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PROGRAMMATIC
Programmatic verändert die Spielregeln

Jens von Rauchhaupt
Christian Wilkens, Foto Mediacom

Für die ADTRADER Conference am 18. Mai in Berliner Kosmos konnten wir wieder absolute Top-Speaker gewinnen. Ein Highlight wird sicherlich die Diskussion zwischen Christian Wilkens, Chief Digital Officer der MediaCom, und dem Medienexperten Mr. Media Thomas Koch sein. Letzterer gilt als Kritiker von Programmatic und dem Geschäftsgebaren einiger Mediaagenturen. Besonders im Fokus der Kritik: fehlende Transparenz für den Werbetreibenden durch Programmatic. Christian Wilkens sagt hingegen im Hinblick auf das Adtrading bei der Mediacom: „Jeder unserer Kunden weiß zu jeder Zeit – voll transparent –, was er kauft und zu welchem Preis.“ Lesen Sie nun vorab für alle Newsletter-Abonnenten unser Exklusivinterview mit Christian Wilkens.

Zur Person: Seit August 2016 ist Christian Wilkens Chief Digital Officer bei Mediacom und damit für alle Digitalthemen der Agentur verantwortlich. Von 2013 bis 2016 war er Managing Director für Xaxis/Light Reaction, der weltweit größten „Programmatic Media & Technology“-Plattform. Als Geschäftsführer verantwortete er die strategische und operative Geschäftsentwicklung für den Standort Deutschland und betreute in dieser Position die Bereiche Sales, Produkt Management, Data, Technology und Kooperationen.

ADZINE: Herr Wilkens, schön, dass Sie auf der ADTRADER dabei sind. Laut OWM-Umfrage vertrauen nur noch 48% der Werbetreibende ihren Mediaagenturen. Wiederum 38% der Werbetreibenden bemängeln besonders ein Know-how-Defizit bei den Agenturen. Hat dieses Ergebnis Sie selbst eigentlich überrascht und berührt?

Christian Wilkens: Solche Umfrageergebnisse muss man auf jeden Fall sehr ernst nehmen, allerdings auch genau differenzieren, welche Agenturen gemeint sind und was konkret kritisiert wird. Digital ist insgesamt signifikant komplexer als jede andere Mediengattung und wir als Branche tun uns schwer, die Dinge zu vereinfachen und die Komplexität herauszunehmen. Das gilt umso mehr für Programmatic. Allein mit Akronymen herumzuwerfen, wie es ja gerne getan wird, ist wenig hilfreich. Letztlich interessiert sich der Kunde für Effizienz und Wirksamkeit seiner Werbung. Den Weg dorthin, diese Rolle füllen wir als Mediaagentur aus und diese Rolle müssen wir dem Kunden einfacher darstellen.

ADZINE: Fehlt also auf anderer Seite bei den Werbetreibenden selbst das digitale Know-how?

Wilkens: Nein, das würde ich nicht sagen. Ich habe es in der täglichen Arbeit mit kompetenten Gesprächspartnern zu tun. Aber Digital und besonders Programmatic müssen im Kontext zum Ganzen gesetzt werden, also mit allen Maßnahmen, die ein Werbetreibender durchführt. Für einen CMO ist es doch weniger interessant, welche konkrete DSP im Detail eingesetzt wird. Er will doch vielmehr wissen, wie ihn Programmatic näher an seine Zielgruppen bringt. Unsere Aufgabe ist zu beraten, die beste Lösung zu ermitteln und diese einzusetzen.

ADZINE: Verspricht also Programmatic bessere Werbeprodukte für den Kunden?

Wilkens: Programmatic verspricht besonders einen Effizienzgewinn bei der Kontaktdosis. Das ist einer der größten Vorteile. Und wenn man es gut macht, liefert Programmatic gezieltere Werbung und vor allem erhalte ich durch Programmatic ein viel schnelleren Feedback-Loop.

ADZINE: Wie meinen Sie das genau?

Wilkens: Vergleichen wir Programmatic mit dem I/O-Geschäft, bin ich mit Programmatic viel schneller in der Lage, zu reagieren, in die Kampagne einzugreifen und Insights sowie Learnings zu generieren. I/O-Buchungen erzeugen Latenz. Wird Werbung durch Programmatic besser? Ich denke schon. Es liegt an uns. Generell sind die Möglichkeiten mit Programmatic besser, weil detaillierter.

ADZINE: Müssen die Werbetreibenden für diese Vorteile auch ein Stück Intransparenz hinnehmen?

Wilkens: Nicht Intransparenz, aber Programmatic verändert die Spielregeln. Wenn man ganz klassisch einen Mediaplan ändern will, dann ist es notwendig, dass der Werbekunde dieser Änderung zustimmt. Bei Programmatic kann es aber innerhalb einer Taktik notwendig sein, dass ich beispielsweise ein 100-Euro-Budget von einem Vermarkter und Platzierung zum anderen schnell shiften möchte, dafür muss der Kunde mit im Boot sein. Hier gibt es zwei Möglichkeiten. Die eine ist, der Kunde gibt mir die 100 Euro separat frei, was eine Freigabeschleife nach sich ziehen würde, oder ich bin in der Lage, frei zu optimieren, weil der Kunde mir vorher bis zu einer vereinbarten Budgetgrenze einen Spielraum eingeräumt hat.

ADZINE: Dann befindet sich der programmatische Mediahandel doch in einem Dilemma. Damit Programmatic all seine Vorteile ausspielen kann, benötigt die Mediaagentur ein Vertrauensverhältnis zum Kunden, aber eben dieses Vertrauen fehlt ja laut der OWM-Umfrage.

