Diesen Newsletter empfehlen


ONLINE VERMARKTUNG
Google dominiert den deutschen Adtech-Markt

Frederik Timm
blauananas, Bild: Adobe Stock

In der Landschaft der deutschen Digitalvermarkter zeichnet sich ein klares Bild ab: Google dominiert den Markt. Kein Zeichen von einer Publisher-Offensive, die sich mit Alternativen gegen den Walled Garden von Google stellt. Vielmehr scheinen sich die meisten Vermarkter mit ihrer Abhängigkeit von Google arrangiert zu haben. Kein Wunder, denn befragt man die verantwortlichen Admanager, haben die fast nur Gutes über Googles Adtech-Stack zu berichten. Außerdem ist ein Wechsel ein umständliches und kostenintensives Unterfangen. Insofern ist auch die frühe Marktreife der DoubleClick-Systeme ein Vorteil für Google gewesen.

Vorteil: Alles aus einem Guss

In einem erst kürzlich geschlossenen Deal hat sich mit Ströer Digital, der größte deutsche Digitalvermarkter, für eine einheitliche Lösung aus dem Hause Google entschieden. Nach der Zusammenlegung des Inventars der aufgekauften Vermarkter Interactive Media und OMS musste aufgeräumt werden und eine komplette Vermarktung über Google mit DoubleClick for Publishers (DFP) als Adserver und Googles Ad Exchange (AdX) ist übersichtlich und verhindert ein Durcheinander an Anbietern. Andere Vermarkter sind da etwas experimentierfreudiger. Doch gerade Ströer macht einen großen Anteil des vermarkteten Inventars in Deutschland aus, hat das Unternehmen Anfang April 2017 doch auch die Vermarktung des Inventars von Bauer Media übernommen.

Adserver

Große Vermarkterübersicht

Unter den Adservern sind neben dem Marktführer Google DFP auch Anbieter wie das deutsche Unternehmen Adition und der US-Amerikaner AppNexus vertreten. Sie bilden jedoch eher die Ausnahme als die Regel. Adition wird von United Internet Media und Spiegel Media genutzt. AppNexus konnte sich erst Anfang des Jahres bei einem Pitch von Media Impact gegen die Konkurrenz durchsetzen. Media Impact begründete die Entscheidung gegenüber ADZINE mit der Variabilität bei den Werbekanälen und der offenen Schnittstellenarchitektur von AppNexus. Carsten Schwecke CDO und Geschäftsführer von Media Impact: „AppNexus bietet einen komplett holistischen Ansatz über alle Kanäle (Stationär, Mobile, Apps), alle Werbeformen (Display, Video, Native) und alle Ausspielungswege (Direktgeschäft und Programmatic) an. Dabei setzt AppNexus auf komplett offene und transparente Schnittstellen, so dass sowohl alle internen Prozesse als auch alle externen Kundenprozesse optimal angebunden werden können.“

Vereinzelt greifen Anbieter wie IP Deutschland und Spiegel Media auch auf weitere separate Lösungen für ihr Videoinventar zu. Neben Ooyala sind auch Instream-Experte Smartclip sowie Teads mit ihrer Outstream-Lösung zu nennen.

SSP/Ad Exchange

Im Bereich der Supply-Side-Plattformen (SSP) und Ad Exchanges zeigt sich eine wesentlich höhere Diversität von genutzten Adtech-Angeboten. Zwar sind viele der Top-Vermarkter an die Google Ad Exchange angeschlossen, jedoch fahren die meisten von ihnen mehrspurig, allen voran eBay Advertising. Ebay ergänzt die Google AdX durch insgesamt fünf andere Lösungen: Rubicon Project, Index Exchange, AppNexus, OpenX und Pubmatic. Eine weitere SSP, die weitläufige Verbreitung findet, ist Yieldlab. Sie ist in fast jedem der Adtech-Stacks vertreten, sei es nun als vorrangige SSP oder als Ergänzung für Sonderformate. Googles AdX wird hingegen meist nur ergänzend zu der Haupt-SSP der Vermarkter verwendet, siehe Beispiel Media Impact. Trotz des Wechsels zu AppNexus kann man offenbar auch weiterhin nicht komplett auf Google verzichten.

Kleine Vermarkter zeigen Ähnlichkeiten zu großen

Im Vergleich der Adtech-Stacks von deutschen Vermarktern finden sich auch drei Publisher mit etwas geringeren Reichweiten wieder. Unter den verwendeten Adservern wird auch hier Google bevorzugt. Beim programmatischen Handel kommen jedoch auch andere Lösungen zum Einsatz. So vertraut Netpoint Media auf eine Header-Bidding-Lösung, die Adform, AppNexus, AOL, Pubmatic, Rubicon und Yieldlab umfasst. One by AOL ist hier der Adserver. Quarter Media und YOC hingegen vertrauen hauptsächlich den Angeboten von Google. Erstere ergänzen beim programmatischen Anzeigenverkauf die AdX um Adform und Yieldlab, wenn es um Private Deals und Programmatic Direct geht. Die Auswahl zeigt ein ähnliches Bild wie unter den Top-Vermarktern und bestätigt, dass sich die Dominanz von Google durch die gesamte Vermarkterlandschaft in Deutschland zieht.

