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Dirk Fromm, MediaCom, MediaCom

Die Programmatic Revolution muss man nicht mögen, denn sie wird anstrengend. Für uns Agenturen, weil wir unsere ganze Organisation, unser Businessmodell und das vertraute „Beratung folgt dem Deal“ zu: „Deal folgt der Beratung“ drehen müssen. Für unsere Mitarbeiter wird sie anspruchsvoll, weil sie immer schneller immer unglaublichere Technologien meistern müssen. Für die Auditoren, weil sie Programmatic noch gar nicht abbilden, geschweige denn realistisch bewerten können. Fast schon lustig, dass 90% unseres Milliarden-Business noch immer mit Excel-Tabellen auditiert wird…

Und auch unsere Kunden haben es nicht leicht: was Programmatic kann und vor allem, was es bald können wird, muss ihnen dringend jemand erklären. Denn auch sie müssen ihr Marketing überdenken und wichtige Entscheidungen über Strategien, Technologien und Daten treffen – obwohl es manchmal schon ein Riesenfortschritt wäre, wenn es für diese Themen überhaupt erstmal direkte Ansprechpartner gäbe.

Programmatic wird uns nicht vom Image-Problem unserer Industrie erlösen. Denn natürlich basiert auch Programmatic auf Trading, diesem Begriff, der wie ein Fluch auf uns lastet. Das ist ziemlich seltsam – und ein teutonisches Phänomen – meint doch Trading nichts weiter als „Handel treiben“. Warum Trading ausgerechnet im Bereich Media ein Four-Letter-Word geworden ist, gehört zu den erstaunlicheren Treppenwitzen unserer Zunft. Und wie wir ohne Trading die besten Deals für unsere Kunden erzielen sollen, hat noch keiner von denen, die so gern und selbstgerecht kritisieren, beantworten können. Wie auch.

Tierisch anstrengend also, keine Rettung fürs Image und hysterisch überfeiert – Programmatic hat seine Schattenseiten. Was allerdings nichts daran ändert, dass es im Kern ein unfassbares, von vielen unverstandenes Geschenk der Mediagötter an uns alle ist.

Warum? Auf den ersten Blick, weil wir mehr denn je über Interessierte und Käufer, ihre Verhaltenspattern und Rezeptivität wissen – also darüber, wo, wann und wie wir mit ihnen in Kontakt treten sollten. Und natürlich, weil wir dieses „wo, wann und wie“ in Echtzeit anpassen, feintunen, perfektionieren können.

Großartig, kein Zweifel.

Aber erst auf den zweiten Blick wird das eigentliche Geschenk sichtbar:
Durch Programmatic wird unsere Beratungsleistung wichtiger denn je. Denn eines wird viel zu oft übersehen: Big Data, digitale Vernetzung, leistungsfähige Software, kurz: die faszinierende „Maschinen-Seite“ von Programmatic wird ein stumpfes Schwert bleiben, wenn dahinter keine schlauen Köpfe stehen.

Programmatic braucht schlaue Köpfe und agile Agenturen

Schlaue Köpfe, die Strategien entwerfen, Markenführung verstehen, Briefings schreiben und dann Input und Output permanent überprüfen und optimieren. Jeder, der Plattformen wie airbnb oder mobile.de und sogar Google nutzt, weiß, wie viel Gehirnschmalz man aufwenden muss, um wirklich genau das zu bekommen, was man haben will. Und das trotz – oder gerade wegen – der immer leistungsfähigeren und komplexeren Software. Programmatic funktioniert genau so und braucht deshalb immer mehr schlaue Köpfe, nicht weniger.

Köpfe, die wir haben, niemand sonst.

Allerdings fällt uns dieses Geschenk nicht in den Schoß. Im Gegenteil: Um es anzunehmen muss jeder von uns etwas lernen, was bisher nicht gerade zu den Grundeigenschaften von Media-Agenturen gehörte: Agilität.

Agilität als Haltung, als die Bereitschaft, stetige Veränderung nicht nur zu akzeptieren, sondern sie willkommen zu heißen. Und diese Agilität hat viele Gesichter:

Agilität in der Organisation: Wir werden immer mehr zum „Schwarm“ werden. Immer bereit, die Richtung zu ändern und uns zu neuen Mustern zusammenzufinden. Immer bereit, lieber zum zweiten Mal in drei Jahren die Büros umzubauen, als eine Chance zu verpassen, die uns eine neue Technologie bietet.

