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Denis Gladkiy, adobestock.com

Die Zeit lässt sich weder einfrieren noch zurückdrehen. Kaum vom Internet herausgefordert, muss die Retail-Branche sich mit Mobile herumschlagen. Ob sie will oder nicht. Die Verbraucher treffen vermehrt ihre Kaufentscheidungen mit oder zumindest auch mithilfe ihres Smartphones. Wie der Handel damit umgeht und welche Antworten gesucht werden, war diese Woche auf der Mobile in Retail Conference vom Veranstalter GS1 Germany in Berlin zu beobachten. Auf der zweitägigen Veranstaltung ging es nicht nur um neue Bezahlsysteme, Bezahl-Apps, Loyality-Programme und Beacons, sondern auch um Daten, Werbe-IDs, dynamische Creatives, Medienbrüche und den Impact von mobiler Werbung auf die Customer Journey.

Mobile bewegt Retailer genauso wie große FMCG-Marken. Auf der Mobile in Retail Conference waren von ihnen Sätze zu hören wie „Mobile ist der First Screen“ (Arne Kirchem, Unilever) oder: „Es herrscht durch die neue Mediennutzung ein digitaler Darwinismus“ (Martin Wild, Media-Saturn), oder auch: „Nur mit Mobile Excellence wird die digitale Transformation gelingen (Markus Irmscher, Nestlé Deutschland).“ Mobile ist bei allen nun im Fokus.

Das Smartphone schlägt die Brücke – fast

Hat das Internet mit dem E-Commerce ein Feuer im stationären Handel entfacht, ist Mobile kein Brandbeschleuniger, sondern eher ein Feuerlöscher. Denn Mobile hat das Potenzial, den Bruch zwischen Online-Werbung und Offline-Abverkauf zu überwinden und die Kunden in die Filialen zu locken, eines der zentralen Themen auf der Konferenz. Der Brückenschlag könnte mit Mobile bald gelingen, dem Smartphone und der Funktechnologie sei Dank. Zwei Beispiele dazu: Google präsentierte in Berlin einen Obi-Case, bei dem Google die Auswirkung einer „Mobile AdWords Shopping“-Werbekampagne auf den Ladenbesuch über das GPS-Signal und der Werbe-ID am Smartphone nachgewiesen hat. Dieser lag laut Leopold Gräubig, Industry Manager von Google, bei einem Uplift von 14%. Was noch fehlt, ist der Nachweis für den daraus folgenden Abverkauf im Geschäft, aber auch daran arbeitet Google fieberhaft. Gräubig belegte in seinem Vortrag auch die Bedeutung von Mobile in der Customer Journey: 26 mobile Touchpoints konnte Google im typischen Kaufentscheidungsprozess nachweisen.

Der Einfluss von Mobile-Werbung auf den Verkauf in der Filiale ist auch bei Facebook ein Topthema. Wie weit das Social Network damit ist, demonstrierte Kai Herzberger, Facebook E-Commerce & Fashion, anhand einer Tchibo-Kampagne. Über ein Werbemittel mit Gutschein in Form eines EAN-Codes und der eigenen Conversion API von Facebook versucht Facebook die Wirkung des Werbeimpulses am Smartphonebildschirm für den Verkauf in der Tchibo-Filiale nachzuweisen. Massentauglich ist das Verfahren allerdings noch nicht, weil der Retailer zunächst mit Facebook direkt eine solche Gutscheinkampagne aufsetzen muss. Derzeit sollen einige Unternehmen aus dem stationäre Handel ähnliche Kampagnen mit Facebook testen. Facebooks Vorteil hierbei: 70% der deutschen Shopper würden während ihres Einkaufs regelmäßig ihr Smartphone nutzen. Aufgrund der starken Verbreitung der Facebook-App ist es sehr wahrscheinlich, dass der User die Werbung in seinem Facebook-Feed sieht. Auslöser der Werbeausspielung sind auch hier die Geolocation-Daten. Eine Grundvoraussetzung für den Erfolg: eine exakte Werbeansprache mit an die Zielgruppe angepassten Creatives. Bekanntlich eine Stärke des Social Networks.

