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Bild: freshidea, Adobe Stock

Die Segmentierung der Zielgruppen allein nach demografischen Merkmalen führt zu unzureichenden Ergebnissen bei der Werbeansprache. Das ist schon länger bekannt. Interessen der Zielgruppe allein nach dem besuchten Umfeld abzuleiten, ist zwar eine gängige Methode, geht aber letztlich auch nur von einer Vermutung aus, dass das Nutzerinteresse dem Umfeldthema des Werbeträgers entspricht. Demgegenüber zeigen Intent Data zwar die wahren (Kauf-)Absichten des Internetnutzers, doch diese Erkenntnisse über die aktuellen Bedürfnisse einer Person haben nur eine begrenzte Halbwertszeit. Nun sorgt ein anderer Targeting-Ansatz für Furore, der die Persönlichkeit des Rezipienten in den Mittelpunkt stellt.

Als Anfang diese Woche Mikael Krogerus und Hannes Grassegger in der Schweizer Publikation Das Magazin (Ausgabe 48) über den Wahlerfolg von Donald Trump berichteten, lösten sie damit eine mediale Lawine in Deutschland aus. Die Autoren machen für den Wahlerfolg der Republikaner die britische Big-Data-Firma Cambridge Analytica und die vorausgegangene Forschungsarbeit von Michal Kosinski, Experte für Psychometrik, verantwortlich. Beide beschäftigen sich mit psychologischen Profilen der Internetnutzerschaft. Der eine – Kosinski – aus Forschungsgründen, die anderen – Cambridge Analytica – für die werbliche Kommunikation und als Wahlkampfhelfer.

Kosinski vom Cavendish Laboratory hat herausgefunden, wie leicht sich die Persönlichkeitsdimensionen von Facebook-Nutzern nach dem Ocean-Modell (Offenheit, Gewissenhaftigkeit, Extraversion, Verträglichkeit und Neurotizismus) über eine App-Befragung vermessen lassen. In Verbindung mit anderen Facebook-Daten wie Likes, Shares, Posts und freiwillig gemachten persönlichen Angaben erhalten die Forscher – je nach Datenlage – ein mehr oder minder vollwertiges Persönlichkeitsprofil der Facebook-Nutzer.

Demnach reichten beispielsweise 68 Facebook-Likes eines Users um seine Hautfarbe mit 95-prozentiger Wahrscheinlichkeit vorhersagen oder mit 85-prozentige Wahrscheinlichkeit seine politische Einstellung zu erkennen. Und mit 300 Likes können die Forscher das Verhalten einer Person eindeutiger vorhersagen als deren Partner. Umso mehr Facebook-Likes, umso genauer die Rückschlüsse auf die Persönlichkeit des Facebook-Nutzers.

Diese Forschungsarbeit hat sich das Big-Data-Unternehmen Cambridge Analytica offenbar zu eigen gemacht, um die Republikaner im US-Wahlkampf zu unterstützen. Das Ergebnis der Wahl verkaufen sie nun als ihre eigene Erfolgsstory. Alexander James Ashburner Nix, CEO von Cambridge Analytica, erläutert offen die Grundprinzipien auf dem eigenen YouTube-Kanal. Die Briten verbinden Consumer-, Lifestyle-, geographische mit psychografischen Daten und dem besagten Persönlichkeitsprofil. Eine zielgerichtete Ansprache sei nämlich nur die halbe Miete im Targeting, wichtiger sei laut Nix, „mit dem Menschen auf eine solche Art zu kommunizieren, dass diese Kommunikation der Persönlichkeit der Zielperson entspricht. So lässt sich ein einzelnes Thema völlig unterschiedlich nach der Persönlichkeit des Empfängers bespielen. Das ist ein Paradigmenwechsel zu dem, was in den letzten 20 Jahren getan wurde. Es ist vor allem die eigene Persönlichkeit, die das Verhalten steuert.“

