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ADTECH
Marketing Cloud: Adobe will alles

Jens von Rauchhaupt

Letzte Woche veranstaltete Adobe in London seinen europäischen Adobe Summit 2015. Als Pressevertreter konnte man sich dem Eindruck nicht erwehren: Adobe wird mehr und mehr zur eierlegenden Wollmilchsau des digitalen Marketings. Immer weiter verknüpfen die US-Amerikaner ihre Marketing- und Kreativprodukte zu einem Gesamtangebot, das alles leisten will, was das Digital-Marketing- und Advertising-Herz begehrt. Kein Wunder, dass die digitale Transformation das Hauptthema des diesjährigen Summits war. Denn ob mit oder ohne Adobe, die Unternehmen müssen völlig neue Strukturen aufbauen, um neueste Marketingtechnologien wirklich sinnvoll nutzen zu können.

Gleich nach der kurzen Eröffnungsrede des EMEA-Chefs Marc Zablan vor den 4.000 geladenen Gästen im Londoner Messe- und Kongresszentrum ExCel Exhibition Centre nahm Brad Rencher, der nicht nur als Senior Vice President von Adobe fungiert, sondern eben auch als General Manager die Entwicklung von Adobes Digital Marketing Cloud verantwortet, das Heft in die Hand und präsentierte die Neuerungen in der Marketing Cloud. Erst danach wurden Neuerungen zur Creative Cloud bekannt gegeben. Damit war allen klar: Adobe legt derzeit sein Hauptaugenmerk auf die Entwicklung und die Distribution der eigenen Marketing Cloud.

Adobe EMEA Chef Marc Zablan, Foto.Adobe

Die Adobe-Welt fußt auf drei Säulen: der Document Cloud (PDF & Co.), der Creative Cloud (InDesign, Photoshop & Co.) und der Marketing Cloud. Vor allem an Letzterer wird heftig geschraubt, entwickelt und auch akquiriert. Adobe konnte mit der Marketing Cloud im ersten Quartal 2015 immerhin schon 330 Mio. US-Dollar umsetzen. Bei einem Gesamtumsatz von 4,15 Mrd. US-Dollar im Jahr 2014 kein schlechter Wert.

Die Basis der Marketing Cloud bildet Adobe Analytics. Das Webanalyse-Angebot stammt aus der Übernahme des damaligen Webanalyse-Marktführers Omniture, das Adobe 2009 für 1,8 Mrd. US-Dollar übernommen hat. Ein Schachzug, der sich bezahlt machen sollte, denn mit Omniture wurde eine Vielzahl börsennotierter Unternehmen mit einem Schlag Adobe-Kunden. Für Adobe war das der richtige Einstieg in das digitale Marketing. Mit den Daten der Websitebesucher lassen sich viele Marketing- und Werbemaßnahmen auch außerhalb der eigenen Webseiten optimieren und managen. Und genau diese bietet Adobe nun mit der Marketing Cloud im Huckepack mit Adobe Analytics an. Während der Experience Manager als zentrales Content-Management der Organisation der eigenen Webinhalte dient, sind es neben Adobe Social und Adobe Target vor allem der Campaign Manager, der Audience Manager (Adobes Data Management Platform, DMP) und der Media Optimizer (Adobes Demand Side Plattform, DSP), die Lösungen für das Advertising bereitstellen.

Der Media Optimizer ist offenbar Adobes Kernmodul für alle Werbemaßnahmen. Er bündelt für den Mediaeinkauf das Anzeigen-Management, -Optimierung und -
Leistungsprognosen für die Kanäle Search, Display und Social Media und soll bereits von mehr als 500 globalen Kunden genutzt werden. Für den Media Optimizer gab es dann auch die zwei zentralen Ankündigungen auf dem Summit. Neben der neuen Partnerschaft mit Microsoft Dynamics, der CRM-Lösung von Microsoft, war es vor allem die Übernahme von Tumri, die auf dem Adobe Summit in London hellhörig machte.

Tumri wird unter dem Produktnahmen Ensemble in den Media Optimizer integriert und soll dafür sorgen, dass auf Basis der Nutzerdaten dynamisch passende HTML5-Werbemittel in Echtzeit auch über Programmatic Buying ausgespielt werden können. Diese Dynamic Creative Optimization (DCO) soll vor allem bei den Mobile-Device- und Cross-Device-Kampagnen auf fruchtbaren Boden fallen. Denn wie bereits auf dem Mobile Advertising Summit ausgiebig diskutiert: Mobile Werbung braucht eine gute Personalisierung, um wirklich wirken zu können. Da Ensemble zudem mit der Creative Suite verbunden werden kann, sind Advertiser, die beide Adobe-Cloud-Lösungen nutzen, in der Lage, direkt über eine Plattform ihre Creatives dynamisch auf die Zielgruppe auszuliefern. Und das ist eben typisch für die Marketing Cloud. Alle Einzelprodukte machen Sinn, aber erst im Zusammenspiel mit anderen Adobe-Lösungen spielen sie ihre volle Stärke aus, wenn man sich das ganze Paket dann als Kunde auch leisten will.