Eine genaue Zielgruppenansprache gelingt sowieso nur dann, wenn der Advertiser, und in diesem Fall auch der Retailer, die passenden Daten hat. Diese können inzwischen auch von einem Mobilfunkanbieter kommen, wie Mark Stohlmann, Marketingmanager bei Telefónica, in seiner Präsentation der neuen „Out of Store Insights“ deutlich machte. Telefónica rollt das neue Angebot gerade aus. Hierbei werden Netzwerk-Bewegungsdaten von Telefónica Kundendaten über die Data Anonymization Platform anonymisiert und dann dem Mediaeinkauf für eine gezielte Mobile-Werbeansprachen zur Verfügung gestellt. Dabei handelt es sich um Informationen wie Alter, Geschlecht, Interessen, Einkommen, Vertragsart, Heimatstandort und der tatsächliche Standort. Stohlmann wurde in seinem Vortrag nicht müde, die Datenschutzkonformität des Telefónica Angebots zu erwähnen. Telefónica ließ das Datenangebot vom BFDI zertifizieren.

Mobile braucht eine neue Art der Werbung

Viele Mobile-Werbeformate, vor allem Pop-up-Ads, sind beim Endverbraucher nicht besonders beliebt, darauf machte Matthias Mühlenhoff, Managing Director von Publicis Pixelpark, in seinem Vortrag „Digitale Ernüchterung trifft mobile Individualität“ aufmerksam. Er zeigte sich in seinem Vortrag davon überzeugt, dass sich die Werbung auf dem Smartphone grundsätzlich ändern müsse. Es braucht dort eine „neue Werbung“. Mühlenhoff verlangt mehr Verantwortung von der Werbebranche, die Nutzerinteressen zu berücksichtigen, anstatt einfach die stationäre Werbung auf Mobile zu übertragen. Gute Ideen und eine fokussierte Ansprache, die einen Mehrwert für den Nutzer beinhaltet, würden diesem Kanal, den er als Kanalsammlung definiert, besser gerecht. Das alles verlangt auch nach einem neuen Agentursystem und eine neue Organisation der eigenen Abläufe, indem die Kampagnenkonzeption und die Kanalplanung zusammengebracht werden.

Mobile Advertising Summit findet am 30. März 2017 statt

Konzeption und Umsetzung von Werbung auf den mobilen Screens werfen also nach wie vor Fragen auf, insbesondere bei Wirkung, Formaten und Technologie. An dieser Stelle empfiehlt sich der Besuch des Mobile Advertising Summits 2017 den ADZINE Events am 30.März in Berlin veranstalten wird. Hier gehts direkt zu den Early Bird Tickets.

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Tomasz Zajda, Bild: Adobe Stock

Nach den Verhaltensregeln des Werberats dürfen Kinder durch Werbung nicht direkt zum Kauf von Produkten aufgefordert werden. Die meisten Werbeformen lassen sich darauf leicht überprüfen. Wie verhält es sich jedoch mit Influencern, die für immer mehr Kinder und Jugendliche das Fernsehprogramm ersetzen und sich auch über Produktplatzierungen finanzieren? Wer kümmert sich um Verstöße und um die klare Trennung von Inhalt und Werbung?

Der Werberat sieht in der Verantwortung als Kontrollinstanz für inhaltliche Verstöße gegen die aufgestellten Verhaltensregeln. Hierzu kann auch die Abmahnung von nicht kindgerechter Werbung zählen. Jedoch befasst sich der Rat nicht mit der klaren Trennung von Werbung und Inhalt . Es geht also nicht um die Verfolgung von gesetzlichen Übertretungen, sondern um die Selbstkontrolle hinsichtlich ethischer Fragen. So werden hauptsächlich Unternehmen gerügt und abgemahnt, die unter anderem mit sexistischen oder gewaltverherrlichenden Inhalten werben. Es gäbe zwar auch Beschwerden bezüglich unangemessener an Kinder gerichteter Werbung, jedoch noch nie in Bezug auf YouTuber.

Für die gesetzlichen Bestimmung hinsichtlich der Trennung von Werbung und Inhalt sind die Medienanstalten zuständig. Sie haben auf die Kennzeichnung von Produktplatzierungen im letzten Jahr mit der Veröffentlichung eines Guides reagiert, Influencern Verhaltensregeln an die Hand gibt, wie sie in den sozialen Medien Produkte platzieren dürfen.