Agilität in der Karriere: Wir werden in immer schnellerem Takt umlernen, neulernen, querlernen. Wir werden uns neue Berater und Strategen, Planer und Techies heranziehen. Wir werden alle paar Jahre unsere Jobtitel ändern – nicht, weil wir es müssen, sondern weil wir schon wieder unbekannte, großartige Teile von Neuland erobert haben.

Agilität in den Investitionen. Nicht dadurch, dass wir agil kaufen (was immer das auch ist), sondern indem wir in agile Unternehmen, Hardware, Menschen investieren, und dadurch selbst agiler werden. Das kann vieles sein: ein Big-Data-StartUp, eine revolutionäre Software oder die Erweiterung der Skillsets unserer Mitarbeiter.

Wir brauchen diese Agilität, damit wir am Ende wieder genau das tun können, wofür wir ursprünglich gegründet wurden: die Botschaften unserer Kunden an den Mann und die Frau zu bringen – aber dieses Mal unfassbar präziser, persönlicher und effektiver als wir es uns noch vor ein paar Jahren hätten träumen lassen.

Es wird also nichts mit dem (schon wieder typisch deutsch) genüsslich herbeiorakelten großen „Media-Agenturen-Sterben“? Sorry, eher nicht.

Die komplexen Prozesse dieser Industrie beherrschen nur wir. Das ist der wahre Grund, warum Media-Agenturen, wenn sie denn sterben, höchstens an innerer Trägheit zu Grunde gehen, oder dem Unwillen, radikal neu zu denken. Ganz sicher jedenfalls nicht an Programmatic.

Denn ganz egal wie medienwirksam SAP, Google oder Thomas Strerath nach unserem Business schnappen: Funktionieren wird das nicht. Dafür fehlt den „Neuen“ einfach viel zu viel Infrastruktur und Know-How. Google ist zwar konkurrenzlos im Umgang mit Daten versucht aber Kunden in seinen Walled Garden zu locken – neutrale Beratung geht anders. SAP hat zwar die Technologie – aber zur Zeit eben auch nur das. Und mein Angebot an Thomas Strerath, bei uns ein Praktikum zu machen, steht nach wie vor…

Lassen wir sie also ruhig trommeln.

Spätestens, wenn nach der nächsten WM die Smart TVs in jedem Wohnzimmer stehen, wenn digitales Radio in jedem Auto dudelt, wenn die Menschen dank Big Data und Künstlicher Intelligenz nur noch exakt das sehen und hören werden, was sie wirklich wollen, wird eines klar sein: Die ungeheure Komplexität von Programmatic braucht hochprofessionelle Media-Agenturen und ein Level an medialer Kreativität und Fantasie, das nur wir liefern können.

Bild Dirk Fromm

Autor/in

Dirk Fromm ist Chief Operating Officer (COO) von MediaCom Deutschland. Sein Verantwortungsbereich erstreckt sich auf zentrale strategische Führungsaufgaben in der Agentur, wie etwa Kundenbeziehungen, Digital Strategy, Research, Business Development, Marketing und Public Relations. Fromm kam zwar erst 2016 zu MediaCom, allerdings ist dies nicht sein erster Job bei Deutschlands führender Full Service Media-Agentur: So war der Digitalexperte nach seinem Volontariat bei Grey von 1986 bis 1999 schon einmal als Manager bei MediaCom tätig. Es folgten Stationen als Managing Partner bei MEC (1999-2003) und als Chief Executive EMEA und Co-Founder bei der Davinci Selectwork GmbH (2003-2009). Danach war er CEO der Mediaagentur PHD Germany.
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© ADTRADER CONFERENCE 2016

Die Marketingbranche entwickelt sich nicht weiter, wenn man die Kreativen nicht mitnimmt. Insbesondere in den Wachstumsmärkten Mobile, TV und OOH sind emotionale, innovative Konzepte gefragt. Der Tenor der diesjährigen Adtrader Konferenz in Berlin war folglich, dass sich Kreation und Technologie stärker aufeinander zu bewegen müssen.

Zum fünften Mal schon traf sich die Adtech-Branche zum jährlichen Stelldichein auf der Adtrader Konferenz. Die ersten zwei Jahre fand das Event in Hamburg statt und seit 2014 ist man in Berlin zu Hause, ein Umzug, der der Entwicklung der Veranstaltung sichtlich gutgetan hat.