Alexander Nix, CEO von Cambridge Analytica bei einem Vortrag, YouTube

Nicht gänzlich neu

Die Nutzung psychologischer Profile ist im Marketing nicht neu. Kasper Skou, Gründer und Geschäftsführer vom Targeting-Anbieter Semasio, berichtet, dass bereits vor über zehn Jahren der Einzelhandel psychographische Modelle wie z.B. DISC (Dominance, Influence, Steadiness, Conscientiousness) oder MBTI (Myers-Briggs Typen-Indikator) eingesetzt hat, um die persönliche Kundenbetreuung und -beratung effektiver zu gestalten. Der eine Kunde hat eine hohe Affinität für Stabilität? Dann wird ihm gegenüber gute Verarbeitung und lange Garantie des Produktes hervorgehoben. Ein andere neigt eher in Richtung Kompetenz, dann sollte man diesem die technischen Features des Produktes in den Vordergrund stellen. „Was Cambridge Analytica jetzt macht, ist die digitale Version davon”, sagt Skou.

Kasper Skou

„Neu ist die Zusammenführung von psychometrischen Modellen mit den massiven Volumina von digitalen Daten, die wir heute zur Verfügung haben, durch statistische Modellierung. Man kriegt dadurch eine neue Möglichkeit, Internetnutzer zu verstehen und gleichzeitig personalisiert anzusprechen.“ Psychometrische Daten würde der DCO (Dynamic Creation Optimization), also die personalisierte Ausspielung passender Werbemittel, völlig neue Möglichkeiten geben. „Wir unterschätzen in der Werbung noch immer die persönliche Kommunikation und setzen dort zu wenig Energie hinein. Es reicht nicht nur, die richtige Zielgruppe zu erreichen, man muss mit ihr auch richtig kommunizieren. Tatsächlich gibt es ja nicht ‚DIE Zielgruppe‘, sie ist nicht homogen, sie besteht aus zahlreichen Untergruppen bzw. Typologien“, sagt Skou.

Psychografisches Modell mit Verhaltensdaten kombinieren

Auch für den deutschen Markt wäre ein psychometrisches Targeting prinzipiell möglich. Weder Kosinski noch Cambridge Analytica hatten Probleme damit, per Gratis-Apps Millionen von Psychoprofilen zu sammeln. Für die 55 Mio. deutschen Internetnutzer reichten etwa 500.000 Befragungen nach dem Ocean-Modell, schätzt Skou. „Dazu braucht man nicht unbedingt Facebook. Allerdings erleichtert Facebook die Arbeit schon sehr.“

So eine Befragungs-App für Facebook ließe sich schnell bauen und soweit der Nutzer per Opt-in zustimmt, dass seine Angaben für Werbung genutzt werden, gäbe es auch kein datenschutzrechtliches Problem. Die aus der Befragungs-App gewonnenen psychometrischen Attribute wären dann ein „positives Sample“, wie Skou sagt. Diese müssten dann statistisch auf die Bevölkerung hochgerechnet und extrapoliert werden. Somit stünden ausreichend Persönlichkeitsprofile zur Verfügung, die dann noch mit Verhaltensdaten kombiniert werden müssten. „Facebook ist nur eine Quelle für passende Verhaltensdaten“, meint Skou, und weiter: „Genauso ließen sich die Persönlichkeitsprofile beispielsweise mit den semantischen Daten von Semasio oder Verhaltensdaten von emetriq kombinieren. Die Psychografie bzw. Psychometrie ist eine interessante Dimension in der persönlichen Ansprache. Soweit sind wir aber bis jetzt noch nicht gekommen. Wir machen zwar Targeting, aber echte One-to-One-Kommunikation mit personalisierten Creatives auf Basis psychografischer Profile der Nutzer ist noch Mangelware.“

In Europa so nicht möglich

Allerdings sieht Skou schon Unterschiede zwischen dem, was Cambridge Analytica in den USA gemacht hat, und dem, was im europäischen Markt möglich ist. „Es ist ein US-amerikanisches Beispiel. Cambridge Analytica hat in den USA massenhaft Daten von Acxiom, Experian und anderen gekauft, darunter auch persönliche Daten, die sie dann mit den Wählerlisten kombiniert haben. Das wäre in Europa überhaupt nicht möglich und das macht unseren Markt auch erheblich sympathischer und besser reguliert. In Europa trennen wir klar zwischen personenbezogenen Daten und anonymen Daten. Die Nutzer dürften nie als Privatperson identifiziert werden, wenn die Person das nicht möchte. Das würde aus meiner Sicht eine wichtige Grenze im europäischen Datenschutz überschreiten“, sagt Skou.

