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TV als Online-Werbeträger

Frank Puscher
Foto: ADZINE

Die diesjährige TRACKS-Summit in Hamburg hat gezeigt, dass sich die Online-Werbebranche und vor allem das Konzept Cross Channel Advertising weg vom theoretischen Perfektionismus hin zu pragmatischer Kosten-Nutzen-Betrachtung entwickelt. Die Klassik gewinnt auch bei den Digitalspezialisten an Bedeutung, allerdings unter neuen Vorzeichen.

Vielleicht steht Florian Löwenstein, Berater bei der Hamburger Mediaagentur Pilot, stellvertretend für die Branche. Er widmete seinen Vortrag nicht etwa dem nächsten Technikhype oder den psychologischen Tiefenerkenntnissen eines innovativen Attributionsmodells. Stattdessen zeigte Löwenstein eine Fall-Back-Lösung für den Fall, wenn der werbungtreibende Kunde nicht im Besitz tiefschürfender Basisdaten ist und dennoch ein zielgerichtetes Targeting über unterschiedliche Kanäle hinweg und auf verschiedenen Endgeräten erreicht werden soll. Dann – so der Hamburger – müsse man eben auf die Helikopterebene ausweichen und nicht mehr den einzelnen Nutzer ins Visier nehmen, sondern Nutzergruppen, vulgo Zielgruppensegmente. Die weisen Verhaltensähnlichkeiten auf und können so kontextbezogen angesprochen werden. Nicht individuell, aber dennoch relevant.

Willkommen in der neuen Welt der Online-Werbung, der Welt des ökonomischen und funktionalen Pragmatismus. Zwar haben Pilot und andere Mediaagenturen aktuell keine einfache Zeit zu durchleben. Sie geraten unter Druck durch Werbekunden, die selbst DSPs und Real-Time-Expertise aufbauen und Netzwerke, deren Selbstbedienungsansätze immer einfacher werden. Gregor Wolf, deutscher Statthalter von Experian, sieht sie gar „mit dem Rücken zur Wand“. Dennoch ist es bezeichnend, dass Löwenstein feststellt, dass ein Gutteil seiner Kunden gar nicht über die Ressourcen verfügt, Cross Device auf Nutzerebene zu arbeiten.

Panel: "Die besten Silos aller Zeiten?", v.l: Jens von Rauchhaupt (Adzine), Oliver Gertz (Mediacom), Tom Alby (Google), Oliver Busch (Facebook), Daniel Neuhaus (emetriq)

Ähnlich wie bei Löwenstein so ging es auch bei vielen weiteren Vorträgen und Diskussionen im Verlauf des Tracks Summit 2015 um die Abwägung zwischen dem theoretischen Idealzustand und der gelebten Realität. Da wurde die Intransparenz im Datenmarkt gegeißelt. Facebook und Google säßen wie Glucken auf ihrem Datenmaterial und drängen die Advertiser in die jeweils eigenen Tools oder zu den entsprechenden Dienstleistern Atlas oder DoubleClick. „Das behindert Markteffizienz“, meint Oliver Gertz, Managing Director bei Mediacom.

Kerstin Müller Schulzke, Razorfish

Kerstin Müller Schulzke von Razorfish legte den Finger auf die Wunde der Advertising Silos. Viel zu oft wird nur über die Verteilung der werblichen Inhalte gestritten und viel zu selten über deren inhaltliche Qualität. „Vielleicht sollte man sich eher darauf konzentrieren, Interesse zu wecken, statt Aufmerksamkeit zu kaufen“.

Der analoge Kunde und Nutzer

Besonders deutlich wurde der Bedarf an nüchterner, emotionsloser Betrachtung beim Thema Mediamix. Mario Szirniks, gestandener Digitalmarketer von Exactag, musste überrascht feststellen, dass der gedruckte Katalog eine enorme Bedeutung für die Warenkorbgröße des Büroversenders Schneider.de hat. „Und da sprechen wir noch nicht über die Spezialkataloge, die der Inspiration dienen sollen.“ Bei denen, vermutet der Duisburger, ist die Papierwirkung sogar noch größer.

