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EditorialNicht fordern, handeln!

Arne Schulze-Geißler, 3. Juli 2009

Die Diskussion um die Zukunft der Refinanzierung journalistischer Inhalte im Web ist wieder voll losgebrochen. Hubert Burda meldet sich in der FAZ zu Wort und fordert einen fairen Anteil am Verdienst der Suchmaschinen für die Verlage. Hätte Burda denn mehr Online-Werbegelder in der Tasche, wenn es keine Suchmaschine gäbe? Mal sehen.

Man kann davon ausgehen, dass der Großteil der Google AdWords-Kunden (ca. 150.000 in Deutschland) direkt Sales oder andere Conversions generieren müssen. Diese Budgets würden mit einigen Ausnahmen sicher nicht auf Verlagsseiten landen. Man muss doch neidlos anerkennen, dass sich Google seinen eigenen Werbemarkt geschaffen hat. Viele Budgets, die in der Suche landen, würden ohne Google nicht existieren oder würden in Direktmarketing-Aktionen gesteckt werden. Ein nicht zu unterschätzender Anteil der AdWords-Budgets stammt beispielsweise von Seitenbetreibern, die von AdSense oder Affiliate-Programmen leben. Sie sind sowohl Publisher im Google Content Network wie auch Werbekunden. Den Traffic, den sie für ihre Zwecke benötigen, würden sie so zielgenau bei Burda nicht bekommen.

Die nächste Frage ist, ob eine Verlagsgruppe wie Burda für ihre Online-Angebote mehr Nutzer hätte ohne die Existenz einer starken Suchmaschine wie Google. Und das ist noch nicht einmal die Kernfrage. Die lautet nämlich: Brauchen Verlage mehr Traffic oder einfach nur mehr Geld aus dem vorhandenen Traffic? Wären wir also bei dem eigentlichen Problem, das die Publisher oder deren Vermarkter haben. Lange Zeit haben gerade Verlage den Weg des langen Atems gewählt und sind verständlicherweise sehr restriktiv mit ihrem kostbaren Online-Inventar umgegangen. Mit steigendem Druck auf die Online-Units öffnen sich die Vermarkter und fangen an, das Inventar mit Secondary-Premium-Buchungen, Low-TKP oder auch Response-Kampagnen stärker auszulasten. Viele stellen allerdings fest, dass das trotzdem nicht ausreichen kann, weil der TKP oft nur bei ein paar Cent liegt. Nach meiner Überzeugung muss die gesamte Verlagsbranche alles über Bord werfen, was bis heute Gültigkeit im Vermarktungsgeschäft hatte. Erst dann können die Medien vom Potenzial der Online-Werbung auch wirklich profitieren.

Gemeinsam auf Augenhöhe mit Google

Verlage und auch Portale dürfen schlicht und einfach ihre Portfolios nicht isoliert betrachten. Das Inventar wird erst dann wirklich wertvoll, wenn es sich vermarkterübergreifend ergänzen kann. Der Nutzer surft nämlich nicht in abgesteckten Vermarktungs-Claims. Um den Nutzer geht es, seine Interessen und damit die Relevanz einer Anzeige. Für die Herstellung von Relevanz braucht man maximale Reichweite mit einer maximalen Nutzungstiefe. Erst dann kann man nach allen Regeln der Kunst Targetingtechniken einsetzen und die Kampagnen nach gewünschter Performance ausoptimieren. Das Motto muss lauten: Wir finden für jeden Topf auch einen Deckel. Erst dann ist man auf Augenhöhe mit Google und dann könnten tatsächlich annehmbare TKP dabei herauskommen, für alle. Ich bin davon überzeugt, dass sich Erlöse nur in einem großen Verbund von Medienangeboten für jeden einzelnen maximieren lassen.

Solange sich die Anbieter von Display-Werbeflächen abschotten, werden auch irgendwelche Performance-Insellösungen keine Rettung versprechen. Es ist eine riesige Herausforderung, Vermarkter- und Publisherinteressen zu bündeln und eine Möglichkeit der technischen Abwicklung zu finden. Vom Werbegeschäft hängt aber momentan alles für die Medien ab. Google hat dieses massive Abstimmungsproblem nicht: Mit dem DoubleClick Exchange und YouTube marschiert Google zielstrebig auf die deutschen Display-Budgets zu. Es ist Zeit zu handeln, ansonsten wird Hubert Burda bald schon einen fairen Anteil seiner Werbeerlöse an Google zahlen und nicht umgekehrt.

Viel Spaß mit Adzine!

Über den Autor/die Autorin:

Arne Schulze-Geißler, Herausgeber ADZINE