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Claudia Bauhuber, Bild: Fotografie vonEngels  - Uli Schneider

Claudia Bauhuber sitzt entspannt im Backstagebereich der Markthalle Hamburg. Noch vor wenigen Minuten hat Bauhuber, Director Social Media & Community Management Central Europe AccorHotels Germany, einen fulminanten Vortrag auf dem Querdenker- Event „Year of the X“ gehalten. AccorHotels, zu denen Brands wie Ibis Hotels, Mercure und Novotel, aber auch Luxusmarken wie das Fairmont Hotel Vier Jahreszeiten in Hamburg, Swissotel, Sofitel und Raffles gehören, hat mit der umtriebigen Social-Media-Managerin eine starke Waffe ins Rennen um die Aufmerksamkeit des Publikums geschickt.

Claudia Bauhuber erklärt mit leidenschaftlicher Sachkenntnis, warum Snapchat ein wichtiger Social-Media-Kanal für neue Zielgruppen in ihrem Bereich ist – neben Facebook, Instagram oder LinkedIn. Für AccorHotels Deutschland findet der große Hype aktuell nämlich auf Snapchat statt. Die 31-Jährige, die einem 4-köpfigen Social-Media-Team vorsteht, trägt die Verantwortung für den deutschen, österreichischen und schwedischen Markt. 400 Hotels werden im Social-Media-Bereich durch das Team vom Standort München betreut.

Werdegang

„Die einzige Konstante im Leben ist Veränderung“, ist das Motto von Claudia Bauhuber, die ihre ersten professionellen Erfahrungen im Tourismus bereits während ihrer Studienzeit gemacht hat. Und zwar als Animateurin und Reiseleiterin, zuerst in Österreich, später auf Fuerteventura. An der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt hat Bauhuber Geographie und Tourismus studiert, „hier habe ich bereits mein Netzwerk aufgebaut, aus dem alles entstanden ist“, sagt die selbstbewusste Networkerin, die heute bewusst auf Visitenkarten verzichtet. Nicht nur für sich, sondern für das ganze Social-Media-Team. „Unsere Vernetzung läuft ausschließlich über Xing, LinkedIn wie auch andere Social-Media-Kanäle“, erklärt sie. Wissenschaftliche Hilfskraft, Werkstudentin, Arbeit in Agenturen wie auch Social Media Analyst & Consultant bei Forschungsweb GmbH waren die Stationen, bevor die Geographin 2013 als Multibrand E-Commerce Advisor zu AccorHotels Germany gekommen ist. Knapp eineinhalb Jahre später wurde Bauhuber in ihre aktuelle Position befördert.

Warum digitales Marketing?

„Weil es die Zukunft ist – vor allem im Tourismus“, sagt Claudia Bauhuber. Was vielleicht schon vergessen ist: „Der Tourismus ist die Mutter von Social Media, da mit Hotelbewertungen der erste User-generated content generiert wurde“, so Bauhuber. Besonders reizvoll findet Claudia Bauhuber, die sich in ihrem Beruf auch als Social-Media-Botschafterin versteht, dass „digitales Marketing ehrlich und authentisch ist und nicht einfach nur eine Marketingbotschaft.“

Es geht heute viel stärker als je zuvor darum, den Gast an seinen verschiedenen Berührungspunkten mit der Marke AccorHotels abzuholen. Das gelingt mit Social Media vor allem dann gut, wenn mit witzigen oder aktuell im Internet besprochenen Inhalten gespielt wird und so eine Verbindung zur Marke stattfindet. Häufig heißt es dann, „einfach mal machen und einzelne Ideen oder ganze Kampagnen ausprobieren“, vor allem bei Snapchat als bevorzugtem Kanal. Denn dort gehe es heute mehr denn je um authentische Inhalte und die Vermittlung von live stattfindenden „In the moment“-Erlebnissen und -Erfahrungen.

