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Foto: rooster, Adobe Stock

Etwas unter dem Radar hat sich ein Konsortium namhafter Adtech-Plattformen gebildet, das Google, Amazon und Facebook das Fürchten lehren könnte. Seine Ziele: Die Entschlackung der Tracker-Skripte zum schnelleren Aufbau einer Website und damit verbunden eine bessere Usability für den Nutzer durch Verringerung der Latenzzeiten bei programmatisch ausgeführten Werbekampagnen. Eine gemeinsame „Unified-User-ID“ soll für einen schnelleren Match zwischen den Programmatic-Systemen sorgen. Die Rede ist von DigiTrust.

Keine Cookie-Synchronisation mehr

Am Programmatic Advertising sind derzeit viele SSP- und DSP-Plattformen beteiligt. Alle diese Systeme müssen ihre Cookies über eine Matching-Tabelle zu einer Master-ID zusammenführen. Dies ist nötig, um feststellen zu können, ob der betreffende User, der eine Impression auf der Angebotsseite auslöst, auch zur Zielgruppe und dem Targeting des Advertisers passt. Im programmatischen Handel arbeiten also streng genommen drei Cookie-IDs Hand in Hand: Das Cookie des Advertisers in der DSP, das Cookie des Vermarkters in der SSP und das synchronisierte Master Cookie, das auf Browserebene erstellt wird.

Stefan Beckmann

Mit einer Unified ID wären die unterschiedlichen Cookie-IDs aufseiten der SSPs und der DSPs von vornherein zusammengeführt. Die Folge: Die Cookie Synchronisation zwischen den Plattformen wäre obsolet und es gingen keine Daten verloren und der Match würde sich drastisch beschleunigen bei weitaus genauerer Zielgruppenansprache. Denn Fehler bei der Cookie-Synchronisation führen zu empfindlichen Reichweitenverlusten. Das ist im Programmatic Advertising derzeit noch ein großes Problem: „Eine marktübliche Cookie-Synchronisation bringt einen Reichweitenverlust von bis zu 30 Prozent mit sich. Eine Unified User ID würde die Cookie-Synchronisation überflüssig machen“, sagt Stefan Beckmann, DACH-Chef des Video-SSP- und Marktplatzanbieters SpotX. Die RTL-Tochter ist bereits Mitglied dieses Konsortiums. „SpotX unterstützt DigiTrust. Wir glauben daran, dass diese nicht kommerzielle Initiative die bestehenden Reichweitenverluste im Programmatic Advertising beheben wird“, sagt Beckmann.

Der Gründer und Geschäftsführer des Non-Profit-Konsortiums ist kein Geringerer als Jordan Mitchell, der bereits in seinen Zeiten als Vice President Product das Projekt noch unter dem Dach von Rubicon Project angeschoben hatte. Inzwischen konnte er viele internationale Plattformanbieter – sei es auf der Angebotsseite oder der Nachfrageseite – zum Mitmachen bewegen. Wer die DigiTrust Site ansteuert, wird dort ein „Who‘s Who“ der Programmatic Plattformen finden. Allerdings mit einigen Ausnahmen. Den deutschen SSP-Primus Yieldlab sucht man dort beispielsweise vergebens, genauso wie Adform und TheTradeDesk.

Mit DigiTrust – so der Plan – greifen zukünftig alle Programmatic-Plattformen auf die dort hinterlegten User-IDs zu. DigiTrust wird die User-IDs in einer Cloud-Lösung den Konsortiummitgliedern frei zur Verfügung stellen. Natürlich bringt das auch noch weiteren Aspekt mit sich. Eine geschlossene Front gegen den Programmatic-Marktführer Google, der selbstredend kein Mitglied von DigiTrust ist und bisher, wie übrigens auch Amazon und Facebook, von seiner proprietären Plattformlösung profitiert, die SSP und DSP sowie Marktplatz in sich vereint. Damit hat Google auch keine Probleme mit den Reichweitenverlusten durch Cookie-Synchronisation.

