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Nik_Merkulov | dollarphotoclub.com


Ohne Werbung geht es nicht

Jens von Rauchhaupt

Vor kurzem hat das IT- Fachmagazin Golem.de die Abozahlen der eigenen Paid-Content-Lösung "Golem pur" veröffentlicht. Auch wenn die Verantwortlichen dieser Online-Publikation es nicht so sehen mögen, die Zahlen sind ernüchternd und sollten es jedem Publisher noch einmal vor Augen führen: Mit einem Paid-Content-Modell allein kann sich kaum ein Online-Medienangebot über Wasser halten. Ohne Werbung geht es einfach nicht.

Golem ist ein bei IT-Gadget-Fans, Programmierern und Systemadministratoren beliebtes und anerkanntes Fachmagazin. Es ist ein reines Online-Format, ein Kind des Internets. Anders als der Wettbewerb kann es sich weder auf eine langjährige Printleserschaft verlassen, die regelmäßig auch die Onlineversionen konsumiert, noch können gattungsübergreifende Cross-Marketingmaßnahmen eingesetzt werden. Und dennoch bringt es Golem.de laut AGOF auf eine Nettoreichweite vom 1,92 Mio. Unique User im Monat. Ein super Wert. Interessante und gute Storys finden eben auch 2015 noch ihre Stammleser.

Typisch für solche Publikationen im IT-Bereich ist eine treue, aber auch immerzu nörgelnde Nutzerschaft, die zu einem großen Teil Adblocker einsetzt, über 50 Prozent sollen es bei Golem.de sein. Das brachte die Macher auf die Idee, mit „Golem pur“ den Nutzern eine werbe- und trackingfreie Alternative anzubieten, die seit August 2014 als Zwölfmonatsabo, Sechsmonatsabo und Einmonatsabo zur Verfügung steht und dank kürzerer Ladezeiten auch mit mehr Nutzungskomfort bestechen soll.

Ernüchternd: Nur 1.638 Abonnenten

Doch nach vier Monaten haben sich gerade einmal 1.638 Abonnenten für die kostenpflichtige Pur-Version entschieden. Golem selbst gibt sich mit dieser Abonnentenzahl zufrieden und verweist darauf, dass die Zahlungsbereitschaft für Nachrichten und Texte im Internet ja generell gering seien – wie wahr, wie wahr –, sagt aber selbst, dass man die Zahlen auch „pessimistisch“ lesen kann. Und das sollte man auch, denn 1.638 Abonnenten bei einer Nutzerzahl von 1,92 Mio. im Monat, das ist eine „Aboquote“ von weniger als 1 Prozent.

Man muss Golem zunächst einmal Respekt zollen für die Offenheit hinsichtlich der Veröffentlichung der eigenen Abonnentenzahlen. Allerdings ist die Frage erlaubt, wie man mit 1.638 Abonnenten zufrieden sein kann. 3.680 Euro im Monat nimmt Golem nach eigenen Aussagen mit dem neuen Abomodell ein. Es kann davon ausgegangen werden, dass die monatlichen Werbeeinnahmen der „kommerziellen“ Golem.de-Seite deutlich höher liegen. Allein über das Abo wird sich Golem.de also weder mittelfristig noch langfristig tragen können, denn die Abozahlen von Golem-Pur steigen monatlich nur noch um drei Prozent.

Daher sollten sich solche Publisher und ihre Vermarkter eher fragen, wie sie ihr werbefinanziertes Modell verbessern können. Ohne Werbung geht es halt nicht. Dabei sind aber auch mehr Feingefühl und Einfallsreichtum gefordert – sowohl aufseiten des Publishers als auch aufseiten der Werbungtreibenden. Es reicht eben nicht, jede Webseite bis zur Unterkante mit Adspace vollzuknallen. Das ist eine Frage der Dosis und was man seinen Lesern zumuten will. Weniger ist manchmal mehr. Das gilt sowohl für den Advertiser, der mit seinem Werbebanner mehr Aufmerksamkeit erhaschen kann als auch für den Publisher, der mit einem ausbalancierten Auftritt seine Inhalte weitwerhin erfolgreich monetarisieren kann.

