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frank peters, dollarphotoclub.com

Der automatisierte Mediaeinkauf zieht in Deutschland an. Egal wen man fragt: Mediaagenturen, Vermarkter oder Data Provider. Alle bestätigen einen mächtigen Shift seit dem vierten Quartal 2014. Allerdings gibt es dabei zwei völlig unterschiedliche Welten: die Performance-Display- bzw. Retargeting-Advertiser, die über Real-Time Bidding (RTB) umfeldunabhängig Media einkaufen, und die Premiumvermarkter und Brand-Advertiser, die sich abschotten und den Mediahandel gesondert in eigenen Marktplätzen, den Private Marketplaces (PMPs) vorantreiben.

Programmatic Advertising erreicht das nächste Level und das bedeutet, der plattformbasierte Mediahandel ist für alle Marktteilnehmer der digitalen Werbung gesetzt. So berichtete mir Stefan Schumacher, Executive Director Digital bei G+J EMS, in einem Vorgespräch zur Adtrader Conference, dass der Hamburger Traditionsvermarkter annähernd sein gesamtes stationäres Inventar für den programmatischen Einkauf fit gemacht habe.

40 Prozent Open Auctions, 60 Prozent Direct Deals oder Private Auctions in Private Marketplaces. Das ist derzeit die typische Verteilung bei den Vermarktern. Insgesamt ist man – je nachdem welchen deutschen Vermarkter man fragt – bei einem Gesamtanteil von 10 bis 20 Prozent des stationären Gesamtinventars, der plattformbasiert gehandelt wird. Und es wird mehr, von Monat zu Monat, von Quartal zu Quartal.

Nicht nur die Mediaagenturen, sondern eben auch die Vermarkter haben 2014 offenbar ihre Hausaufgaben gemacht und sich auf Programmatic Advertising technologisch und personell vorbereitet. Dabei kommt das Konstrukt der Private Marketplaces (PMPs) ihnen besonders entgegen. Hierüber werden Branding-Kampagnen mit Billboard Ads und Half Page Ads gebucht, auch Wallpaper können zunehmend über die PMPs eingekauft werden. Die Preise zeigen sich bisher in den PMPs stabil und sind mit denen aus der klassischen Vermarktung vergleichbar. Auch die großen Mediaagenturen haben sich mit dem Mediahandel in den PMPs arrangiert. Bei Ihnen werden bereits bis zu 20 Prozent ihrer Display-Brand-Kampagnen über PMPs eingekauft.

Auf der anderen Seite werden selten solche Platzierungen über offene Auktionen im Real-Time-Bidding-Verfahren gehandelt. Die Vermarkter trennen diese beiden Bereiche weiterhin mehr oder weniger strikt, um ihre Preise für ihre Frontsites zu schützen. Nur das Secondary Inventory und die Restplätze werden dann für offene Auktionen freigegeben. Was also früher über Werbenetzwerke lief, geschieht heute direkt über RTB. Für die Advertiser ein kleines Manko, denn richtig gut optimieren lassen sich vor allem RTB-Kampagnen. Auf der anderen Seite haben OpenRTB-Auktionen seit jeher den Nachteil, dass hier durch die Einkaufsseite keine garantierten Abnahmemengen (Guaranteed Inventory) erzielt werden können. Ein weiterer Grund, warum PMPs sich so schnell am Markt etablieren konnten.

Die Angst, dass die Direct Sales Teams der Vermarkter unter dieser Entwicklung leiden, bestätigte sich bisher nicht. Ganz im Gegenteil: Noch ist Programmatic in vielen Bereichen beratungsintensiv. Ein Umstand, der die bekannten Effizienzvorteile fast wieder zunichtemacht. Allerdings ist das eine Momentaufnahme. So haben gerade kleinere Mediaagenturen und Werbetreibende noch hohen Beratungsbedarf und es sind hier die Vermarkter, die diesen Agenturen das neue Programmatic Advertising näherbringen müssen, persönlich, im Gespräch. Am Ende ist Programmatic Advertising für Premiumvermarkter in erster Linie ein Abwicklungsinstrument und so werden wohl auch weiterhin nicht nur die Jahresdeals auf persönlicher Ebene verhandelt werden.