Knapp 500 Teilnehmer versammelten sich, um die Entwicklungen der digitalen Marketingbranche zu diskutieren, Neben dem Stammpublikum aus dem Herzen der technischen Dienstleistung kommen inzwischen immer mehr Publisher, Werbungtreibende und Kreative im Frühsommer nach Berlin. Für alle Beteiligten ist klar: Nur im Schulterschluss wird es gelingen, etwa Mobile Advertising attraktiv zu machen und damit zum Beispiel zu verhindern, dass die User mobile Adblocker installieren.

Jochen Schlosser, © ADTRADER CONFERENCE 2016

DenAuftakt machte Jochen Schlosser, Senior Vice President von Adform. Er hielt ein Plädoyer dafür, aus Werber- und Agentursicht eine zentrale Datenplattform einzurichten und zu pflegen, in der insbesondere die Targeting-Daten und Audience-Profile hinterlegt sind. Nur mit einer solchen Struktur kann es gelingen, eine Kommunikation aus einem Guss zu gewährleisten und den Geschwindigkeitsanforderungen von Programmatic Marketing Herr zu werden.

Panel: "Programmatic - neue DNA für das Marketing?" v.l.: Ugwu, Kiock, Wolfram, © ADTRADER CONFERENCE 2016

Im ersten Panel des Tages diskutierte Moderator Thomas Duhr vom BVDW mit den Teilnehmern über die Frage, ob Programmatic die neue DNA des digitalen Marketings sei. Es bestand Einigkeit darüber, dass die Echtzeitautomatisierung das Zeug dazu hat und letztlich vor allem als Tool zu begreifen sei. Doch bis dahin ist auch noch ein weiter Weg. Frank Wolfram, CEO der Agentur Interone, gab zu bedenken, dass Daten ohne Kreativität auch keine guten Kampagnen abgeben.

Und Advertiser Richard Ugwu, Business Innovation Manager bei der Metro Group, ist sich auch der Qualität dieser Daten nicht immer sicher: „Bei manchen Kampagnen fällt es den Dienstleistern ja schon schwer, Männchen und Weibchen sauber zu unterscheiden.“

Ugwu gab aus seiner Perspektive zu verstehen, dass vor allem Google und Facebook ihre Hausaufgaben machen und ein Paket bieten, das für Werbungtreibende griffig ist. Genau das illustrierte Oliver Busch, Head of Agency bei Facebook, im anschließenden Vortrag deutlich. Er zeigte unter anderem eine Fallstudie von Tchibo, bei der man zielgerichtet auf Personas zuging und auch für jeden Kundentyp sehr unterschiedliche Videos produzierte. Mit den sogenannten „Mindsights“ geht Facebook deutlich über das klassische Demographie-Targeting hinaus, macht es aber auch gleichzeitig leicht zu handhaben. Ist die Advertising-Technologie so gut?

Sacha Berlik, © ADTRADER CONFERENCE 2016

Nach der ersten Pause schrieb Sacha Berlik von The Trade Desk der Branche ins Stammbuch, dass man sich vielleicht nicht zu lange auf den technologischen Lorbeeren der Vergangenheit ausruhen sollte. Schon heute, so Berlik, werden viele programmatische Anfragen wegen Timeouts abgebrochen. Wenn die Branche weiterwächst und somit mehr Parameter und mehr Interessenten in jeder einzelnen Werbeplatzauktion auf den Markt treten, dann reicht die bisherige lineare Infrastruktur nicht mehr aus. Man braucht eine komplexere Logik mit Entscheidungsbäumen.

Eine andere Form der Entscheidungshilfe präsentierte Sotir Hristev von Havas Media. Er setzt auf künstliche Intelligenz, um aus dem gesamten Datendschungel die relevanten Informationen herauszufiltern. Dieser Ansatz ermöglicht Data Governance, was schließlich auch den Nutzer in die Lage versetzen kann, sein individuelles Datenschutz/Targeting-Niveau zu definieren.

Mit Thomas Heinz kam anschließend ein Kreativer auf die Bühne. Der Kreativdirektor der vornehmlich klassisch agierenden Agentur Antoni sieht keinen Widerspruch in Daten/Automatisierung und Kreation. Er betonte aber, dass man das Thema Daten immer zu sehr im Zusammenhang mit Mediaausspielung diskutiere. Für Heinz sind Insights über die potenzielle Zielgruppe, mit denen es die Kreativagentur zu tun hat, mindestens ebenso wichtig.