Siegfried Schneider, Bild: Bundesmedienanstalten

Siegfried Schneider, Vorsitzender der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM), kommentiert: „Die Landesmedienanstalten wollten mit der Veröffentlichung ihrer FAQ-Liste zur Kennzeichnung von Werbung und Produktplatzierung in YouTube-Beiträgen vor einem Jahr bewusst für mehr Transparenz und für eine klare Trennung von redaktionellen Inhalten und Werbung in YouTube-Beiträgen sorgen – gerade auch mit Blick auf die junge Zielgruppe. Nicht zuletzt, weil YouTube-Stars ein besonders Vertrauensverhältnis zu ihren Followern aufbauen, sind die Zuschauer gerade bei werblichen Aussagen in besonderer Weise zu schützen. Die Reaktionen auf unsere FAQ-Liste zeigen, dass das Problembewusstsein in der Branche seit der Publikation deutlich zugenommen hat.“

Die FAQs sollen dabei jedoch nur ein Leitfaden sein. Die dahinterstehenden Vorschriften zur Trennung von Programm und Werbung gelten ohnehin.

YouTube gleich Kinderprogramm?

An Kinder gerichtete Werbung unterliegt einigen Einschränkungen. So darf sie die Heranwachsenden nicht zum Kauf eines Artikels auffordern oder dazu anleiten, ihre Eltern dazu zu bringen. Zudem sollte es möglichst ersichtlich sein, dass es sich um Werbung handelt. Aus diesem Grund kennzeichnen die im Verband Privater Rundfunk und Telemedien e. V. (VPRT) zusammengeschlossenen privaten Fernsehanbieter in Absprache mit den Landesmedienanstalten zusätzlich ihre Werbeblöcke im Umfeld von Kinderprogrammen am Anfang und am Ende durch einen audiovisuellen Trenner, um insbesondere kleineren Kindern deutlich zu machen, wann es sich um Werbung handelt. Dieser fällt im Influencer Marketing selbstverständlich weg. Daher liegt der Gedanke nahe, auch YouTube-Kanäle, die sich gezielt an eine sehr junge Zielgruppe richten, als Kinderprogramm einzuordnen und Produktplatzierungen zu verbieten.

Laut Siegfried Schneider ist es so weit bisher noch nicht gekommen. Für die Regelung der Werbung durch Influencer verweist er auf die FAQ-Liste: „Bislang wurden bestimmte YouTube-Kanäle noch nicht als Kinderprogramm eingestuft. Auch einzelne YouTube-Videos wurden bislang nicht als Kindersendungen im Sinne des § 44 RStV qualifiziert. Den Medienanstalten ist die zum Teil junge Zielgruppe mancher YouTube-Kanäle bewusst. Auch wenn die FAQs diesen Aspekt nicht ausdrücklich ansprechen, sondern ihren Fokus bislang auf die richtige Kennzeichnung legen, wird in den FAQs gleich zu Beginn auf die rechtlichen Anforderungen des § 58 RStV verwiesen, der auch an die staatsvertraglichen Produktplatzierungs-Regelungen anknüpft.“

YouTuber zeigen sich einsichtig

Von besorgten Eltern oder anderen Nutzern hat es laut Schneider keine konkreten Programmbeschwerden in Bezug auf mögliche Werbeverstöße von YouTube-Videos gegeben. Insgesamt sieht Schneider die Veröffentlichung des Guides als Erfolg an: „Zu Beginn der Veröffentlichung der FAQs vor einem Jahr gab es eine Reihe von YouTubern, die gegen die Trennungs- und Kennzeichnungsbestimmungen verstoßen hatten. Mit ihnen haben wir zwischenzeitlich Gespräche geführt – seitdem hat sich die Kennzeichnungspraxis erkennbar geändert. Auch die Multi-Channel-Networks und die Influencer-Marketing-Agenturen, die die Social Media-Anbieter beraten und vermarkten, haben ihre Kennzeichnungspraxis entsprechend angepasst.“

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Nic, Bild: Littlevisuals.co

Sowohl der Begriff als auch das Konzept „Data“ ist seit einigen Jahren in aller Munde – und werden in vielen verschiedenen Zusammenhängen und mit verschiedenen Bedeutungen benutzt. Die vermehrt unspezifische Verwendung des Datenbegriffs führt auch in unserer dynamischen Branche zu immer mehr Verwirrung. Dieser Beitrag erläutert, wie Daten die Basis einer passgenauen Zielgruppenansprache im Data Driven Advertising bilden können.