Und Video und Mobile?

Instream-Videowerbung – also Werbespots in Form des Pre-, Mid- oder PostRoll – werden gegenwärtig und auch zukünftig ausschließlich über Private Marketplaces und Deal-IDs gehandelt. Denn hier ist die Abnahme von Guaranteed Inventory besonders wichtig. Werbetreibende, die hochpreisige Videowerbung zur Kommunikation einsetzen, müssen genau wissen, wie viel Werbedruck sie in einer vorbestimmten Zeit aufbauen müssen. Noch immer fehlt es trotz starker Nachfrage an ausreichend Videoinventar. Somit stehen die großen Medienhäuser zunächst nicht im Zugzwang ihr Videoinventar für Programmatic Buying freizugeben. Das wird sich aber noch dieses Jahr ändern, denn der Wettbewerb in Form von ausländischen Videocontent-Anbietern und Vermarktern steht in den Startlöchern. Und so ist es nur eine Frage der Zeit, dass immer mehr Videocontent für den automatisierten Mediahandel freigegeben wird.

Nahezu gegensätzlich zum Video Advertising verhält sich der Mobile-Werbemarkt. Hier ist die Angebotsseite prall gefüllt mit inzwischen günstigem Inventar, es fehlt die Nachfrage aufseiten der Werbetreibenden. Programmatic Buying wird hier als Heilsbringer für die Angebotsseite gehandelt und in der Tat: Die Zeichen stehen gut, dass dies so eintrifft. Denn die Infrastruktur für Programmatic Selling haben die Vermarkter fast zeitgleich zum stationären Geschäft aufgebaut und zum anderen haben die Werbungtreibenden endlich verstanden, dass die Zielgruppen ihre Medienzeit zunehmend an mobilen Endgeräten verbringen. Die große Chance liegt in den Apps. Da sich hier bereits einige Marktplätze und Mobile-Demand-Side-Plattformen am Markt etabliert haben, werden immer mehr Werbetreibenden den Schritt in Richtung Mobile Programmatic gehen.

Meta, Meta

Nicht „Hyper, Hyper“, sondern „Meta, Meta“ ist im Programmatic Advertising der Trend der Stunde. Und zwar sowohl für die Einkaufs- als auch neuerdings für die Verkaufsseite. Werbetreibende und ihre Agenturen arbeiten inzwischen mit einer Vielzahl von Demand-Side-Plattformen zusammen. Die Kunst ist nun, die unterschiedliche Arten von Kampagnen, deren Targetings und Zielgruppen auf unterschiedlichsten Datenquellen basieren, über eine übergeordnete Meta-DSP in Einklang zu bringen und dabei Überschneidungen im Mediaeinkauf zu vermeiden und die Werbekanäle Display, Mobile, Video und Social aufeinander abzustimmen. Auf Vermarkterseite gibt es ebenfalls die ersten Meta-SSPs. Ihr Angebot richtet sich an kleinere Vermarkter, die erst in das Programmatic Advertising einsteigen wollen, ohne sich fest an einen SSP-Anbieter binden zu müssen. Hierbei handelt es sich um Full-Service Lösungen, die den Vermarktern den Zugang zu verschiedenen SSP-Technologien und PMPs erlauben.