Panel "Programmatic greift nach Kreation" , © ADTRADER CONFERENCE 2016

Das darauffolgende Panel stellte sich die Frage nach der Zusammenarbeit zwischen Kreativagenturen, Mediaplanern und technischen Dienstleistern. Klar scheint zu sein, dass Media- und Kreativagenturen sich wandeln müssen. Sebastian Küpers, Leiter Artificial Intelligence bei Pixelpark, stellte klar, dass auch Kreativagenturen ohne eine eigene, starke Technologiekompetenz auf Dauer nicht weiterkommen.

Best Practices

Georg Banze, © ADTRADER CONFERENCE 2016

Nach der Mittagspause eröffneteGerald Banze mit der Perspektive eines Quereinsteigers. Von der Mediaagentur kommend arbeitet er nun in der Datenvermarktung. Q Division aggregiert Daten über die Kaufwahrscheinlichkeiten der Nutzer. Auch Banze erwartet von der Adtech-Branche, dass sie stärker auf die Werbungtreibenden und Publisher zugeht.

Was passiert, wenn Technologieanbieter und Medien enger zusammenarbeiten, demonstrierten Marcus Peikert von StickyAds und Mark-Olaf Winter vom Spiegel Quality Channel. Der Spiegel bietet einen Gutteil seines Inventars inzwischen in Private Marketplaces an. Die Privatauktion erfüllt die Bedürfnisse der Medien, den direkten Vertrieb an große Marken nicht zu kannibalisieren, sorgt aber gleichzeitig für den dynamischen Auktionshebel, der höhere TKPs erwirtschaften kann. Und genau das ist beim Spiegel geschehen. In allen Messgrößen haben sich die Erlöse für den Spiegel verbessert. „Wir hatten eigentlich gar keine Not, aber es hat sich gelohnt“, sagte Winter.

Wirkungsnachweise wie dieser sind inzwischen unverzichtbar auch für die Kundengewinnung. Frederike Voss, CEO von Orbyd, erwartet, dass mehr Transparenz in den Markt kommt, damit Werber zum Beispiel auch programmatische Kampagnen gegenüber direkt eingekauften Kampagnen ausbalancieren können. Dass da nicht alles Gold ist, was glänzt, betonte Michael Baum, CEO von Stailamedia: „Ohne gute Fraud Protection kommt man mit keinem Advertiser mehr ins Geschäft.“

Stefan Beckmann, SpotX, © ADTRADER CONFERENCE 2016

Zum Abschluss des dritten Blocks beleuchteten Stefan Beckmann von SPOTXund Martin Schwager von den Netzathleten die Chancen, die im dynamisch wachsenden Markt Bewegtbildwerbung liegen. Auch hier macht das Thema Automatisierung nicht halt. Bis zu 14 Prozent höhere eCPM erzielte man mit einer Beispielkampagne, solange der ausgespielte Werbeinhalt zum Video passt. Der größte Hebel liegt in den Werbeflächen, die um das Video herum platziert werden, die sogenannte Outstream-Werbung.

TV, Radio und Mobile

Den letzten Block eröffnete Jens Mittnacht, Managing Director bei Sevenone Media. Er skizzierte die Transformation, die das Hause Pro7Sat1 gerade durchmacht. „Alles wird IP-basiert“, erklärt Mittnacht und zeigt damit, dass nicht nur die TV-Signale mittelfristig programmatisch buchbar werden, sondern dass er auch in der Lage ist, TV-Kampagnen mit Online-Marketing zu synchronisieren. HBBTV, also die Smart-TV-Interaktion stellt für Pro7Sat1 hier derzeit das Mittel der Wahl dar.

Dora Michail, © ADTRADER CONFERENCE 2016

Die einzige weibliche Referentin der Adtrader 2016 kam aus Großbritannien, von Yahoo. Dora Michail, Director Audience, berichtete von der weit fortgeschrittenen Standardisierung bei Yahoo in Sachen Native Advertising. Besonders gut funktionieren die Kampagnen, wenn man in der Lage ist, User stringent auf dem Desktop und im mobilen Kontext zu beliefern. Yahoo hat eine eigene ID-Struktur, mit der die Briten in Deutschland 60 Prozent der User identifizieren können. In UK sind es 85 Prozent, weil weniger legale Hürden existieren.