Immer wieder findet man aber auch Qualitätsseiten, auf denen Bewegtbildwerbung ohne Frequency Cap ausgesteuert wird. Seitenbesucher, die beim zehnten Contentvideo noch immer den gleichen Pre-Roll-Spot erdulden müssen, kehren doch eher widerwillig auf eine solche Webseite zurück oder installieren gleich einen Adblocker.

Und wo ist der Mut, etwas Neues auszuprobieren? Wieso versucht man es nicht mal mit sogenannten Adwalls, über die wir schon oft berichtet haben? Hier können einzelne Artikel noch einmal gesondert und für den Werbekunden besonders wirksam beworben werden.

Es mag in Zeiten des schier unendlichen Contentangebots und dem Programmatic Advertising verrückt klingen, aber kann das Premiumargument nicht noch immer stechen? Redaktionelle Inhalte haben eben ihren Preis und den sollte man dann auch einfordern. Das werden auch die Werbetreibenden und ihre Agenturen akzeptieren, jedenfalls dann, wenn sie noch an starke Umfelder für ihre Marke glauben und wissen, dass sich genau auf diesen Webseiten ihre Audiences bewegen.

Sicher, der Markt bewegt sich weg von der Umfeldvermarktung in Richtung datengetriebener Werbung, in der auf Profilbasis eingekauft wird. Daher sollte auch jeder reichweitenstarke Publisher über Programmatic Advertising nachdenken und Teile seines Inventars mithilfe von Supply-Side-Plattformen über Private Marketplaces anbieten. Aber vergessen wir nicht: Ein erheblicher Teil der Online-Vermarktung und des Mediaeinkaufs findet noch immer auf dem klassischen Weg statt, indem die Mediaplaner mit dem AGOF Top-Tool die passenden Umfelder zusammensuchen.

Guter und interessanter Online-Content wird sich also auch 2015 erfolgreich vermarkten lassen. Es braucht dazu keiner Paid-Content-Modelle, sondern einer ausbalancierten Vermarktung. Allerdings stehen auch die Werber in der Pflicht, endlich mehr Gehirnschmalz und Adtechnology in die Kampagnen zu gießen. Werbung sollte nicht als Belästigung empfunden werden. Ein gutes Beispiel ist hier der Themenbereich Targeting, den man aufgrund der zu Verfügung stehenden Datenvielfalt auch mal kreativ angehen kann, um auf die Befürfnisse der Nutzer angepasste Werbemittel auszuliefern. Karsten Zunke ist dieser Frage einmal nachgegangen.

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DATA
Kreativität per Algorithmus

Karsten Zunke

Technologien sind das eine, ihre optimale Nutzung das andere. In den vergangenen Jahren blieben manche Advertiser noch unter den Möglichkeiten. In der immer stärker technologiegeprägten Online-Werbung sind jedoch zunehmend kreative Ideen gefragt, um mit den Technologien Ergebnisse zu erzielen, die dem Wettbewerber nicht gelingen. Die Auswahl der passenden Targetingarten gehört ebenso dazu wie die kluge Kombination von Targetingmerkmalen. Dass eine technische Zielgruppenansprache auch kreativ sein kann, zeigen jüngste Beispiele.

Ende vergangenen Jahres verkündete Specific Media den Launch von „Shopper Access“. Mit dieser Targetingoption können Werbungtreibende ihre Kunden über alle Formate und Endgeräte hinweg anhand des Einkaufsverhaltens im stationären Handel kategorisieren und online ansprechen. Möglich macht dies eine nun erweiterte Partnerschaft mit Nielsen. Konsumenten können aufgrund der erworbenen Produkte und der Wahl ihres Einkaufsortes identifiziert und dieses Verhalten direkt mit ihrem Medienkonsum verknüpft werden. Davon verspricht man sich eine höhere Präzision und einen kosteneffektiveren Mediaeinsatz. Auch können Vielkäufer bestimmter Produktgruppen von Wenig- und Nichtkäufern separiert und online als Zielgruppe verfügbar gemacht werden. Beispielsweise lassen sich Offline-Vielkäufer von Tiefkühlprodukten online mit einer Multiscreen-Kampagne gezielt ansprechen.