Eine Unique ID hat natürlich weitergedacht noch weitere Vorteile, die bei DigiTrust bisher ungenannt blieben: Ein wirksames Cross-Channel Advertising, also eine zielgenaue Aussteuerung von Online-Kampagnen auf Desktop und Mobile. Etwas, was bisher nur Facebook, Google und Amazon wirklich gut für das Advertising beherrschen.

Der Erfolg von DigiTrust steht und fällt mit der Teilnahme der Publisher und ihrer Vermarkter. Schließlich müssten sie den Pixel von DigiTrust auf ihre Website einbauen, der dann die einzelnen Tracker der Adtech-Anbieter ablösen würde. Und hier scheint man vor allem in Deutschland noch weit vom Ziel entfernt zu sein. Branchenverbände wie der BVDW oder auch dessen Vermarktervereinigung, der OVK, wurden bisher nicht miteinbezogen.

„Jetzt geht es erst einmal darum, die Publisher für das Thema zu sensibilisieren. Die Publisher befürchten Kontrollverlust durch zu viele Tracking-Pixel und die Übermacht von Google und Facebook, und hier gibt es eine Möglichkeit, viele dieser Probleme direkt anzugehen.” (Stefan Beckmann. SpotX)

DigiTrust hätte also das Zeug für eine Demokratisierung des automatisierten Mediahandels, der zurzeit von Google und vielleicht bald auch von Amazon und vielleicht Facebook dominiert wird. Allerdings gibt es in Deutschland bereits andere Vorstöße ähnlicher Art, die diesem Vorhaben in die Quere kommen, wie etwa der geplante „Generalschlüssel“, der auf Initiative von Axel Springer gemeinsam mit einigen Werbetreibenden ins Leben gerufen wurde und sich mittelfristig auch als eine Anti-Walled-Garden-Koalition manifestieren könnte. Eines ist gewiss: Am Ende kann sich nur eine Lösung durchsetzen. Schließlich geht es ja um eine „Unified" ID.

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SOCIAL MEDIA
Facebook: Werbetreibende erwarten mehr

Frederik Timm
MrVander, Bild: Adobe Stock; Bearb: ADZINE

Erst Mitte Juni hat Facebook neue Steuerungsmöglichkeiten im Audience Network für Advertiser vorgestellt. Jetzt werden Stimmen lauter, dass die Änderungen noch nicht weit genug gingen. Facebook bemüht sich zwar, auch durch die Akkreditierung weiterer unabhängiger Messanbieter, den Forderungen der Werbetreibenden nachzukommen, es bleiben allerdings noch Wünsche offen.

Mit dem neuen Update will Facebook das Kampagnenmanagement rund um In-Stream Ads und Instant Articles erleichtern. Facebook stellt den Advertisern neue Steuerungsmöglichkeiten im Audience Network, bei den Instant Articles und den In-Stream Ads in Aussicht. Nicht verwunderlich, denn schließlich machen Instant Articles mittlerweile über ein Drittel der Klicks auf Facebook aus, wie Facebook Product Manager Harshit Agarwal Anfang Juni in einem Blogpost berichtet.

Vorgestellte Änderungen

Transparenz schon vor Beginn der Kampagne: Werbetreibende sollen durch die Änderung nun schon vor Beginn einer Kampagne sehen können, bei welchen Publishern ihre Werbemittel möglicherweise ausgestrahlt werden. Derzeit befindet sich die Funktion noch im Testbetrieb mit einer ausgewählten Testgruppe. Bei positivem Testverlauf soll das Feature im Laufe des Jahres ausgerollt werden.

Blockieren nun auch auf Kontoebene: Um den Vorgang des Blockierens bestimmter Facebook-Umfelder zu vereinfachen, werden Werbetreibende ihre Blockierlisten auf Kontoebene anwenden können. Bisher mussten Blockierlisten in jeder Kampagne oder Anzeigengruppe einzeln erstellt werden. Bereits im Juli 2017 will Facebook diese Funktion für Instant Articles einführen. Im Verlauf des Jahres folgt das Rollout für In-Stream Ads auf Facebook.

Auswahlmöglichkeiten für Videoplatzierungen im Audience Network: Dieses Feature hat bisher noch keine genaue Timeline für die Veröffentlichung. Es soll Werbetreibenden ermöglichen, auszuwählen, wie sie ihre Videoanzeige platzieren wollen, In-Stream, Native oder als Interstitial.