Brad Rencher präsentierte zu Beginn des Summits die Neuerungen der Marketing Cloud, Foto: Adobe

Allerdings gab es auch Ungereimtheiten. Ensemble soll nämlich so mit dem Media Optimizer verbunden werden, dass die Werbetreibenden bei der Kampagnensteuerung echtes Cross Device Advertising beherrschen. „Endlich wird es möglich sein, Werbekampagnen mit einem eingestellten Frequency Capping sowohl über das stationäre als auch über das mobile Internet dynamisch auszuliefern“, sagte Rencher vollmundig bei seiner Ensemble Ankündigung auf dem Summit. In der anschließenden Pressekonferenz konnte Rencher allerdings den Mediavertretern nicht erläutern, ob die Cross-Device-Aussteuerung auf Cookiedaten basiert oder wie Adobe diesen heiligen Gral der digitalen Werbung sonst gefunden haben will. Auch der für den Media Optimizer verantwortliche Justin Merickel, Senior Director für Adobes-Advertising-Lösungen, stellte sich unseren Fragen leider nicht. Wir hoffen, bald mehr Details zu Ensemble und der Cross-Device-Aussteuerung geben zu können.

Betriebsames Treiben in der Haupthalle des Adobe Summits 2015, Foto: Adobe

Nachdem sich im Kongresssaal die Marketingchefs und Vorstandsvorsitzenden vieler großer Marken und Adobe-Kunden wie Shell, Renault, Chelsea FC, Philips oder BNP Paribas – um nur einige zu nennen – die Hand gaben und über ihre digitalen Strategien und der digitalen Transformation sinnierten, waren es vor allem die zahlreichen Sessions am Nachmittag, die wirklich interessante Inhalte transportierten und zu anregenden Fragen und Diskussionen führten. Bis zum letzten Platz gefüllt war zum Beispiel die Session „How a DMP can change your business“. Offenbar gibt es besonders im Bereich der Datengenerierung und Datennutzung für das Programmatic Advertising großen Aufklärungsbedarf. James Trudgian, Head of Strategy, Data und Insight, erläuterte anhand des Adobe Audience Managers zunächst, wie neben den eigenen Nutzerdaten auch Second- und Third-Party-Daten ihren Weg in eine DMP finden und wie nach der Nutzersegmentierung diese Daten dann erfolgreich für programmatisch eingekaufte Werbekampagnen eingesetzt werden können. Anhand eines Cases belegte Trudgian die positiven Effekte einer datengetriebenen Werbekampagne. Doch wie sollte eine DMP innerhalb eines Unternehmens in der Marketingabteilung aufgebaut werden? Wer sind die Mitarbeiter, die mit ins Boot geholt werden müssen? Hier gab Trudgian Antworten und zeigte anhand eines Slides, welche Parteien nach seiner Ansicht eine DMP innerhalb eines Unternehmens aufbauen und pflegen müssen. (siehe Foto unten)

Wer inhouse eine DMP aufbauen möchte, muss viele Mitarbeiter miteinbeziehen, Foto: Jens von Rauchhaupt

Finished is better than perfect

Dabei zeigte sich einmal mehr, wie die Unternehmen umdenken müssen, wenn die digitale Transformation gelingen soll und zum Beispiel mit Adobe-Lösungen das Data Driven Advertising ins eigene Haus holen wollen. Ein Thema, das am zweiten Tag auf der großen Bühne im ExCel-Center wieder aufgegriffen wurde. Digitalchefs von Argos, Telecom Italia und Castrol berichteten über ihre Erfahrungen und Erfolge bei der Umsetzung ihrer Digitalstrategien. Alle drei kamen dabei einhellig zum selben Ergebnis: Man muss einfach mit der digitalen Transformation beginnen, darf dabei auch Fehler machen und sollte nicht erwarten, dass alles von Anfang an perfekt funktionieren muss. „Finished is better than perfect“ war ihre Devise. Hier hätte ein Vertreter aus der DACH-Region mit hoher Wahrscheinlichkeit eine andere Meinung vertreten.

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Man konnte in letzter Zeit so manche Prognosen und Einschätzungen hören und lesen, die große Umwälzungen auf dem Markt der Demand Side Platforms (DSPs) vorhersagten. Die Marktkonsolidierung stehe kurz bevor oder sie habe bereits begonnen. Das zeige unter anderem das Beispiel Infectious Media, die sich kürzlich vom deutschen Markt zurückgezogen haben. Eines ist sicher richtig: Der Markt verändert sich gerade. Diese Entwicklung muss man aber weitaus differenzierter betrachten.