„Darum ist es auch wichtig, den Bereich Social Media innerhalb der Kommunikation im Unternehmen zu platzieren. Die Erwartungshaltung der Kunden verlangt nach einer schnellen und authentischen Kommunikation, die ohne aufwendige interne Abstimmungsprozesse funktionieren muss“, sagt Bauhuber. Bei AccorHotels wird deswegen auch nicht mehr von „Pressestellen“, sondern vom „Newsroom“ gesprochen. Dieser ist ein Mix aus interner Kommunikation, PR, Social Media und Customer Care. Der Newsroom bei AccorHotels stellt für diese Kundenanforderungen „die perfekte Umgebung dar und kann dies durch kurze Kommunikationswege abdecken. Alle Kollegen im Newsroom sehen sich als Dienstleister innerhalb von AccorHotels. Und das wird so auch gelebt“, betont sie.

Was sind die besonderen Herausforderungen im Marketing für die Hotellerie?

Für das Social-Media-Team um Claudia Bauhuber gibt es mehrere Herausforderungen, die weniger mit ihrer Arbeit an sich als mit vorherrschenden Strukturen zu tun haben, denn wenige Branchen seien laut Bauhuber so hierarchisch strukturiert wie das Hotelgewerbe. „Es ist für uns nicht immer einfach, Entscheidungsprozesse neu aufzubauen. Unsere heutigen Zielgruppen sind nämlich alles andere als über Hierarchien anzusprechen. Für die Snapchat-Generation muss es meist schnell, bunt, fröhlich und manchmal auch mit einem ernsten Wort zugehen“, weiß Bauhuber.

Eine weitere Herausforderung sei generell die digitale Transformation, „mit der sich die Hotellerie ganz besonders schwer tut“, so Bauhuber weiter. AccorHotels hat deswegen einen Schattenvorstand auf globaler und regionaler Ebene einberufen, in dem ausschließlich fest angestellte Accor-Millennials mit dem Höchstalter von 35 Jahren eingebunden sind. Diese haben zwar keine Entscheidungsbefugnis, aber beratende Funktion auf allen Ebenen. Auch Claudia Bauhuber ist Mitglied dieses Schattenvorstands.

Welche aktuellen Entwicklungen sind besonders spannend?

„Das möchte ich unter dem Stichwort ‚Share Economy’ festmachen“, sagt Claudia Bauhuber, die sich neben ihrem Beruf auch noch aktiv bei den Digital Media Women engagiert. „Personen sind nicht mehr Inhaber von Dingen, sondern nur Nutzer der Dinge. Das Teilen von Gütern wird immer mehr zur Norm“, so Bauhuber. Deswegen sei die Konkurrenz von AccorHotels weniger bei anderen Hotelkonzernen zu suchen, sondern bei den „airbnbs, booking.coms und hrs dieser Welt“. Das hat strategische Auswirkungen, die AccorHotels neue Wege gehen lassen. – Müssen.

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MEDIA
Interview mit einem Fraud-Jäger

Jens von Rauchhaupt
Foto: astrosystem, Adobe Stock

Die Ad-Fraud Betrugsmethoden werden immer raffinierter. Der Mess- und Metrikendienstleister comScore spricht hier vom “Sophisticated Invalid Traffic” (kurz: SVIT). Wir sprachen dazu mit Timur Yarnall, dem Mitbegründer von MdotLabs, einem Fraud-Detection Dienstleister, den comScore im Jahr 2014 übernommen hat und seit mehreren Jahren den Kampf gegen Fraud führt.