Mario Szirniks, Exactag

Szirniks zeigte in seinem Vortrag allerdings auch, worin die innovative Qualität des neuen Pragmatismus steckt. Analoge Berührungspunkte zwischen Kunden und Unternehmen werden wieder wertgeschätzt, Grundlage dafür ist aber eine ausgereifte digitale Erfolgsmessung, mit allen Techniken, die die Werbebranche in den letzten Jahren hervorgebracht hat.

Volker Ballueder, 4C

Das lässt sich exemplarisch am besten am Segment Video zeigen. Bülent Cakir von EComcon und Volker Ballueder von 4Cinsights präsentierten die Wirkkraft von Online-Kampagnen, die mit TV-Ereignissen synchronisiert waren. Das müssen nicht nur eigene TV-Spots sein, sondern können auch solche der Konkurrenz oder redaktionelle Anlässe im TV sein. Anhand der Messung mit Kontrollgruppen lässt sich feststellen, wie die relative Wirkungsveränderung einer synchronisierten Kampagne ist. Zum Beispiel hat der Automobilhersteller Škoda mit einem solchen Ansatz 25 Prozent mehr Engagement gemessen.

Ein Zeitfenster von drei Minuten gilt also optimal für das Erreichen von Zusatzwirkung durch den Second Screen. Dabei ist es von besonderer Bedeutung, den exakten Sendezeitpunkt des jeweiligen Spots zu kennen. Da die Daten der Fernsehsender hier wenig akkurat sind, misst 4Cinsights diese nach, in dem mit einer shazam-ähnlichen Tonerkennung die Sendezeiten protokolliert werden.

Owen Hanks, YuMe, Foto: ADZINE

Owen Hanks von YuMe untermauerte anhand einer US-Studie, warum dieses Thema immer weiter an Bedeutung gewinnen wird. Laut Studie läuft der Fernseher zwar in der Hälfte aller Haushalte, doch die Aufmerksamkeit der anwesenden Personen erreicht er nur noch bei rund 22 Prozent. Hanks zeigte eindrucksvoll, wie die Zuwendung zum TV-Gerät nach vier Minuten drastisch abbricht und gleichzeitig auf Tablets, Smartphones und Notebooks ansteigt. Nur aktiv auf dem TV gestartete Langformate – vulgo Filme – konnten die Aufmerksamkeit der Nutzer auf Dauer halten. Einige Nutzer, vor allem Frauen, lassen sich von anderen Geräten und deren Inhalten so ablenken, dass sie TV-Sessions mitunter völlig unvermittelt abbrechen.

Diese detaillierten Kenntnisse erlangt die US-Werbebranche aus einem einzigartigen und spannenden Forschungsprojekt. In Las Vegas gibt es die TV City, ein Feldforschungslabor zur Beobachtung der Nutzer in realitätsnah nachgestellten Wohnzimmern.

150 Creatives für die Personalisierung eines Videospots, Foto: ADZINE

Videospezialistin Kathrin Kaufmann von der Hamburger Agentur Elbdudler betonte ergänzend, dass es sehr wichtig sei, für jeden Kanal eine eigene Bild- und Videosprache zu entwickeln und nicht anzunehmen, dass der Fernsehspot 1:1 auf YouTube als PreRoll funktioniert. Und wie um das zu illustrieren, zeigte zum Abschluss des Tages Andreas Groke von Videobeats dann doch noch eine echte Online-Innovation nämlich Video-Retargeting mit extrem individualisierten Botschaften. Der Darsteller im Video spricht den Nutzer konkret bei seinen geäußerten Interessen an: „Sie suchen ein Ferienhaus in Spanien mit Pool und Platz für Ihren Hund?“ Zwar wird die Reichweite durch das Targeting sehr dünn, doch die Conversions kompensieren das.