Um sich dem Konzept der Daten zu nähern, ist es zunächst sinnvoll, drei unterschiedliche Datentypen hervorzuheben:

  • Ereignisdaten
  • Profildaten
  • Segmentdaten

A) Ereignisdaten

Die Basis verhaltensbezogener Profile sind Ereignisse („Events“): Das kann der Besuch einer bestimmten Website, das Füllen eines Warenkorbes mit einem Produkt oder auch eine gestellte Suchanfrage sein, um nur einige wenige Beispiele zu nennen. Der Zugang zu Ereignisdaten ist entscheidend, um Nutzerprofile in der notwendigen Tiefe und Breite zu generieren, so dass ein werbetreibendes Unternehmen daraus einen direkten Wettbewerbsvorteil ziehen kann.

B) Profildaten

Profildaten können in zwei Subdatentypen unterteilt werden:

  • Nutzerzentrierte Profildaten
  • Ereigniszentrierte Profildaten

Nutzerzentrierte Profildaten sind nicht von einem bestimmten Ereignis abhängig. Es handelt sich dabei um soziodemografische oder abgeleitete psychografische Attribute eines Nutzers wie Motive, Werte und Überzeugungen, aber auch um erklärte Nutzerabsichten oder Kunden-Scorings aus CRM-Systemen. Diese Daten unterliegen keinem Profilierungsprozess, da sie bereits als nutzerzentrierte Attribute mit vordefinierter Bedeutung gesammelt werden.

Ereigniszentrierte Profildaten wiederum benötigen einen Profiling-Prozess, um jedem einzelnen Ereignis eine Bedeutung zuzuschreiben. Dabei existieren zwei verschiedene Herangehensweisen, die zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen führen:

  • Kategorienbezogenes Profiling
  • Semantisches Profiling

Das kategorienbezogene Profiling baut auf einer Kategorisierung von Ereignissen nach einer vordefinierten Taxonomie auf. Nutzerprofile werden zu einer Timeline von Nutzerkontakten anhand vordefinierter Kategorien zusammengefasst, die parallel zu den nutzerzentrierten Attributen gesammelt werden.

Die Bedeutung eventzentrierter Daten ergibt sich beim kategorienbezogenen Profiling erst anhand einer vordefinierten Taxonomie. Das Ereignis wird in diesem Fall der Kategorie „Auto“ zugeordnet., Bild: Semasio

Die semantische Profilierung hingegen basiert auf dem ‚Natural Language Processing (NLP)‘, einer Disziplin aus dem Machine Learning. Hierbei werden die signifikantesten Begriffe und Textphrasen aus dem Content der Website extrahiert, die der Nutzer konsumiert hat, und in einer großen gewichteten Keyword Cloud pro Nutzer gesammelt. Das Ereignis ist dabei der Besuch einer Website, der auf URL-Ebene erfasst wird. Ein so entstandenes Profil sieht völlig anders aus als ein Profil, das durch eine kategorienbezogene Profilierung entsteht. Die semantische Profilierung ermöglicht ein tieferes und breiteres Verständnis ereigniszentrierter Daten.

Bei der semantischen Profilierung erschließt sich die Bedeutung eines Ereignisses anhand der signifikantesten Begriffe und Phrasen aus dem Content einer besuchten Website, die in einer Keyword Cloud gesammelt werden., Bild: Semasio

Sowohl kategorienbezogene als auch semantische Profilierungsprozesse beruhen pro Nutzer auf dutzenden Ereignissen pro Monat. Je mehr Events einbezogen werden können, umso breitere (aus einem heterogenen Contentangebot) und tiefere (möglichst viele Events pro Monat) Profile können erstellt werden.