Inzwischen verantwortet Timur Yarnall die Advertising Platforms und Corporate Development Teams, die unter anderem für comScore's Produkte zur Kampagnen- und Effektivitätsmessung zuständig sind.

Adzine: Herr Yarnall, was sind die größten Veränderungen im Hinblick auf Fraud und Invalid Traffic (IVT), die Ihnen in letzter Zeit aufgefallen sind?

Timur Yarnall

Timur Yarnall: Es haben erhebliche positive Veränderungen im branchenweiten Kampf gegen Fraud und IVT stattgefunden. Im Vergleich zu 2013, als wir kaum einen Marktteilnehmer dafür gewinnen konnten, sich mit dem Thema zu befassen, geht die Branche heute mit zahlreichen Organisationen wie dem MRC und den IABs gemeinsam und in enger Abstimmung gegen IVT vor. Insbesondere der vom MRC definierte Unterschied zwischen „General“ und „Sophisticated“ IVT (SIVT) zeigt, dass die Branche daran arbeitet, die verschiedenen Abstufungen des Problems zu erfassen.

Adzine: Warum gewinnt die Identifikation von Sophisticated IVT (SIVT) gerade so stark an Bedeutung?

Timur Yarnall: SIVT zu erkennen ist wichtig, weil die Techniken der Betrüger sehr komplex geworden sind und sich schnell weiterentwickeln. Die Identifikation und Entfernung von „normalem“ IVT also „gewöhnlicher“ Botnet-Aktivität oder auffälliger Traffic-Muster schützt Medienanbieter nicht vor den raffinierteren Betrugsmethoden. Diese zu entdecken erfordert fortschrittlichere Verfahren. Wir freuen uns, dass comScore für seine SIVT-Erkennungsfunktionalitäten kürzlich die MRC Akkreditierung erhalten hat. Comscore ist darüber hinaus der erste Messdienstleister, der die SIVT-Akkreditierung sowohl für Content- als auch für Kampagnenmessung im stationären und im mobilen Internet bekommen hat.

Adzine: Im letzten Jahr hat IVT für die europäische Digitalindustrie enorm an Brisanz gewonnen. Was müssen Mediaeinkäufer beachten, um nicht zum Opfer von IVT zu werden? Was ist für Mediaverkäufer wichtig?

Timur Yarnall: Einiges kann bereits mit gesundem Menschenverstand erreicht werden und wenn man – umgangssprachlich formuliert – seine Hausaufgaben macht: Mit wem machen Sie Geschäfte, haben Sie Ihre Geschäftspartner persönlich kennengelernt? Prüfen Sie Ihre Ergebnisse auf Daten, die zu schön sind, um wahr zu sein? Stimmt das Angebot Ihres Mediapartners mit seiner bisherigen Performance überein oder scheint die versprochene Leistung aus dem Nichts zu kommen? Darüber hinaus müssen beide Seiten, Ein- und Verkäufer, mehrere interne und externe Lösungen einsetzen, um IVT zu bekämpfen. Einfach weil die „Bad Guys“ nie aufhören werden, ihre Methoden zu verfeinern und IVT unterschiedliche Ausprägungen hat, je nachdem, auf welcher Art von Werbeträger Ihre Kampagne läuft.

Comscore engagiert sich im IAB Europe Brand Advertising Committee und seiner Qualitäts-Task Force, die sich mit den Themen Sichtbarkeit und Brand Safety auseinandersetzt und auch das Thema Fraud/IVT auf der Agenda hat. Die Aufgabe der Gruppe ist es, die unterschiedlichen Brancheninitiativen in den USA und in Europa zu bewerten mit dem Ziel, die grenzübergreifende Zusammenarbeit und die Harmonisierung von Standards und Audits so weit wie möglich zu intensivieren. Bei Comscore haben wir natürlich ein großes Interesse daran, den Ländern in Europa zu helfen, den Kompetenzaufbau zu beschleunigen und Ansätze zu unterstützen, die die Risiken, denen die Branche durch betrügerischen und ungültigen Traffic ausgesetzt ist, zu minimieren.