Wilkens: Schön zugespitzt! Aber um ebenso pauschal zu antworten: Ein Vertrauensverhältnis ist doch nahezu in jeder Branche eine ganz wesentliche Geschäftsgrundlage, oder? Und auch wir Agenturen müssen uns das Vertrauen beim Kunden verdienen. So einfach ist das. Wir arbeiten mit Kunden genau auf dieser Ebene, und das ist meiner Meinung der Weg, um das Maximale aus Programmatic herauszuholen.

ADZINE: Das heißt, Ihre Mediacom-Kunden haben noch nie Kontrollverlust oder fehlende Freigabe bemängelt?

Wilkens: Ohne Freigabe des Kunden geht nichts. Das ist bei uns Regel. Alles, was wir machen, muss belegbar sein, und es muss eine Kundenfreigabe auf der einen oder anderen Weise vorliegen.

ADZINE: Im I/O-Geschäft wird eine Mediaagentur nach einem Prozentsatz am Mediavolumen honoriert. Bei Programmatic ändert sich das Bild, weil unterschiedliche Plattformen und Adtech-Lösungen wie DSPs, SSPs und DMPs zum Einsatz kommen können. Wie kann hier denn noch von Transparenz für den Kunden gesprochen werden?

Wilkens: Jeder unserer Kunden weiß zu jeder Zeit – voll transparent –, was er kauft und zu welchem Preis. Eine programmatische Kampagne beinhaltet natürlich nicht nur einen klassischen Media-TKP. Es kommen entsprechende Tech-Fees dazu, das ist bekannt. Die Kostenbausteine einer programmatischen Kampagne beinhalten nun einmal mehr als nur Media. Unsere Kunden bekommen auch bei einer programmatisch durchgeführten Kampagne immer detailliert die Kosten aufgeführt.

ADZINE: Aber dann bekommt der Kunde doch am Ende weniger Media für sein Geld?

Wilkens: Was meinen Sie mit ‚weniger Media‘? Volumen oder Leistung? Unsere Kunden interessiert allein die Leistungssteigerung. Durch Frequency Capping und konsistentes Tracking weiß ich, ob ich mit meiner Mediainvestition einen oder mehrere Nutzer angesprochen habe. Das führt zu einem klaren Effizienzgewinn. Genau darum geht es im Programmatic.

ADZINE: Um diesem Vorwurf der Intransparenz besser zu entgegnen. Wie hoch sind denn bei der Mediacom die einzelnen Leistungsbausteine, also die Kosten für DSP und DMP?

Wilkens: Wir haben einzelne Vereinbarungen mit den für unsere Kunden relevanten DSPs getroffen. Ich kann ihnen keine detaillierten Zahlen sagen. Was ich aber sagen kann, dass diese technischen Kosten in den meisten Fällen zwischen 10% und 15% der TKP-basierten Media- und Datenkosten liegen. Die Adserverkosten werden ebenfalls TKP-basiert abgerechnet. Das sind die bekannten Kostenblöcke.

ADZINE: Und wie sieht es mit Ad Fraud, Sichtbarkeit und Brand Safety aus? Muss nicht auch hier am Ende der Werbetreibende dafür zahlen?

Wilkens: Die kostenseitige Verantwortlichkeit des Kunden kommt nur beim Einsatz von Third-Party-Dienstleistern zum Tragen. Wir selber sind kein Publisher. Entweder stellt der Publisher einen anerkannten Marktstandardreport zum Thema Sichtbarkeit, Ad Fraud, Ad Collision, Brand Safety kostenlos zur Verfügung – das tut nur leider in diesem Umfang kein Publisher – oder wir setzen für den Kunden individuell ein permanentes Tracking ein. Die Qualität des Traffics kontinuierlich zu überprüfen, ist dabei unsere Aufgabe. Zusätzlich haben wir ein eigenes Qualitätsmanagement, das toolbasiert und kundenübergreifend ebenfalls monitored. Sauberen Traffic im Markt zu haben ist eine Aufgabe aller Marktteilnehmer. Die der Publisher, sich an die definierten Regeln zu halten, die der Agenturen, sie zu vereinbaren und durchzusetzen, und die der Kunden, Verstöße mit Spending-Entzug konsequent zu sanktionieren. Und wir entwickeln den Markt deutlich in diese Richtung. Hier wird es in Kürze neue Lösungen von uns geben.

ADZINE: Empfehlen Sie denn ein solches Ad Verification Tracking für die Kampagnen, wenn man es so nennen mag?

Wilkens: Ja. Auf jeden Fall dann, wenn die Kampagnen im Open Market laufen.

ADZINE: Überspitzt gefragt. Wäre es für den Kunden per se nicht viel einfacher über eine One-Stop-Lösung nur auf Facebook oder Google zu werben, dann braucht er sich nicht mit einer Vielzahl von Systemen und Anbietern herumzuschlagen?

Wilkens: Sowohl Facebook als auch Google haben gute und weniger gute Lösungen. Und zuweilen leisten sie sich auch Messfehler oder haben Brand-Safety-Probleme. Die Kontrolle und Eingriffsmöglichkeiten sind bei Facebook und Google limitierter, und zwar teilweise viel limitierter als bei den vielzitierten deutschen Premium-Publishern. Wie gesagt, es gibt tolle Lösungen von Google und Facebook, aber alternativlos sind sie in den meisten Fällen nicht. Ich halte es also für falsch, per se auf nur einen Partner bei der Mediabuchung zu setzen.

ADZINE: Herr Wilkens. Vielen Dank für das Gespräch!

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