Andreas Groke, Videobeat Networks, Foto: ADZINE

Und auch Andreas Groke ist sich bewusst, dass Onlinewerbung nach wie vor nur ein kleiner Teil des gesamten Werbekuchens ist. Sein Tool sei nicht nur gut dafür geeignet, User online mit Video zu adressieren, sondern das Werkzeug ist auch eine wunderbare Testumgebung für unterschiedliche Spots. Und der Beste aus dem Test kommt dann … ins Fernsehen.

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Im digitalen Zeitalter ist Marketing noch gezielter und weniger verschwenderisch geworden. Die Industrie hat echte Fortschritte bei der Entwicklung wirksamer, effizienter und kreativer Kampagnen gemacht. Allerdings ist die Marketingmaschine bei weitem nicht perfekt. Markenaufbau ist nach wie vor "work in progress" – und das in einer Zeit, in der Unternehmen Markenbindung, Markenaffinität und Markentreue anstreben. Das Erreichen dieser Vorhaben hängt davon ab, wie ein Kunde eine Marke sieht.

So sind die Beurteilung der bestehenden Prozesse und die Einführung von Veränderungen integraler Bestandteil der Unternehmensentwicklung, zumal Marken auf der Suche nach innovativen Möglichkeiten sind, um mit ihren Verbrauchern ins Gespräch zu kommen. Das Aufkommen von immer weiteren digitalen Plattformen bietet Unternehmen die Chance, sowohl den Bekanntheitsgrad als auch den Umsatz zu erhöhen.

1. Die Festlegung von Filtern

Durch die vollständige Ausnutzung des programmatischen Marktplatzes können Marketingspezialisten eine breite Palette von Datenlösungen entdecken, die ihnen helfen, ihre Zielgruppe sowohl vor als auch nach einer Kampagne zu verstehen. Als Ergebnis bieten Programmatic-Advertising-Plattformen den Eingang zu einer Welt voller Daten von Dritten. Als erste Veränderung bietet sich an, dass Unternehmen bereits zu Beginn einer Kampagne Kriterien für das Filtern von Seiten festlegen, da sie das schon einen Schritt näher an ihr gesetztes Viewability-Ziel bringt. Bei Videokampagnen ist zu beachten, dass Anbieter VPAID (Video Player Ad-Serving Interface Definition) unterstützen. Das stellt sicher, dass die Viewability überhaupt gemessen werden kann. Inventarquellen, die dies nicht tun, können an dieser Stelle ausgeschlossen werden. Größere Anbieter weisen häufig darauf hin, dass ihr Inventar qualitativ hochwertig ist. Aber die Größe alleine ist kein hinreichender Garant für gute Qualität. Es macht daher keinen Sinn, eine Kampagne nur auf große Player auszurichten, weil das die Möglichkeiten eines Unternehmens einschränkt.

2. Observation in Echtzeit

Programmatische Technologien sind in ihrer Entwicklung so weit, dass sie dem modernen Vermarkter erlauben, die Performance einer Kampagne in Echtzeit zu überwachen; zu sehen, was funktioniert und was nicht, und an diese Ergebnisse anlehnend Anpassungen bei der Wahl der Medien vorzunehmen. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass Viewability in das Reporting einer gesamten Kampagne integriert ist. Das gilt übrigens unabhängig davon, ob es sich bei den Daten um tatsächliche Viewability-Daten handelt oder um solche Daten, die ähnliche Kennzahlen ermitteln – darunter etwa die Größe von Anbietern und Bannern. Das ist aus zweierlei Gründen wichtig: Erstens können Marketingexperten die gewonnenen Zahlen nutzen, um den Erfolg einer Kampagne zu untermauern und das dafür verwendete Budget zu erläutern. Zweitens sind solche KPIs unverzichtbar bei der Evaluierung und bei der auf den Ergebnissen basierenden Anpassung einer Kampagne.