Die Übersicht kann hier als PDF heruntergeladen werden.

ANZEIGE

MEDIA
Seelenloses Programmatic?

Jens von Rauchhaupt
Thomas Koch

Thomas Koch, alias Mr. Media, langjähriger Mediaplaner, Agenturgründer, Autor und Berater ist bekannt dafür, kein Blatt vor dem Mund zu nehmen, wenn es um die derzeitige Entwicklung des Mediageschäfts geht. Koch ist einer der schärfsten Kritiker des Programmatic Advertisings. Auch von Online Werbung hält er nicht immer viel und gilt eher als Verfechter der Klassik. Was liegt also näher als den Geschäftsführer von TK-One auf die ADTRADER einzuladen und mit ihm über seine Kritikpunkte zu diskutieren.

Denn Thomas Koch hat einiges zu sagen, wenn es um den automatisierten Mediahandel geht. Koch klagt die Branche an:

„Strategisch und gezielt eingesetzt, ist Programmatic ein faszinierendes Tool, das Effektivität und Effizienz steigern kann. Blind und universell eingesetzt macht es Marketing und Media zu einem seelenlosen Mechanismus. Es behandelt die Verbraucher respektlos wie Klickvieh und soll aus ihnen ferngesteuerte Kaufroboter machen. "All Programmatic" macht die Zielgruppenansprache schablonenhaft und läutet das endgültige Ende der Aufmerksamkeit ein.” (Thomas Koch)

Futter für seine Kritik bekam Koch zuvor durch das EMR Institut für Europäisches Medienrecht, das die Geschäftsmodelle der börsennotierten Mediaagenturen durchleuchtete und besonders den automatisierten Mediahandel mit seiner Intransparenz an den Pranger stellte. Das 150-Seiten starke Papier des EMR hat Koch zu einem bemerkenswerten Beitrag auf der W&V veranlasst. „Stoppt die wildgewordenen Mediaagenturen“, heißt es da.

ANZEIGE
Dank Algorithmus deutlich: Prank-Video-Star Mert Matan in der Nähe des Fitness-Clusters , BIld: ReachHero

Influencer-Marketing hat sich im letzten Jahr vom Nischenthema zu einem der aktuell größten Branchentrends entwickelt. Damit einhergehend ließ sich eine schrittweise Professionalisierung der Disziplin beobachten, die längst noch nicht abgeschlossen ist. Leider werden aber auf Seite von Marken und Agenturen viele Entscheidungen weiterhin eher aus dem Bauchgefühl als anhand von verfügbaren Daten getroffen. Das liegt nicht zuletzt daran, dass zwar eine Menge von Daten verfügbar ist, diese für Werber aber noch viel zu selten benutzerfreundlich aufbereitet wird. Doch genau bei dieser Herausforderung können Ansätze aus dem Bereich Big Data und Machine Learning Lösungen bieten.

Eine der wesentlichen Herausforderungen, vor denen Marketer beim Werben über digitale Meinungsführer stehen, ist es, den richtigen Influencer zu finden. Oft haben sie dafür bereits Daten zu der gesuchten Zielgruppe und möglicherweise auch zum passenden Umfeld. Wollen Dienstleister hier zeitnah passende Vorschläge machen, greifen sie auf Daten über die Follower der Influencer (z. B. Demographie und Geographie) zurück. Gleichzeitig werden Hashtags und Kommentare auf passende Themen hin analysiert. Um Influencer mit besonders aktiven Followern zu finden, hilft außerdem ein Blick auf die Engagement-Rate. Wichtig ist nur: Damit das Ergebnis die Realität bestmöglich widerspiegelt, sollte die Engagement-Rate immer ins Verhältnis zur Followerzahl des Influencers zum Zeitpunkt des Postings gesetzt werden.

Wie helfen Big Data und Machine Learning beim Finden des Wunsch-Influencers?

Damit Werber hier schneller und automatisierter passende Influencer finden, kann das sogenannte Clustering helfen. Dabei entscheidet ein Algorithmus, wie sehr sich bestimmte Influencer ähneln, indem er sich einer Vielzahl von Signalen wie der Follower-Demographie, der Follower-Anzahl, den Kommentaren oder den Hashtags bedient. Das führt dazu, dass Influencer nicht nur einer Kategorie wie Beauty oder Automotive zugeordnet werden, sondern multidimensional zueinander verortet werden können. Der Algorithmus arbeitet dabei vollkommen autark und auf Basis maschinellen Lernens, das heißt ohne jegliche Vorgabe oder Klassifizierung.