Zum Beispiel werden häufig originäre DSPs und Trading Desks in einen Topf geworfen. Trading Desks sind Unternehmen, die unter Lizenz von verschiedenen DSPs deren Technologie verwenden und daraus ein eigenes Angebot erstellen. Hiervon zu unterscheiden sind Unternehmen, die ihre eigene, proprietäre Technologie verwenden, um programmatischen Mediaeinkauf umzusetzen. Bei den Trading Desks, die unterschiedliche DSP-Technologien bündeln, ist tatsächlich gerade eine gewisse Marktbereinigung im Gange und das ist auch nicht verwunderlich, denn ohne ein eigenes technologisches Fundament muss man es in einer so dynamischen Branche zwangsläufig schwer haben.

Richtig und wichtig ist: Eine DSP-Technologie auf dem neuesten Stand zu entwickeln und weiterzuentwickeln kostet Geld und erfordert hohe Investitionen. Da sollte man sich keine Illusionen machen. Um es einmal etwas plakativ auszudrücken: Im Maschinenraum einer originären DSP steckt Hochtechnologie – und die programmiert man nicht nebenbei nach Feierabend.

Ein weiteres Thema ist die Diskussion über Managed Service und Self Service im DSP-Bereich. Vielfach wurde ein Trend zum Self Service unterstellt oder das Dienstleistungsmodell komplett in Frage gestellt. Auch hier sollte man differenzieren: Von welcher Branche reden wir? Wir sehen nicht nur bei den DSPs, sondern auch in anderen Bereichen schon seit langem, dass verschiedene Branchen unterschiedlich affin zu der einen oder anderen Variante sind.
Ich kenne keinen Konzern aus dem Bereich Automotive oder FMCG, der sagt: Ich möchte nur die Technologie, stelle fünf bis zehn Leute ein und manage meine Programmatic-Kampagnen jetzt lieber selbst. Diese Industrien setzen traditionell eher auf Agenturen, während Unternehmen beispielsweise aus dem Bereich Gaming, Dating, Travel vielleicht genau andersherum denken.

Diese Werbetreibenden sind möglicherweise eher auf Abverkauf ausgerichtet und legen Wert darauf, dass ihre Technologie zum Beispiel direkt an ihr Warenwirtschaftssystem angebunden werden kann. Nicht zuletzt spielt vielleicht auch die Mentalität des jeweiligen Marktes eine gewisse Rolle. Um es einmal überspitzt zu formulieren: Der detailverliebte Deutsche ist möglicherweise eher ein Self-Service-Kunde als Unternehmen aus einem Dienstleistungsland wie Großbritannien.

Was aus Sicht des DSP-Marktes zudem immer wieder bemängelt wird, hat mit der Einkaufsmacht der großen Agenturnetzwerke zu tun. Tatsächlich wäre es wünschenswert, dass sich die Supply Side noch viel stärker für RTB öffnet und so die Potenziale des programmatischen Mediaeinkaufs wirklich ausgeschöpft werden könnten. In der Zwischenzeit kann ich aber auch sagen: Wenn man als DSP über eine hochentwickelte Technologie verfügt und zeigen kann, dass man mit Programmatic schon heute aus den bereits vorhanden Mediavolumen noch viel herausholen kann, dann wird das die Entwicklung der Branche beständig weiter vorantreiben und deshalb sollten wir diesen Weg weitergehen.

Letztlich sollten wir daher nach Jahren der DSP-Euphorie jetzt nicht den Abgesang starten, sondern sagen: Ja, hier findet jetzt eine Konsolidierung statt, denn letztlich setzt sich eben (technologische) Qualität durch gegen Copy Cats, die gar nicht gewillt sind, die notwendigen Investitionen für die Weiterentwicklung von programmatischen Technologien zu tätigen.

Anmerkung der Redaktion: Dieser Gastbeitrag ist eine Replik auf den Adzine Beitrag: „DSPs: Beginnt bald das große Sterben?

Autor/in

Oliver Hülse begründete 2012 den deutschen Standort des US-amerikanischen Unternehmens Rocket Fuel und baut Geschäft und Team seitdem kontinuierlich weiter aus. Als Geschäftsführer DACH ist er für den Auf- und Ausbau des Media- und SaaS-Geschäfts verantwortlich. Jenseits des eigenen Unternehmens setzt sich Oliver Hülse dafür ein, das Thema Programmatic am Markt weiter zu etablieren und sämtliche Akteure der Werbebranche zu informieren und aufzuklären.
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