Adzine: Welche Technologien und Lösungsansätze verwendet Comscore, um IVT zu entdecken und zu entfernen?

Timur Yarnall: comScore baut zum einen auf die Erfahrungen im Bereich Internet-Sicherheit, die durch die Akquisition von MdotLabs gewonnen wurde, und zum anderen auf seinen gigantischen Datenbestand. Die Methoden, die comScore einsetzt sind vielfältig und lassen sich als Identifikation von Anomalien in Kombination mit maschinellem Lernen zur Erfassung sich neu entwickelnder Bedrohungen beschreiben. comScore hat die einzigartige Möglichkeit, die Ergebnisse spezifischer Kampagnen mit Daten zu vergleichen, die durch das Nutzerpanel, Webseiten, die das Messtag integriert haben, oder über den Brand Safety Crawler gewonnen wurden. Wir haben einen unvergleichlichen Datenbestand, mit dem wir verdächtige Aktivitäten mit regulären abgleichen können.

Adzine: Wir haben festgestellt, dass IVT im Bereich des programmatischen Handels weiter verbreitet ist. Welche Trends sieht comScore hier?

Timur Yarnall: Das ist immer noch der Fall. Programmatisch erworbenes Inventar ist oft empfänglicher für IVT als direkt gekauftes. Aber wir sehen Zeichen für Verbesserungen bei unseren Programmatic Partnern, die interne Tools und externe Lösungen zur Abwehr von IVT einsetzen.

Adzine: Programmatic wächst in Europa nach wie vor stark, der aktuelle IAB Report weist eine Steigerung der programmatisch getätigten Spendings von 70,3% zum Vorjahr aus. Welche neuen Wege sehen Sie Kunden in der heutigen datenbasierten und automatisierten Welten einschlagen?

Timur Yarnall: Kunden nutzen ihre First-Party-Daten im Zusammenspiel mit vertrauenswürdigen 3rd Party-Daten heute wirksamer und souveräner über alle Plattformen. Daher gehen wir davon aus, dass dieses Wachstum anhalten wird. Die Möglichkeit, mit Hilfe verlässlicher Validierungsmetriken große Zielgruppen, die auf Basis bekannter Kundenprofile modelliert worden sind, mit Kampagnenbotschaften zu adressieren, liefert besser KPIs als jemals zuvor.

Adzine: Wir nähern uns dem Jahresende. Welche die Branche prägenden Trends sehen Sie für 2017?

Timur Yarnall: Die entscheidende Herausforderung für Kunden ist nicht mehr die Integration von Daten oder die Durchführung von Kampagnen sondern, so scheint es mir, zu entscheiden, welche 3rd Party- oder DMP-Daten, tatsächlich nützlich und wertstiftend für ihre Kampagnen sind. Im Bereich der zahlreichen Anbieter von Audience-Daten wird sich die Spreu vom Weizen trennen. Darüber hinaus werden wir weiter beobachten können, dass die Grenzen zwischen TV und Digital sowohl für Verbraucher als auch für Werbetreibende verschwimmen, und Cross-Plattform Marketing sich weiterentwickelt.

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CONTENT MARKETING
Cone – Premium-Content auf Bestellung

Jens von Rauchhaupt
Foto: Anna-Mari West, Adobe Stock

Ralf Klassen ist in der Medienwelt das, was man durchaus als alten Haudegen bezeichnen darf. Ob beim Spiegel, Beckoffice, der Süddeutschen oder dem Stern: Sei es als Schreiber oder als TV-Autor, TV-Format-Entwickler oder Redaktionsleiter, der gelernte Journalist hat in seiner Karriere schon reichlich Redaktionsluft schnuppern dürfen. Nun hat der Hamburger das neue Freelancer-Netzwerk „CONE – The Content Network“ gestartet, das Unternehmen und Medien schlüsselfertigen Content bieten will.