Es wäre mehr drin

Natürlich können sich Werbetreibende über die Veränderungen freuen, allerdings bleiben an einigen Stellen die Fragen zurück: Warum nicht gleich so? Warum erst jetzt?

Christina Voigt, Bild: Performance Media Presse

Christina Voigt, Geschäftsführerin der Mediaagentur Performance Media, erwartet jedenfalls mehr: „Die Neuerungen bringen einige begrüßenswerte Verbesserungen und zusätzliche Optionen für den Advertiser mit sich. Ein Quantensprung ist das aus Sicht der Werbungtreibenden aber noch nicht. Die Sichtbarkeit einer Liste mit möglichen Auslieferungsorten vor Livegang ist bereits seit langer Zeit Marktstandard. Wir erwarten im Rahmen der Transparenzoffensive von Facebook weitere Veränderungen.“

Dass der manuelle Aufwand an einigen Stellen reduziert wird, sei zwar positiv, stelle aber für Werbetreibende nur eine geringe Zeitersparnis dar. Aus Sicht der Werbekunden besitzt ein anderes Thema deutlich mehr Gewicht, führt Voigt aus: „Neben anderen Playern ist auch Facebook ein 'Steuerungssilo' – eine einheitliche Steuerung über alle Medienumfelder hinweg ist somit nicht konsequent möglich. Aufgrund von unterschiedlichen Steuerungsmechanismen im Bereich der DSPs, Facebook, Google, Amazon etc. ist ein Mehraufwand weiterhin gegeben.“

Allerdings sieht Christina Voigt den Mehraufwand für Facebook unter Berücksichtigung der Leistungswerte generell gerechtfertigt.

Offene Wünsche

Auch wenn die Veränderungen ein Schritt in die richtige Richtung sind, bleiben noch einige Wünsche offen. Christina Voigt fallen noch drei weitere Features ein, mit denen Facebook Werbetreibenden entgegenkommen würde:

  1. Kein Zwang zur Parallelbuchung von Facebook und Audience Network (diese Option steht bisher nur einigen Werbetreibenden nach Whitelisting zur Verfügung). Im Gegensatz zu Facebook bietet Amazon in der AAP die Buchung von Amazon-Daten außerhalb des Umfeldes ohne die Verpflichtung, Amazon selber zu belegen.
  2. Neben der Möglichkeit des aktiven Ausschließens wäre auch ein aktives Anwählen wünschenswert sowie die nachgelagerte Option, die tatsächlichen Auslieferungsorte zu analysieren.
  3. Zulassung diverser unabhängiger Adverification-Tools bei gleichem Messvorgehen.
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Foto: Philip Cernak, Unsplash.com

Header Bidding ist immer noch ein relativ neues Thema im Programmatic-Bereich. In Deutschland spielt es seit etwa zwei Jahren eine Rolle – und wurde von Beginn an mehr als kontrovers diskutiert. Die einen halten Header Bidding für die Lösung aller Probleme, die die herkömmlichen Adserver mit sich bringen, und für eine stark verbesserte Möglichkeit für Publisher, ihr Inventar zu monetarisieren. Das ist allerdings ein etwas einseitiger Blick auf diese Technologie, die – zumindest, wenn sie als Einzellösung verwendet wird – eher als Rückschritt betrachtet werden muss. Um Header Bidding auch im Premiumvideobereich erfolgreich einzusetzen, müssen einige wichtige Punkte beachtet werden.

Warum Einzellösungen nicht funktionieren

Ob Header Bidding erfolgreich ist, hängt maßgeblich davon ab, in welcher Form es eingesetzt wird. Denn: Header Bidding als Technologie ist zwar in vielerlei Hinsicht fortschrittlich, aber es löst viele alte Probleme nicht bzw. verstärkt sie in mancher Hinsicht sogar. Zumindest dann, wenn es als Einzellösung eingesetzt wird – und das ist zurzeit noch häufig der Fall.

