.638 Abonnenten zufrieden sein kann. 3.680 Euro im Monat nimmt Golem nach eigenen Aussagen mit dem neuen Abomodell ein. Es kann davon ausgegangen werden, dass die monatlichen Werbeeinnahmen der „kommerziellen“ Golem.de-Seite deutlich höher liegen. Allein über das Abo wird sich Golem.de also weder mittelfristig noch langfristig tragen können, denn die Abozahlen von Golem-Pur steigen monatlich nur noch um drei Prozent.

Daher sollten sich solche Publisher und ihre Vermarkter eher fragen, wie sie ihr werbefinanziertes Modell verbessern können. Ohne Werbung geht es halt nicht. Dabei sind aber auch mehr Feingefühl und Einfallsreichtum gefordert – sowohl aufseiten des Publishers als auch aufseiten der Werbungtreibenden. Es reicht eben nicht, jede Webseite bis zur Unterkante mit Adspace vollzuknallen. Das ist eine Frage der Dosis und was man seinen Lesern zumuten will. Weniger ist manchmal mehr. Das gilt sowohl für den Advertiser, der mit seinem Werbebanner mehr Aufmerksamkeit erhaschen kann als auch für den Publisher, der mit einem ausbalancierten Auftritt seine Inhalte weitwerhin erfolgreich monetarisieren kann.

Immer wieder findet man aber auch Qualitätsseiten, auf denen Bewegtbildwerbung ohne Frequency Cap ausgesteuert wird. Seitenbesucher, die beim zehnten Contentvideo noch immer den gleichen Pre-Roll-Spot erdulden müssen, kehren doch eher widerwillig auf eine solche Webseite zurück oder installieren gleich einen Adblocker.

Und wo ist der Mut, etwas Neues auszuprobieren? Wieso versucht man es nicht mal mit sogenannten Adwalls, über die wir schon oft berichtet haben? Hier können einzelne Artikel noch einmal gesondert und für den Werbekunden besonders wirksam beworben werden.

Es mag in Zeiten des schier unendlichen Contentangebots und dem Programmatic Advertising verrückt klingen, aber kann das Premiumargument nicht noch immer stechen? Redaktionelle Inhalte haben eben ihren Preis und den sollte man dann auch einfordern. Das werden auch die Werbetreibenden und ihre Agenturen akzeptieren, jedenfalls dann, wenn sie noch an starke Umfelder für ihre Marke glauben und wissen, dass sich genau auf diesen Webseiten ihre Audiences bewegen.

Sicher, der Markt bewegt sich weg von der Umfeldvermarktung in Richtung datengetriebener Werbung, in der auf Profilbasis eingekauft wird. Daher sollte auch jeder reichweitenstarke Publisher über Programmatic Advertising nachdenken und Teile seines Inventars mithilfe von Supply-Side-Plattformen über Private Marketplaces anbieten. Aber vergessen wir nicht: Ein erheblicher Teil der Online-Vermarktung und des Mediaeinkaufs findet noch immer auf dem klassischen Weg statt, indem die Mediaplaner mit dem AGOF Top-Tool die passenden Umfelder zusammensuchen.

Guter und interessanter Online-Content wird sich also auch 2015 erfolgreich vermarkten lassen. Es braucht dazu keiner Paid-Content-Modelle, sondern einer ausbalancierten Vermarktung. Allerdings stehen auch die Werber in der Pflicht, endlich mehr Gehirnschmalz und Adtechnology in die Kampagnen zu gießen. Werbung sollte nicht als Belästigung empfunden werden. Ein gutes Beispiel ist hier der Themenbereich Targeting, den man aufgrund der zu Verfügung stehenden Datenvielfalt auch mal kreativ angehen kann, um auf die Befürfnisse der Nutzer angepasste Werbemittel auszuliefern. Karsten Zunke ist dieser Frage einmal nachgegangen.