C) Segmentdaten

So wie Ereignisdaten den Input für den Profilierungsprozess bilden, bauen Segmentdaten auf Profildaten auf, die den Input für den Segmentierungsprozess liefern. Profildaten sind also die notwendige Grundlage, um aktuelle Segmente zu erhalten, die der Werbetreibende dann über den Einkauf von Media aktivieren kann. Zwei Herangehensweisen sind bei der Segmentierung möglich:

  • Das binäre Wahr/Falsch-Entscheidungsmodell das auf Hypothesen beruht, das Top-down-Prinzip
  • Die statistische Methode, die auf empirischen Analysen beruht, die Bottom-up-Herangehensweise

Top-down-Prinzip

Die Top-down-Herangehensweise beginnt mit einer Hypothese. Beim kategorienbezogenen Profiling erfolgt die Segmentierung der eventzentrierten Attribute – die Timeline der Nutzerkontakte inklusive der zugeschriebenen Kategorien – sowie der nutzerzentrierten Attribute anhand der sogenannten booleschen Variablen. Ein Beispiel: „Nutzer über 28 Jahren mit mittleren Einkommen, die in den letzten vier Wochen mindestens drei Kontakte mit Automotive-Content und zwei oder mehr Kontakte mit Finanzen- und Business-Content hatten, entsprechen dem Segment ‚Auto-Mittelklasse‘. Entspricht ein Profil dieser Hypothese, wird der Nutzer dem Segment ‚Auto-Mittelklasse‘ zugeordnet.“

Beispielhafte Übersicht der event- und userzentrierten Daten, die beim kategorienbezogenen Profiling nach dem Top-down-Prinzip zum Einsatz kommen., Bild: Semasio

Die Hypothesenbildung beim semantischen Profiling nach dem Top-down-Prinzip verläuft anders. Eine Hypothese kann hier anhand der Betrachtung der auf eventzentrierten Daten beruhenden Keyword Clouds selektierter Nutzer abgeleitet werden. Zur Erinnerung: Die Keyword Cloud eines Nutzers spiegelt die Historie seines realen Surfverhaltens anhand der signifikantesten Begriffe und Phrasen des besuchten Contents wider. Das Segment kann potenziell zusätzlich mit nutzerzentrierten Attributen angereichert werden.

Ausgewählte Begriffe und Phrasen könnten zum Beispiel so aussehen: „Mittelklasse“, Namen der Automodelle des Advertisers oder seiner Wettbewerber, die effektivsten Search-Keywords für das Automodell oder die Klasse, Schlüsselwörter zu Kaufabsichten (beispielsweise „Autokonfigurator“, „Autoversicherung“ oder „Autofinanzierung“) und andere Begriffe und Phrasen, die ein ernsthaftes Interesse für Automotive belegen (beispielsweise “Wiederverkaufswert“, „Serviceintervall“ oder „Crashtest-Ergebnisse“). Diesen Schlüsselbegriffen können dann zusätzlich soziodemografische Attribute wie das Alter „18 Jahre oder älter“ oder „mittleres Einkommen“ zugeordnet werden. Je mehr Kriterien zwischen einem Segment und einem Nutzer übereinstimmen, umso höher ist seine Segmentzugehörigkeit.

Beispielhafte Übersicht der event- und userzentrierten Daten, die beim semantischen Profiling nach dem Top-down-Prinzip zum Einsatz kommen., Bild: Semasio

Die statistische Bottom-up-Herangehensweise

Die statistische Bottom-up-Herangehensweise basiert nicht auf Hypothesen, sondern auf einer empirischen Analyse. Diese Analyse beginnt mit einem sogenannten positiven Sample – einer Ausgangsgruppe von Nutzern, die das gewünschte Nutzersegment repräsentiert. In unserem Automobil-Beispiel könnten das etwa Nutzer sein, die sich bereits für eine Testfahrt mit einem bestimmten Mittelklasse-Fahrzeug angemeldet haben und über On-Site-Tracking oder CRM-On-Boarding erkannt wurden.

Bei der statistischen Analyse werden diese Nutzerdaten auf Gemeinsamkeiten untersucht, um daraus ein Modell des Segments zu entwickeln. Dieses Modell wird anschließend auf die gesamte Population angewendet. Dabei werden die einzigartigen Gemeinsamkeiten jedes Users mit dem Modell erkannt. Diese Herangehensweise ist eine Abkehr vom Wahr/Falsch-Modell des kategorienbasierten Top-down-Ansatzes. Die statistische Herangehensweise arbeitet vielmehr fortwährend mit Variablen – auf der Suche nach Gemeinsamkeiten, die als Segment-Fit bezeichnet werden können.