Serverseitiges Header Bidding bringt in manchen Bereichen Verbesserungen mit sich. Es sorgt unter anderem für bessere Latenzzeiten beim Laden von Websites und für weniger Probleme mit Datenlecks. Gleichzeitig bringt Header Bidding aber auch genau die Probleme mit sich, die es eigentlich aus dem Weg räumen sollte: Es verursacht Nachfragesilos, ermöglicht nicht allen Advertisern gleichberechtigten Zugang zum Inventar und verhindert damit letztendlich eine planbare und nachhaltige Monetarisierungsstrategie.

Gerade im Premiumvideobereich, wo mehr und mehr Inventar programmatisch gehandelt wird, versuchen immer neue Header-Bidding-Anbieter bevorzugten Zugang zu neuem Inventar zu erhalten. Dabei bringt Premiumvideocontent, der über serverseitige Architektur an Umgebungen ausgeliefert wird, die keine Informationen über das vom User genutzte Endgerät sowie Nutzerdaten liefern, ganz eigene Schwierigkeiten mit sich.

Im Grunde stellen sich auf der Suche nach einer möglichst optimalen Header-Bidding-Lösung an Publisher und Werbetreibende folgende wichtige Fragen:

  • Wie kann Videoinventar so vereinheitlicht werden, dass Inhalte über alle Bildschirme und Umgebungen hinweg monetarisiert werden können?
  • Wie können Zielgruppendaten sinnvoll gebündelt ausgeliefert werden? Wie können Daten für Hochrechnungen benutzt sowie für zielgruppengerichtete Auslieferung zurückgehalten werden, um den Nachfragewettbewerb zu steigern – anstatt zu hoffen, dass die richtige Zielgruppe nach etlichen Impressions den besten TKP erreicht?
  • Wie kann die gesamte Nachfrage – von kampagnenbasierten Direktverkäufen über programmatisch garantierte Verkäufe bis hin zu über Real-Time Bidding getätigte Verkäufe – innerhalb eines Full-Stack-Adservers so zentralisiert werden, dass die Werbung über alle Kanäle und Anforderungen hinweg optimiert und ausgespielt werden kann?
  • Wie lässt sich sicherstellen, dass TKP-optimiertes Unified Ad Decisioning auch die Anforderungen an Compliance-Richtlinien sowie an eine Premium-User-Experience erfüllt, unabhängig von der Nachfragequelle?

Die Antwort: Full Stack

Es gibt eine Antwort auf diese Fragen: Full-Stack-Lösungen. Im Gegensatz zu „Point Solutions“ bzw. Einzellösungen stellen sie eine vollständig integrierte Lösung dar und umfassen Adserver- wie auch SSP-Funktionalitäten. Man kann auch von Technologie „aus einem Guss“ sprechen. Einzellösungen bilden immer nur bestimmte Teile des Werbeökosystems ab und können nie so optimal aufeinander abgestimmt sein, wie es bei Full Stack der Fall ist.

Im Falle von Header Bidding bedeutet das: In eine Full-Stack-Lösung sind SSP- und Adserver-Funktionalitäten voll integriert. Das sorgt für die bestmögliche Nutzung von Werbebudgets und bringt alle Vorteile von Header-Bidding-Lösungen ohne Adserver-Integration mit sich.

Wenn Programmatic Advertising nicht mehr nur im Display-Bereich, sondern auch im digitalen Video und künftig auch im linearen Fernsehen eingesetzt werden soll, dann werden unbedingt ganzheitliche technische Lösungen benötigt. Alles andere ist nur ein Kompromiss, der Silos entstehen lässt und den Wettbewerb um das beste Premiuminventar beschneidet. Nur solche Full-Stack-Lösungen können die aktuellen Schwächen von Header Bidding beseitigen, die es auf dem deutschen Markt zu einem (noch) so schwierigen Thema machen.

Bild Marco Dohmen

Autor/in

Als Commercial Director DACH leitet Marco Dohmen das FreeWheel-Büro in Hamburg. In dieser Rolle ist er verantwortlich für Geschäftsführung und Weiterentwicklung des Kundenportfolios und die nachhaltige Etablierung von FreeWheel, die branchenweit kompletteste Lösung für Werbemanagement, in Deutschland, Österreich und der Schweiz.
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