3. Optimierung für Nachfolgerkampagnen

Sobald Spezialisten der Werbebranche die Performance einer Kampagne verstanden haben, können sie eine White List anlegen. In diese werden diejenigen Seiten eingetragen, auf denen Display-Anzeigen besonders gut funktionieren. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, eine Black List anzulegen. Diese hilft dabei, die Seiten zu identifizieren, die den Ansprüchen aus Viewability-Sicht nicht genügen. Zukünftig kann so das Werbebudget zielgerichteter eingesetzt werden, denn potenzielle Kunden bekommen so nicht mehr irgendeine alte Anzeige zu sehen. Stattdessen ermöglichen solche Listen den Marketingexperten die Ausführung optimal geplanter Kampagnen, die Kontext und Kontrolle schaffen. Das hilft Unternehmen dabei, auf kreative und relevante Weise mit der Zielgruppe in Kontakt zu treten.

4. Timing ist alles

Der Wettbewerb um das Interesse und die Bindung von Kunden ist härter als jemals zuvor. Mit Programmatic Advertising können Marketingexperten in Feinabstimmung die Häufigkeit einer Anzeige nach Tageszeit und Medium bei einer bestimmten Zielgruppe anpassen. Sie sind also in der Lage, mit dem Kunden zu kommunizieren, ohne dass es zu einer Unter- oder Übersättigung kommt. Ein Beispiel: Am Morgen erhält der Verbraucher eine Display-Anzeige auf seinem Laptop, am Nachmittag eine In-App-Anzeige auf sein Smartphone und abends eine Anzeige, die in den Facebook-Feed integriert ist, während der potenzielle Kunde sein Tablet nutzt. Unternehmen können so sicherstellen, dass sie mit Verbrauchern zur richtigen Zeit im richtigen Kontext kommunizieren.

5. Zusammenarbeit mit privaten Marktplätzen

Programmatische Lösungen bieten Marken die Möglichkeit, sich selber über zuvor ungenutzte Kanäle und Webseiten vorzustellen und so neue Märkte mit innovativen Kampagnen zu erschließen. Durch die Anpassung der Tageszeit und des Mediums können Unternehmen Inhalte platzieren, wenn die Zielgruppe in aufnahmefähiger Stimmung ist. Es ist ratsam, dass Unternehmen besonders auf eine Zusammenarbeit mit denjenigen Publishern achten, die private Marktplätze anbieten. Das sorgt für eine höhere Viewability-Rate und lässt sie gleichzeitig die Zielgruppe erreichen, die zuvor identifiziert und festgelegt wurde.

Jedoch sollten Unternehmen immer vor Augen haben, dass es beim Thema Viewability viel Interpretationsspielraum gibt. Aus diesem Grund sollten sie sich folgende grundlegende Fragen stellen: Beeinflusst der festgesetzte Viewability-Filter die Performance der Kampagne? Fallen jetzt Seiten aus dem Raster, die zuvor gut funktioniert haben? Ist es nachvollziehbar, wie der Anbieter auf seine Ergebnisse kommt? Bringt eine Kampagne die gewünschten Erkenntnisse? Wenn ein Unternehmen Viewability als Voraussetzung für die Auswahl der Inventarquellen wählt, dann werden sich zwangsläufig Lerneffekte einstellen, die zeigen, welche Konsequenzen diese Entscheidung hat. Zusammengefasst gilt: Unabhängig davon, für welchen Ansatz ein Unternehmen sich entscheidet, es muss Offenheit beweisen, um sich den verändernden Umständen kontinuierlich anpassen zu können.

Bild Timur Özer

Autor/in

Timur Özer ist der Sales Director für Deutschland, Österreich und Schweiz bei der Einkaufs- und Data-Management Plattform Turn. Özer verantwortet primär den Kontakt zu unabhängigen Media-Agenturen. Mit über neun Jahren Erfahrung im Online-Marketing kann Timur Özer auf eine umfangreiche Expertise im deutschen Online-Markt zurückgreifen. Vor Turn war Timur Özer als Account Executive bei Microsoft Deutschland für die Betreuung von Agenturen und deren jeweilige Kunden in Deutschland zuständig, vornehmlich aus den Bereichen Telekommunikation und E-Commerce. Besonderen Fokus legte er dabei auf die tiefere Integration von Partnern in die Geschäftsprozesse und auf den kontinuierlichen Ausbau von Performance-Kampagnen bei Microsoft Advertising.
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