Kreative Konzepte noch Mangelware

Woran es aber noch immer mangelt, ist die kreative Kampagnenumsetzung der durch Programmatic Buying gegebenen Möglichkeiten. Programmatic Buying bedeutet ja in erster Linie einen automatisierten Mediaeinkauf auf Basis vorliegender Zielgruppen- und Kampagnendaten. Diese Datenlage sollte bereits bei der Kampagnenkonzeption die Gestaltung der Werbemittel beeinflussen, um unterschiedliche Werbemittel passend zum jeweiligen Kanal und der Nutzungssituation ausliefern zu können. Was im Performance-Bereich unter Dynamic Creative Optimization (kurz: DCO) bereits Einzug hält, wird in der Brand-Kommunikation noch viel zu selten eingesetzt. Erste Gehversuche im mehrstufigen Storytelling gibt es aber bereits. Havas Düsseldorf hatte in Zusammenarbeit mit Microsoft für Peugeot eine solche Kampagne umgesetzt und bezeichnete dies als „Creative Sequencing“. Nutzte ein User beispielsweise nur die Xbox, wurden drei Motive entsprechend nur auf der Konsole ausgespielt. War er stattdessen auf MSN, Windows 8 und Outlook.com unterwegs, traf er jeweils auf verschiedenen Plattformen auf einen neuen Teil der Story, ohne permanent mit dem gleichen Motiv gelangweilt zu werden. So konnten effektiv mehrere Werbebotschaften in Serie beim gleichen Nutzer über Programmatic Buying ausgespielt werden. Dies setzt allerdings voraus, dass die Kreativabteilung von vornherein die Möglichkeiten von Programmatic Buying bzw. Real-Time Advertising berücksichtigt hat. Insgesamt befindet sich aber die Verbindung von Data, Kreativität und automatisierten Mediaeinkauf erst in den Anfängen.

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DATA
Mediaplan: Audience Data

Karsten Zunke
rallef-istockphoto.com

Daten sind der Treibstoff im Display-Advertising. Mit externen Daten, den sogenannten 3rd Party Data, lässt sich die Zielgruppenansprache verfeinern; die Kampagnendaten (2nd Party Data) sind die Basis für Optimierungen. Doch die Schlüsselrolle spielen nach wie vor die 1st Party Data, insbesondere im E-Commerce. Diese Daten werden vom Werbekunden in der Regel selbst erhoben. Und das kann sich als Hürde entpuppen: Mediaagenturen sollen auf Basis dieser Daten den Einkauf bewerkstelligen, die Daten liegen aber oft auf Kundenseite, mitunter in einer eigenen DMP.

Lothar Krause

1st Party Data spielen schon längere Zeit eine Rolle im Display-Advertising. Diese Daten werden seit den ersten Retargeting-Kampagnen direkt von der Website des Advertisers an den Dienstleister übergeben – das ist bereits Standard. „Heute sind darüber hinaus die CRM- und Online-Marketing-Abteilungen auf Advertiser-Seite enger zusammengewachsen. Somit können auch umfangreichere CRM-Daten an Dienstleister übermittelt werden“, erläutert Lothar Krause, VP Global Advisory Services von Sociomantic. Das Ergebnis sind effizientere Kampagnen und eine userzentrierte Ansprache durch Personalisierung. „Besonders die Möglichkeiten von Programmatic Buying und Programmatic Messaging haben diese Entwicklung vorangetrieben", so Krause.

Sociomantic ist ein Managed-Service-DSP-Anbieter der ersten Stunde. Die Kampagnen werden sowohl für Kunden direkt als auch in Zusammenarbeit mit Mediaagenturen optimiert. Tracking-Codes des Unternehmens sind auf den Websites seiner Kunden integriert. So erhält man die 1st Party Data seiner Werbungtreibenden ohne Umwege, aus erster Hand. Werden zusätzlich CRM-Daten einbezogen, sind effizientere Kampagnen und eine userzentrierte Ansprache durch Personalisierung das Ergebnis. Weiterer Vorteil des direkten Datenbezugs: Die 1st Party Data liegen nahezu in Echtzeit vor.