Panel "The Future of Advertising Made by Mobile Moments" , © ADTRADER CONFERENCE 2016

Tatsächlich ist das Thema Mobile Advertising noch recht problematisch für die meisten Agenturen und Advertiser. Kern der von Daniel Rieber (Adsquare) geleiteten Diskussion waren folgerichtig die Möglichkeiten, die die Branche hat, um den Kontext des mobilen Nutzers besser erfassen zu können. Google identifiziert die wichtigsten Situationen als Mobile Moments. Lothar Prison von Vivaki zeigte sich selbstkritisch: „Wir müssen enger mit den Kreativen arbeiten, um bessere Kampagnen zu entwickeln, das Potenzial, das in Mobile existiert, ist enorm.“ Nach wir vor hinken die Werbegelder (knapp 10% vom Gesamttopf Online-Marketing) der Nutzungsfrequenz deutlich hinterher. Einzelne Medien berichten von bis zu 70% mobilen Zugriffen, der Durchschnitt liegt irgendwo bei 30%.

Den Schlusspunkt der diesjährigen Adtrader Konferenz setzte Tobias Conrad vom Audiovermarkter RMS.Die „Tonspur“ begleitet den User über den ganzen Tag hinweg und kann ihn auch mobil gut erreichen, vor allem weil Transaktionsaktivitäten auf dem Smartphone davon nicht gestört werden. Auch die Radiovermarktung bewegt sich mit hohem Tempo in Richtung Programmatic.

Networking, seit je her ein wichtiger Bestandteil der ADTRADER, © ADTRADER CONFERENCE 2016

Unterm Strich stand eine Adtrader Konferenz 2016, in der neben neuen Technologien auch viele nachdenkliche Töne angeschlagen wurden. Die Branche befindet sich trotz des Wachstums in einer Konsolidierungsphase. Mehrheitlich wurde der Wunsch geäußert, man möge nächstes Jahr noch mehr Kreative mit an den Tisch holen. Wir sind gespannt.

Hinweis: Weitere Fotos von der Adtrader Conference 2016 finden Sie auf Flickr und Videos auf Youtube.

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Die Zeit in der Telekommunikationsunternehmen (Telkos) durch neue Neukundenverträge große Umsätze eingefahren haben sind vorbei. Der Mobilfunkmarkt ist gesättigt und Telkos müssen sich nach neuen Monetarisierungsmöglichkeiten umsehen. Und was läge da näher, als den riesigen Haufen Daten, auf dem sie sitzen, zu nutzen? Was bei vielen anderen Unternehmen selbstverständlich und gängige Praxis ist, stellt sich für die datenschwangeren Telkos jedoch als nicht gerade einfach heraus.

Die unterschiedlichen Datenschutzbestimmungen und eine emotional aufgeheizte Stimmung in einigen Märkten stehen den Unternehmen häufig im Weg, ihre Daten weiterzuverkaufen. Hier kommen einige wenige Unternehmen ins Spiel, die sich genau darauf konzentrieren. Sie übernehmen für die Telkos die Aggregierung und den Verkauf der Daten an Werbetreibende. Wie viele Informationen von Nutzern tatsächlich freigegeben werden, hängt jedoch immer stark von den Regulierungen des Marktes und der Nachfrage ab.

Telko-Daten: Ein heißes Thema

In der Theorie sind Telko-Daten das Mekka für jeden Werbetreibenden. Die großen Mobilfunkunternehmen haben nicht nur demographische Daten über ihre Kunden wie Alter, Geschlecht und geschätztes Einkommen, sie verfügen auch über die Adressdaten, können die Standorte der Nutzer tracken und die Surfgewohnheiten registrieren. Qualitativ gesehen dürften nur 1st-Party-Daten an eine solche Exaktheit heranreichen.

Jedoch ist die Qualität der Daten Fluch und Segen zugleich. Wenn Stand- und sogar Wohnorte von Nutzern und darüber Identitäten ermittelt werden, braucht es nicht lange, um Datenschützer zu alarmieren. Dies ist gerade in Europa und insbesondere Deutschland ein wichtiges Thema für die Datenriesen. Hierzulande sind die Auflagen wesentlich strikter als beispielsweise in den USA, wo besonders die Standortdaten heiß begehrt sind. Telkos stehen damit vor der Aufgabe, auf jedem Markt gesondert mit den jeweiligen Regulatoren zusammenzuarbeiten und die Daten geschickt zu vermarkten. Aus diesem Grund kann es sich für die Unternehmen schwierig gestalten, selbstständig auf den Märkten als Datenanbieter Fuß zu fassen. Doch die Monetarisierung von Daten verspricht hohen Gewinn. Was im Moment auf einen 24 Milliarden US-Dollar-Markt geschätzt wird, soll sich laut einer Studie von '451 Research' bis 2020 auf 79 Milliarden US-Dollar erhöhen.