Schon seit geraumer Zeit ist ein Trend zur Kombination von Offline-Informationen mit Online-Werbung spürbar. Auch bei adsquare, einem Technologieanbieter aus dem Berliner Umland, misst man den „Offline“-Daten größte Bedeutung zu. Hier vertritt man die Auffassung, dass das Verhalten eines Menschen in der echten Welt ein besserer Indikator für seine Interessen ist als beispielswiese seine Browserhistorie. So hat das Unternehmen die Welt in 50 mal 50 Meter große Quadrate (Squares) eingeteilt und berechnet, was in den einzelnen Quadraten passiert. Dazu werden in Echtzeit Daten aus verschiedenen Quellen ausgewertet. So weiß die Technologie beispielsweise, welche „Points of Interest“ in einem Quadrat liegen oder welche Veranstaltungen dort aktuell stattfinden – vom Weihnachtsmarkt bis zur Messe. Um beispielsweise Studenten online anzusprechen, sind die Koordinaten von Universitäten, Studentenwohnheimen und typische Studentenkneipen die entsprechenden Offline-Kriterien. Darauf basierend wird die Zielgruppe identifiziert, um dann online angesprochen zu werden.

Kreative Merkmalskombinationen

Doch nicht nur die Einbeziehung von Offline-Informationen ist für eine kreative Anzeigenausrichtung interessant. „Wichtig ist, individuell kreierte Zielgruppen anzubieten, um auch ausgefallene Produkte optimal bedienen zu können“, sagt Sema Saglik, Director Consulting bei nugg.ad. Der Targetinganbieter bietet seinen Partnern unterschiedlichste Zielgruppenansprachen für Brandingkampagnen: Beispielsweise wurden für eine Elektroautokampagne Käufer von Bioprodukten adressiert oder für eine Stromanbieterkampagne User mit Umzugsabsicht; auch Wettertargeting oder Entscheidertargeting sind im Portfolio.

Sema Saglik

nugg.ad kann über sein Machine-Learning-Verfahren auch produktspezifische Zielgruppen modellieren und datengetrieben ansprechen. „Ein kreatives Targeting sehen wir als Zusammenspiel aus Werbemittelkreation, Kommunikation und Zielgruppe abgestimmt auf das Kampagnenziel“, sagt Saglik. Der zentrale Faktor für die Zielgruppenerreichung ist der Expertin zufolge die Technologie und der Algorithmus, der das Targeting erst ermöglicht. Hinzukämen Reportings und Messungen über die Zusammensetzung der Zielgruppe und die Zielerreichung einer solchen Brand-Kampagne. „Kreativität heißt für uns somit, aus zahlreichen Möglichkeiten die passenden hinsichtlich der Kampagnenziele auszuwählen“, so Saglik. Bei der datengetriebenen Identifikation und Ansprache der Zielgruppe übernimmt der nugg.ad-Algorithmus sozusagen die Kreativität.

Kreatives Zusammenspiel

Laut Sacha Berlik, General Manager Europe bei DataXu, ist in der Praxis bereits das Zusammenspiel von Wetter-, Geo- und soziodemografischem Targeting sehr erfolgreich. So kann ein Bekleidungshersteller seine Jacken im Internet zum Beispiel wetterabhängig vermarkten, indem er bei Schneefall in einer bestimmten Region Schneejacken bewirbt, bei Regen hingegen Allwetterjacken. Dabei kann er zwischen Herren- und Damenjacken differenzieren, je nachdem ob der Onliner männlich oder weiblich ist.

„Insbesondere das Geotargeting ist heute viel exakter und eröffnet ganz neue Möglichkeiten“, sagt Berlik. War es früher nur möglich, auf IP-Adressen zu targeten und diese auf Postleitzahlebene herunterzubrechen, werden heute im Real-Time Advertising immer öfter auch Längen- und Breitengraddaten zum Standort des Nutzers mitgeliefert. „Wer ein stationäres Ladengeschäft hat, kann also seine Geokoordinaten hochladen und dann Laufkundschaft in einem ganz konkreten, lokalen Einzugsgebiet digital umwerben, zum Beispiel mit mobiler Werbung“, sagt Berlik. Über Open-Source-Datenbanken ist laut dem Experten für das Targeting heutzutage eine Vielzahl von Daten für die kreative Nutzung verfügbar. Hinzukommen über den RTA-Bidstream mehrere hundert potenzielle Datenpunkte. Damit kommt man zwar nicht auf große Reichweiten, aber erzielt eine hohe Relevanz in der granularen Zielgruppe.