Vier Varianten, ein Trend

Sollen Agenturen mit den 1st Party Data der Werbekunden arbeiten, lassen sich heute grundsätzlich vier Möglichkeiten beobachten, wie dies realisierbar ist. Der am meisten verbreitete Fall ist das klassische Retargeting. Dabei wirft der Kunde bei dem gewünschten Event – zum Beispiel ein Warenkorbabbruch oder ein Kauf – ein Tracking-Pixel der Agentur-DSP aus. „Das ist schnell umzusetzen und funktioniert ohne externe DMP. Die in der DSP integrierte DMP-Funktion reicht dafür aus“, erläutert Anna Urbanz, Leiterin Media Operations Data Driven Advertising bei pilot. Der Nachteil dieses Vorgehens ist aber, dass die Verwendung von klassischen CRM-Daten – zum Beispiel zur Bestellhistorie oder dem Customer Lifetime Value – damit nicht möglich ist.

Anna Urbanz

Die Entwicklung im Markt tendiert zunehmend zum Einsatz einer zentralen Agentur-DMP. Hier wird beim gewünschten Tracking-Event nicht der Pixel der Agentur-DSP gesetzt, sondern ein Pixel der Agentur-DMP. In diesem Fall werden die 1st-Party-Daten in der DMP gesammelt, aufbereitet und segmentiert. So lassen sich die Kampagnen im Nachgang profilgesteuert ausspielen. Auch klassische CRM-Daten können in die Agentur-DMP integriert und für die Nutzung aufbereitet werden. Auch in diesem Fall profiliert die Agentur, der Kunde hat keine Datenhoheit. „Voraussetzung für dieses Szenario ist, dass die Agentur-DMP in der verwendeten DSP integriert ist“, betont Urbanz. Nur so lasse sich ein Targeting auf diese Segmente auch umsetzen.

Diese zweite Variante birgt viele Vorteile: Agenturen können auf diese Weise viel intelligentere Segmente bilden und erweiterte Dateninformationen nutzen – ein klarer Mehrwert gegenüber dem klassischen Retargeting. „Je nachdem welche DMP zum Einsatz kommt, können für die Aussteuerung der Kampagnen zum Beispiel die Ergebnisse aus der Analyse der Referrer oder dem Abgleich der 1st Party Data mit 3rd Party Data verwendet werden. Das eröffnet viele weitere Targetingoptionen“, erläutert Urbanz.

Der dritte Ansatz gilt als idealer Ansatz: Agentur und Werbekunde arbeiten mit einer DMP. Im Idealfall sind Kunden-DMP und Agentur-DMP sogar identisch. Dabei muss die Agentur über kein Log-in für die Kunden-DMP verfügen. „Wichtig ist, dass die von der Agentur benutzte DSP eine Integration mit der Kunden-DMP besitzt“, betont Urbanz. In diesem Fall kann der Kunde die gewünschten Segmente einfach für die Agentur freischalten, die damit eine Display-Kampagne umsetzen soll.

Der Vorteil: Der Kunde hat die volle Datenhoheit, er profiliert und er kann das
Rechtemanagement organisieren. Zudem können die exklusiven CRM-Daten des Kunden mit Hilfe der DMP für die anschließende digitale Ansprache einfach und selektiv zur Verfügung gestellt werden. Agenturen wiederum haben den Vorteil, dass sie sehr leicht auf die 1st Party Data zugreifen können. „Dieser Ansatz gewinnt extrem an Bedeutung. Immer mehr Werbekunden legen sich eigene DMPs zu, weil sie die Hoheit über ihre Daten haben möchten“, schildert Urbanz den Markttrend. Immer öfter liefert pilot nach diesem Szenario Werbekampagnen aus.

RTA hat viele Hürden aus dem Weg geräumt

Auch immer mehr Werbekunden des Agenturnetzwerkes Vivaki setzen eigene DMPs ein. „Besitzt der Kunde eine DMP, werden uns die für die Kampagne benötigten Targeting-Segmente in unserer DSP bereitgestellt“, sagt Alexander Korth, Director Digital Technology bei Vivaki. Dabei stellt der Werbekunde das von ihm ausgewählte Segment aktiv der DSP zur Verfügung – und zwar ausschließlich für den DSP-Zugriff durch die gewünschte Agentur beziehungsweise den speziellen Account, mit dem sich die Agentur für diesen Kunden auf der DSP einloggt.