Ziel ist es, dadurch ein umfangreicheres, differenzierteres Bild und nicht nur eine einfache Klassifizierung zu erreichen. So kann sich dadurch zum Beispiel zeigen, dass Influencer, die oberflächlich nicht viel gemeinsam haben, tatsächlich sehr ähnlich im Content und der Zielgruppe sind.

Die neuen Stars – in einer Galaxie

Die folgende „Influencer-Galaxie“ wurde auf Basis von Daten wie Follower-Demographie, Follower-Anzahl, Kommentaren und Hashtags von einigen tausend deutscher Influencer erstellt und verdeutlicht das Prinzip des Clusterings.

Zur Erklärung: Die Nähe der einzelnen Punkte bildet den Grad der Ähnlichkeiten in verschiedenen Dimensionen ab. Die Größe der Punkte gibt in dieser Darstellung die Follower-Anzahl wieder (Instagram-Abonnenten). Die Grafik zeigt: In dieser Galaxie ist jeder Influencer mit jedem verbunden, insgesamt wurden mehr als 600.000 Verbindungen (Kanten) berechnet.

Die Influencer-Galaxie von ReachHero, BIld: ReachHero

Beim Blick auf die gesamte Galaxie lassen sich einzelne Cluster erkennen (z. B. ein Beauty-Cluster oder ein Fashion-Cluster). Deutlich wird, dass beispielsweise Influencerinnen wie Paola Maria, Mrs. Bella, Barbara Sofie, Diana zur Löwen oder Kisu inhaltlich nah beieinander liegen. Auf der anderen Seite lassen sich auch viele kleine Influencer(innen) ausmachen, die einen ähnlichen Content posten, z. B. Soraya Ali, Liza Kohl, Alina Knips.

Je näher die Punkte, desto ähnlicher die Influencer, BIld: ReachHero

Beim tieferen Blick in die Struktur der Galaxie zeigt sich, dass Bereiche wie Fitness, Sport und Ernährung in einem Cluster gebündelt sind. Interessant ist hierbei, dass zum Beispiel ein YouTuber wie Mert Matan, der eher für sogenannte Pranks, also Streiche, bekannt ist, auch in der Nähe des Fitness-Clusters lokalisiert ist. Der Grund: Tatsächlich veröffentlicht der Influencer auch immer wieder Videos und Postings rund um das Thema Fitness. Außerdem finden sich Influencer wie beispielsweise Tim Gabel, Powerjoel, Elena (trainhard_eatwell) in der Nähe.

Auch zu den Themen Comedy, Lifestyle und Hacks lässt sich ein Cluster erkennen: Hier finden sich Influencer wie Kurono, Hey Aaron (Co-Founder von ReachHero), Udo Bönstrup oder Joon Kim. Interessant ist, dass auch Influencer wie Sarah Bock und Pia Tillman (Pia macht Kirmes) hier auftauchen. Zum einen spielt hierbei natürlich der Content eine Rolle, zum anderen gibt es direkte Verbindungen der Influencer – so haben Aaron und Pia zum Beispiel bereits gemeinsam Videos veröffentlicht und auch Sarah und Aaron haben in der Vergangenheit bereits zusammengearbeitet.

Verbindungen zwischen YouTubern am Beispiel von HeyAaron, Sarah Bock & anderen, BIld: ReachHero

Berechenbarkeit durch Machine Learning

Je nach Gewichtung der einzelnen Signale können unterschiedliche Galaxien erzeugt werden. Eine visuelle Darstellung kann Werbern unter anderem dabei helfen, neue passende Influencer zu finden. Der größte Vorteil liegt aber nicht im Visuellen, sondern in den Daten dahinter. Erst diese erlauben, Tausende von Influencern schnell und immer wieder aktuell in Gruppen zu ordnen, und ermöglichen es damit Marketern, selbst bei auf den ersten Blick themenfremden Multiplikatoren inhaltliche Anknüpfungspunkte zu finden. Ein wichtiger Schritt, um Influencer-Marketing zu automatisieren, skalierbarer und damit auch ein Stück weit berechenbarer zu machen.

Autor/in

Bevor Philipp John 2014 zusammen mit Christian Chyzyk und Aaron Troschke mit ReachHero den ersten deutschen Marktplatz für Influencer-Marketing gegründet hat, verantworte er als Head of Business Development die Unternehmenswicklung des Marketing-Start-ups EverString im Silicon Valley. Hier kümmerte er sich vor allem um Neuerungen in den Bereichen Produkt und Business. Zuvor war Philipp John als Management Consultant in der internationalen Unternehmensberatung von A.T. Kearney tätig.
Werben bei ADZINE? Tel. 040 24 42 420 88 | E-Mail: media@adzine.de

IMPRESSUM: ADZINE GmbH | Feldstraße 36 | 20357 Hamburg | E-Mail: info@adzine.de