Cone ist im Grunde genommen eine vollwertige externe On-Demand-Redaktion mit Ralf Klassen als Chefredakteur. Das Netzwerk beschreibt er als "agil und flexibel." Die Kommunikation und Produktion findet auf speziellen Cloud-Servern statt, die hochmobiles Arbeiten ermöglichen sollen.

Bereits zum Start kann Cone auf ein Netzwerk von gut 50 Freelancern aus den Bereichen Text, Bild und Bewegtbild sowie Social Media zurückgreifen. Je nach Auftrag holt sich Cone die passenden Mitarbeiter dazu. Am Netzwerk habe man zuletzt „ziemlich geschraubt“, wie Klassen sagt. „Das sind zumeist alte Bekannte – alles echte Profis, gelernte Journalisten und Redakteure, die aus allen Bereichen kommen, mit wahnsinnig hohem Niveau“, so Klassen.

Thematisch konzentriert sich Cone zunächst auf vier Themen-Channels: Consumer Tech, Digitalisierung & Arbeitswelt, Gesundheit & Fitness sowie Lifestyle. Klassen traut sich auch andere Themen-Channels zu, allerdings „nicht gleich aus dem Stand. Dazu müssten wir noch weitere Freelancer finden, die qualitativ ins Netzwerk passen.“

Die gesamte Content-Palette

Die Idee von Cone hat eine Vorgeschichte. Ralf Klassen hat nach seiner Zeit als stellvertretender Chefredakteur und Leiter Digital TV bei Stern Online im Januar 2014 OneTV gegründet – wie Cone eine Content-Schmiede, allerdings mit klarem Fokus auf Bewegtbild. „Mit Cone wollen wir auch Themen jenseits von Bewegtbild machen. Von unseren Kunden hatten wir immer mehr Anfragen nach Textbeiträgen erhalten. OneTV war aber zu sehr mit Bewegtbild besetzt. Daher war es Zeit, sich zu vergrößern und sich umzubenennen. Jetzt bieten wir offiziell die gesamte Palette digitaler Content-Produktion an.“

Die derzeitige Diskussion um Content-Marketing als Ersatz werblicher Maßnahmen hält Klassen übrigens für überzogen. „Eine künstliche Diskussion“, wie er sagt. „Marketing mit Hilfe von Content zu betreiben ist nichts Neues, man muss es nur mit der richtigen redaktionellen Distanz tun. Die plumpe Vermischung von Content und absatzgetriebenen Zielen ist dabei der falsche Weg.“ Darum wehrt sich Klassen auch gegen den Begriff Content-Marketing-Agentur. Er versteht Cone deswegen als eine echte Redaktion, die für den Kunden journalistische Inhalte liefert.

Neben Unternehmen und Organisationen hat Cone auch Medien als Auftraggeber im Visier. Für Xing arbeitet Klassen beispielsweise schon länger und betreut den Xing-Spielraum und unterstützt somit die Content-Strategie des Karrierenetzwerks. Aber auch ganze Verlage sollen die Redaktionsarbeit von Cone in Anspruch nehmen können. Ein Medienprofi reaktiviert also ehemalige Redakteure, um auch klassische Medienhäuser mit Beiträgen und anderen Content zu beliefern? Für Ralf Klassen kein Problem.

Ralf Klassen, Foto: Ralf Klassen / Cone

„Das ist die digitale Transformation. Ich bin seit über 30 Jahren Journalist und natürlich sehe ich einige Entwicklungen auch mit einem weinenden Auge. Vieles davon ist aber auch selbst verschuldet, weil die Verlage zu lange an einem alten Geschäftsmodell mit wahnsinnigen Kostenstrukturen festgehalten haben. Cone ist sicherlich eine Reaktion darauf. Aufgrund neuer Arbeitsstrukturen können Inhalte heute viel schneller und zielgerichteter an die Leute gebracht werden. Die digitale Transformation ist nicht nur eine Gefahr, sondern auch eine große Chance“, sagt Klassen.

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