Im Rahmen der Datenbereitstellung erfolgt automatisch ein Cookie-Matching, weil die Kunden-DMP andere IDs verwendet als beispielsweise die von der Agentur eingesetzte Google DSP.

Alexander Korth

“1st-Party-Daten wie Visitors und CRM-Segmente sind von unschätzbarem Wert für vielerlei Marketingziele. Durch Real-Time Advertising (RTA) und seine Tools wurden viele Hürden abgebaut, diese Daten einsetzen zu können. Das eröffnet neue Möglichkeiten“, sagt Korth. Denn in vielen Fällen reicht das klassische Retargeting nicht aus.

Für Shopbetreiber sind beispielsweise einmalige Besteller ein großes Problem. Sie kaufen, kommen aber für viele Monate nicht wieder. „Retargeting greift dann nicht“, sagt Korth. In solchen Fällen ist ein CRM-Targeting nötig – und das lässt sich dank RTA nun auch im Display-Bereich bequem umsetzen. „Wichtig ist, dass der Werbungtreibende in diesem Fall mit der DSP entsprechende Verträge zur Auftragsdatenverarbeitung abschließt“, betont Korth. Die Zugriffe auf die Datensegmente via DSP werden in der Regel kampagnenabhängig vergeben. „Ich rate zur Datenminimierung“, sagt Korth. „Wenn ein Segment nicht mehr gebraucht wird, sollte der Werbungtreibende es für die DSP wieder abschalten.“

Neben diesen Methoden, mit 1st Party Data zu arbeiten, gibt es noch eine weitere, vierte Möglichkeit. Sie ist aus datenschutzrechtlichen Aspekten allerdings sehr anspruchsvoll: Die Übermittlung nicht anonymisierter 1st Party Data per Excel-File an die Agentur. „Wir raten davon ab. So etwas wäre auch nur mit dem Opt-in der betroffenen Kunden möglich“, betont Urbanz. Generell sollte das Thema Datenschutz nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Auch wenn Agenturen in der Regel nur mit anonymisierten Profilen arbeiten und die Klardaten nie zu Gesicht bekommen, sollte man sich rechtlich in diesem komplexen Themenfeld absichern. „Wir arbeiten grundsätzlich sehr eng mit den Datenschutzbeauftragten unserer Kunden zusammen. Nur so sind alle Beteiligten datenschutzrechtlich auf der sicheren Seite“, sagt Urbanz.

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Kreative sehen die Nutzung von Marketingdaten nicht mehr als Overkill für kreatives Branding; das ist die gute Nachricht. Wer sich jedoch vom just gelaufenen ADC Kongress in Hamburg epische Beispiele programmatischer Kreativität erhofft hat, sieht seine Erwartungen fürs operative Geschäft vorerst enttäuscht. Indes keimen – auch im Umfeld des ADC – die ersten zarten Pflänzchen auf, sobald Data und Kreativität einen Bund eingehen.

Data = Freund des Storytelling

In der Kampagnenexekution ist die datengestützte Kreativität bereits angekommen. „Data ist alles andere als der Feind eines gelungenen Storytelling“, begründet Kaoru Sugano, hoch dekorierter Creative Technologist bei der japanischen Werbe-Holding Dentsu. Der Mann muss es wissen. Er hat 2013 mit seinem Team mit Hilfe von Daten, die mit mehr als 120 namhaften Kreativpreisen ausgezeichnete emotionale Story eines legendären Rennens von Ayrton Senna aus dem Jahr 1989 nacherzählt. Auf Basis alter, zunächst papierner Aufzeichnungen entstand „für ein perfektes Fahrerlebnis“ unter anderem die iPhone-App „Sound of Honda“. Die nutzte das Quasi-EKG von Sennas Honda im legendären Rennen – technische Daten wie Beschleunigung, Motorumdrehungen, Geschwindigkeit sowie zurückgelegte Kilometer. Und sie verhalf erwachsenen Männern dazu, deren eigenem Auto – hallo Spieltrieb – während des Fahrens einen gewaltigen Honda-Klang zu verleihen.