Targeting jenseits von Schema F

„Schema F bringt einen heute nicht mehr weiter“, bestätigt Dirk Klose, Group CTO bei ad pepper. Für das Performance-Marketing-Unternehmen ist Kreativität im Targeting ebenfalls ein wichtiges Thema und wird verstärkt in der Praxis umgesetzt. Ein Automobilhersteller hatte beispielsweise das Ziel, Neuwagenbesitzer in die Autohäuser vor Ort zu einem Wartungs-/Inspektionstermin zu führen, beziehungsweise an das Aufziehen von Winterreifen zu erinnern. Dazu wurden die Targetingkriterien: Geo Location, Wetter und freie Time-Slots der Autohäuser kombiniert. Zum Teil wurden mobile User per SMS getriggert.

Dirk Klose

„Die Fülle der zur Verfügung stehenden Targetingkriterien ist in den letzten Jahren so rasant gewachsen, das ein bloßes Kombinieren von Standardkriterien zwar in einigen Fällen durchaus noch positive Ergebnisse zeigt, man aber durch intelligente Kriterienauswahl bessere Ergebnisse erzielt und darüber hinaus auch individualisierter auf die Bedürfnisse der Kunden eingehen kann und sollte“, sagt Klose. Marktbeobachter sind sich einig: Eine solide Targetingtechnologie ist unabdingbar. „Aber wichtiger ist es, sich weiterer Technologien wie einer DMP zu bedienen, die es erlaubt, individuelle Kriterien zu spezifizieren, und darüber hinaus den User in seiner Gesamtheit betrachtet“, meint Klose. Trotz aller eingesetzten Technologien sei es aber immer noch nötig, ein hohes Maß an Erfahrung mit in die Targetingstrategie einfließen zu lassen. „Wer glaubt, alles würde vollautomatisch ablaufen, der irrt“, so Klose.

Auch die Kreativagenturen sind gefordert

Datenschützer würden wahrscheinlich sofort Bedenken anmelden, doch theoretisch ließen sich sogar NFC-Daten (NFC, Near Field Communication) für das Online-Targeting nutzen. Damit könnte man in Zukunft beispielsweise auch solche Interessenten online retargeten, die zuvor ein reales Ladengeschäft besucht haben. Ebenso wäre es denkbar, dass bei einer regionalen Störung von DSL-Anschlüssen die Nutzer des betroffenen Gebietes auf ihren Smartphones Mobile-Werbung des konkurrierenden DSL-Anbieters erhalten – solange, bis dessen Störung behoben ist. „Der Trend geht dahin, Zielgruppen granular zu bewerben“, sagt Berlik.

Machte es der administrative Aufwand früher unmöglich, mehrere hundert Kampagnen in verschiedenen Varianten aufzusetzen, ist dies heute dank Automatisierung sehr leicht umsetzbar. „Wichtig ist es“, sagt Berlik, „dass man beim granularen Targeting auf DCO setzt.“

Sacha Berlik

Die Abkürzung DCO steht für Dynamik Creative Optimization und bezeichnet in der Regel Lösungen, die dafür sorgen, dass viele verschiedene Versionen der Grundelemente einer Anzeige in Datenbanken abgelegt werden und erst beim Zustandekommen der Ad Impression in Echtzeit passend zusammengefügt werden. So könnten für das Wetter beispielsweise vier Grundmotive „Sonne“, „Schnee“, „Regen“ und „Bewölkt“ sein; Logo und Texte könnten in zig Versionen auf die jeweiligen Nutzertypen abgestimmt werden. Besucht der potenzielle Kunde eine Website, werden die verschiedenen Datenfeeds abgefragt, um ihm dann ein individuell passendes Werbemittel zu einzublenden.

„Man sollte nicht granular targeten und dabei Standardwerbemittel ausspielen“, rät Berlik. Hier seien auch die Kreativen gefordert. Sie müssen mitziehen und dem Werbekunden mehr Varianten für die Grundelemente „Bild“, „Text“ und gegebenenfalls „Logo“ oder „Hintergrund“ zur Verfügung stellen. „Die Kreativagentur sollte frühzeitig in die unterschiedlichen Targetingoptionen einbezogen werden“, rät Berlik. Ansonsten verfehle selbst eine ausgeklügelte Kombination von Targetingmerkmalen ihre Wirkung.

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