Um an diesem Markt teilzunehmen, bieten Unternehmen wie das Startup Zeotap ihre Dienste an. Sie aggregieren die Daten von Telkos, vermarkten sie und sorgen dafür, dass die Datenschutzrechte der verschiedenen Märkte eingehalten werden.

Noch keine Standortmessung in Echtzeit

Daniel Heer, Bild: zeotap

Bei Zeotap konzentriert man sich derzeit hauptsächlich auf Daten, die durch Mobilfunkverträge gewonnen werden. So lassen sich zum Beispiel aus der Höhe des jeweiligen Vertrags Einkommensschätzungen ableiten. Erst kürzlich hat das Unternehmen so die relevanten Daten für eine gezielte Mercedes-Kampagne in Spanien geliefert. Die in Echtzeit gemessenen Standortdaten hält Daniel Heer, Geschäftsführer von Zeotap, besonders bei großen Brand-Kampagnen für überschätzt: „Es kommt auf der einen Seite darauf an, was der Kunde will und auf der anderen Seite, was regulatorisch möglich ist. In den USA wird im Moment viel über Real-Time Location Data gesprochen. Wir glauben, dass diese Art von Targeting zwar sexy klingt, jedoch nicht so viel bietet, wie manche sich davon versprechen. Man kann vielleicht 10.000 Kunden zum nahegelegenen Einzelhändler schicken. Es stellt sich die Frage, ob ein großer Brand das überhaupt will. Demographische Daten hingegen skalieren ziemlich gut. Sie sind datenschutzrechtlich nicht so sensitiv, wie Standortdaten. Wenn die Stichprobe hinreichend groß ist, können dadurch keine Identitäten abgeleitet werden.“

Doch die vermeintlichen Vorlieben von großen Brands ist nur ein Argument, das gegen Lokationsdaten spricht. Ein weit größeres Problem sind meist die Datenschutzbestimmungen der verschiedenen Märkte. Meist schiebt der Datenschutz dem reichhaltigen Quell an Informationen häufig einen Riegel vor. In einigen Ländern wird hier nicht nur seitens der Politik, sondern auch seitens der Presse sehr sensibel auf Vorstöße in diese Richtung reagiert. Deutschland ist eins davon.

Deutschland, auf verlorenem Posten?

Derzeit ist Zeotap in Märkten aus Europa, Nordamerika und Indien aktiv. Deutschland gehört nicht dazu. Obwohl das Unternehmen aus Deutschland stammt, hat man sich dagegen entschieden. „Deutschland gehört aktuell nicht zu unseren Fokusmärkten. Ob wir zukünftig auch in Deutschland aktiv werden, hängt von mehreren Faktoren ab, unter anderem der Abstimmung mit dem Regulierer“, erklärt Daniel Heer. Die Regulierer sind jedoch nur eine Hürde, die lokale Telkos und ihre Datenvermarkter nehmen müssen. Denn selbst wenn entsprechende Datenschutzbestimmungen eingehalten werden, ist man in Deutschland sehr sensibel, wenn es um die eigenen Daten. Das musste auch die Telekom schmerzhaft am eigenen Leib erfahren. In einem Pilotprojekt in Zusammenarbeit mit dem VAG Nürnberg sollten aggregierte Lokationsdaten genutzt werden, um genauere Fahrgastzahlen und Pendlerzahlen zu messen. Das Projekt wurde jedoch nach kurzer Zeit eingestellt, da es Probleme mit dem Datenschutzgab. Das Presseecho war entsprechend.

Daniel Heer bricht die Lanze für den Gebrauch der Daten in Deutschland: „Das Thema ist in Deutschland so stark emotional vorbelastet, dass noch viel Arbeit an unterschiedlichen Stellen erforderlich ist. Zum einen auf der Nutzerseite: Die Vor- und Nachteile müssen klar, einfach und transparent diskutiert werden, ohne zu viel Emotion. Wir sind der Meinung, dass die Nutzung von Telko-Daten Sinn macht, wenn alle davon profitieren: der Nutzer, das Telko und die jeweilige Industrie, die aufgrund der Daten bessere Entscheidungen treffen kann. Das sollte perspektivisch auch in Deutschland möglich sein."

Denn auch wenn man die Lokationsdaten aus der Gleichung nimmt, könnten die Telko-Daten zumindest für große Unternehmen, die vom Fernsehen demographische Daten gewohnt sind, eine vertrauenswürdige Alternative darstellen und ihnen den Einstieg in Mobile erleichtern.

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