Kaoru Sugano, Bildquelle: ADC Deutschland

Auch wenn hier noch keine Kundendaten im Sinne von Klicks, Views, Shop-Navigation oder Warenkorbgröße deviceübergreifend und entlang der kompletten Customer Journey zum Tragen kamen: „Die gesamte Branche arbeitet aktuell hart daran, dass Maschinen in Echtzeit aus Daten lernen. In der Folge lassen sich Kampagnen beispielsweise automatisieren“, sagte Sugano am Rande des ADC Kongresses.

 Rob Newlan, Bildquelle: ADC Deutschland

Beispiele, die diese Idee bereits im Kern in sich tragen, stellte Rob Newlan, EMEA-Chef von Facebook Creative Shop, auf derselben Konferenz vor: Der Modehändler Zalando ist in dem Zuckerbergschen Netzwerk beispielsweise dazu übergegangen, die Geolokation seiner Kunden anhand von Postleitzahlengebieten in seine Kampagnen einzubinden. Derweil baut der Musiksystemeanbieter Bose mit der mehrstufigen Kampagne „Listen For Yourself“ im sozialen Netzwerk die Elemente Trailer, Film, Fotogalerie und Direct Response pro Interessent und je nach Surfverhalten des Nutzers von der Reihenfolge her möglichst Erfolg versprechend auf. Aber: „Gerade Real-Time Marketing ist schwer umzusetzen“, skizzierte Newlan. Während des Fußball-Worldcup ist etwa der Fastfood-Gigant McDonald’s in 38 Märkten weltweit in eine Fußball-Frittendebatte mit seinen Fans via Social Media eingestiegen und hat dabei die aktuellen Ergebnisse aus den Matches nahezu ad hoc in Geschichten verarbeitet. Ziel des „Fryfotbal“ war es, eine aktive Konversation loszutreten – immer auf Basis der aktuellen Spielergebnisse.

Dynamisch dank Pollenflugdaten

Kreativität, gepaart mit Daten-Know-how, gehört der hohen Erwartungshaltungen der verwöhnten, in den sozialen Netzwerken Aktiven mittlerweile zum guten Ton. A) weil die Latte (die Aufmerksamkeitsschranke der potenziellen Fans) extrem hoch hängt und b) weil bezahlte Werbung gegenüber generischen Posts auf Facebook eine bessere Sichtbarkeit bei den Netzwerk-Groupies verspricht. Allerdings stehen die Aktionen dann unter stärkerem Kosten-Nutzen-Druck. Damit sich steigende Ausgaben rechnen, muss das Testen, Messen, Evaluieren und Optimieren insbesondere eines Paid Post pro Zielsegment möglichst viel Performance anschieben. Ein Beispiel: Um Mikrosegmente relevant zu bedienen, spielte das Waschmittel Vanish seine Messages zielgruppengerecht aus: ein blütenweißes T-Shirt-Motiv für die Männer, ein schlohweißer Büstenhalter für die Ladys und ein strahlendsauberer Babybody für die Eltern. Laut Newlan war dieses segmentierte Vorgehen „von Erfolg gekrönt“, wenngleich er konkrete Zahlen schuldig blieb.