Wechselverhältnis: Wird im Rahmen der statistischen Herangehensweise eine höhere Genauigkeit des Modells gewählt, sinkt die Reichweite. Umgekehrt verhält es sich ebenso., Bild: Semasio

Die statistische Herangehensweise stellt den Anwender vor eine spezielle Herausforderung: Er muss eine bewusste Entscheidung – einen Kompromiss – zwischen der Genauigkeit des Modells und seiner Reichweite treffen. Das liegt nicht an einer Unzulänglichkeit des Modells, sondern an der technologischen Limitierung gegenwärtiger Demand-Side-Plattformen. Diese können nur mit binären Werten in Bezug auf die Zugehörigkeit eines Nutzers zu einem Segment umgehen. Positiv hervorzuheben ist aber, dass sich der Trade-off zwischen der Segmentreichweite und dem Segment-Fit, also der qualitativen Segmentzugehörigkeit, individuell aussteuern lässt. Ein Faktor, der sich für den Kampagnenerfolg als von großer Bedeutung erweisen kann.

Beim kategorienbasierten Ansatz fließen event- und nutzerzentrierte Attribute in die statistische Analyse ein. Dieses Vorgehen wird oft als Suche nach den statistischen Zwillingen oder als Lookalike-Modelling bezeichnet. In unserem Beispiel der Automobil-Kampagne könnte die statistische Analyse anhand des positiven Sampels aufdecken, dass eine spezifische Altersgruppe eine hohe Affinität für Mittelklassewagen aufweist. Das Einkommen selbst könnte ein weniger entscheidendes Attribut sein und nur in Kombination mit dem Alter einen Mehrwert ergeben, wenn sich beispielsweise zeigt, dass jüngere Personen mit einem hohen Einkommen Mittelklassewagen bevorzugen. Die Analyse könnte zudem zeigen, dass Kontakte auf Automobil-Websites wenig nützlich sind, während Kontakte mit Contentangeboten für Eltern sehr wohl einen zusätzlichen Nutzen haben könnten. Junge Eltern etwa könnten Automodelle favorisieren, bei denen die Rückbank eine gesonderte Befestigung für Kindersitze besitzt, die zudem leicht zugänglich ist. Anders gesagt: Die empirische Analyse ist im Grunde genommen ein Marktforschungstool, das rein auf den verfügbaren Attributen fußt.

Der semantische Ansatz führt noch ein ganzes Stück weiter. Der Grund dafür liegt in dem weitaus umfassenderen Datenpool, auf den er zugreift. Zur Erinnerung: Dieser setzt sich in Form einer großen gewichteten Keyword Cloud aus den wichtigsten Begriffen und Phrasen der Websites zusammen, die der Nutzer konsumiert hat. Mithilfe dieser Clouds kann identifiziert werden, wie sich die Keyword Clouds der Nutzer des positiven Sampels von den Keyword Clouds aller anderen Nutzer unterscheiden bzw. ihnen ähnlich sind. Wir nennen diesen Ansatz ‚Semantic Twinning‘. Zusätzlich könnte der Semantic-Twinning-Ansatz aufdecken, dass Begriffe und Phrasen wie „Kindersicherheit“, „Kindersitz“ oder „Kleinkind“ verbunden mit dem Attribut „Alter 20 bis 34“ ein wertvolles Muster ergeben, während alleine das Einkommen der Nutzer keine Rolle spielt und als bloßer Wert vernachlässigt werden kann.

Warum sind diese Begriffserklärungen hilfreich?

Überall ist die Rede von ‚Data‘, doch das dahinterstehende Konzept wird bisher viel zu weit gefasst, um die einzelnen Nuancen zu adressieren, die wir benötigen, um wirklich gute Entscheidungen im Data Driven Advertising zu treffen.

Autor/in

Kasper Skou begann seine berufliche Laufbahn als Managementberater, bevor er als Geschäftsführer bei der semantischen Suchmaschine Speed of Mind einstieg. Nach der Absolvierung seines MBA an der INSEAD und seiner darauffolgenden Zeit als Chief Product Officer bei wunderloop, dem damaligen europäischen Marktführer für Behavioral Targeting, gründete er im November 2010 Semasio – zusammen mit Thomas Rask Thomsen, dem ehemaligen Mitbegründer und CTO von Speed of Mind.
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