Vielleicht wird sich schon der nächste ADC Kongress wegen des Werbeerfolgsdrucks von Online mit den Grundlagen für kreative Ideen auf zielgruppen-cluster-basierten Daten auseinander setzen. Zumal Analytiker mittlerweile so viel testen können, wie das manuell kaum möglich wäre. Damit entstehen kreative Wege, die auf die aktuelle Verfassung der Nutzer, Fans, Interessenten und Kunden eingehen. Dazu können Unternehmen auf Standort- oder Wetterdaten reagieren. Oder sie können dynamisch verschiedene Bilder und Claims ausliefern, die in irgendeiner Form auf das Nutzerverhalten oder die Userlaune einzahlen.

The next big thing

Erst die Analyse hilft den Datenjongleuren zu verstehen, welche Botschaft wann bei welcher Zielgruppe funktioniert. Und wie viel Personalisierung jeweils sinnvoll ist. Damit entwickeln sich kreative Reaktionen auf Echtzeitdaten zu einer iterativen Spielwiese. Natürlich nur, sofern das Duo aus Kreativen und Analytikern Hand in Hand mit Kommunikationsmustern und -botschaften spielt. „Algorithmen entscheiden aufgrund von Variablen und Merkmalen, wie das Werbemittel aufgebaut sein wird“, skizzierte Sascha Berlik, der im Aufsichtsrat von Yoc sitzt und bis vor Kurzem als General Manager Europe von DataXu verantwortlich zeichnete, auf dem Adzine-Kongress Tracks.

Dynamische Elemente, die mit den Informationen auf dem Adserver in Echtzeit zusammen ausgeliefert werden, spielten hier eine wichtige Rolle. Beispiel: Content-Feeds wie Pollenflugvorhersagen fließen in eine Kampagne ein und erzeugen Relevanz bei Allergikern im Gebiet XY. Einziger Hemmschuh: Trotz der Konzentration auf vielschichtige Mikrosegmente mit ihren Personas, Attributionsmodellen und Themenaffinitäten „darf das Budget nicht ins Unermessliche steigen“, betonte Berlik. Am Ende arbeite eine Kampagne, etwa im Display-Bereich, auf vielleicht zehn Banner-Sets und nutze eine Vielzahl von mitunter dynamischen Daten. „Dazu muss Rich Media in Echtzeit konfigurierbar sein. Voreingestellte Attribute und Echtzeiterkenntnisse werden dann personalisiert und individualisiert in die laufende Kampagne eingebracht“, erläuterte der Manager.

Unendliche Weiten

Da Testen und Skalieren heute kein Hexenwerk mehr darstellt, ist zum Beispiel der amerikanische Automobilclub AAA mit 500 Varianten eines Werbemittels online gegangen. Die Unterschiede manifestieren sich laut Berlik in den Hintergründen, Reisezielen, Preisen, Hotelpartnern und vielem mehr. So habe der Club 50 Prozent höhere Abverkäufe erzielt. Der Outdoor-Bekleider Columbia Sportswear nutzte für eine digitale Kampagne derweil lokale Wetterdaten auf Stadtteilebene und generierte nach eigenem Bekunden fünfmal mehr Page-Conversions, während sich die Sales am PoS laut Berlik vervierfachten. Und LegalZoom, ein Dienstleister rund um rechtliche Fragen, entwickelte 300 Ansprachekonzepte und senkte durch das programmatische Vorgehen angeblich seine Kreationskosten um ein Drittel. „Welche Konstellation in der Zusammenarbeit von Daten-Scientists und Kreativen am meisten Erfolg verspricht, müssen Unternehmen erproben“, betonte Berlik. Das geänderte Vorgehen bedeute nicht unbedingt, dass die Agentur weniger verdiene, sondern eher „mindestens genauso viel“ wie vorher. Einziger Unterschied: „Die kreativen Möglichkeiten sind ins Unendliche skalierbar“, sagte Berlik.

Für diese „programmatische Kreativität“ braucht es viel Phantasie und wohl auch die zweite, technische Gehirnhälfte. Vielleicht eine interessante Option für den nächsten ADC Kongress und vielleicht dann anhand von ein paar programmatischen Beispielen?

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