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Universal Ad IDs – Alternative mit Hürden

Karsten Zunke, 6. Juni 2021
Bild: MAK – Adobe Stock

Im Gegensatz zu den bisherigen technischen IDs, wie dem Cookie oder der Geräte-ID, stützt sich die Universal Advertising ID auf einen personenbezogenen Identifier – in der Regel eine E-Mail-Adresse, oder auch eine Handynummer. Der Nutzer muss sich einloggen und seine Werbezustimmung abgeben. Aber ist diese Methode zukunftstauglich? ADZINE spricht mit Jonas Zinnöcker, Data Strategy Director Essence Deutschland, über Möglichkeiten und Hürden dieser Werbetechnologie.

Bild: Essence Jonas Zinnöcker, Essence

ADZINE: Hallo Jonas, Universal Advertising IDs gelten als eine sinnvolle Alternative zum Third-Party-Cookie. Zu Recht?

Jonas Zinnöcker: Die Prozesse im Hintergrund sind anders, der Effekt ist aber ähnlich. Meldet sich ein Nutzer mit einer Single-Sign-On-Lösung auf einer Website an und willigt in die Werbung ein, wird seine Mailadresse gehasht zum beteiligten Universal-Ad-ID-Anbieter geschickt, der eine ID zurückspielt. Gleicht der Anbieter dabei die verschiedenen IDs eines Nutzers miteinander ab, ist ein Publisher-übergreifendes Tracking und Targeting möglich, auch Lookalikes können wie gewohnt modelliert werden. Somit können solche IDs im Marketing ähnlich genutzt werden wie bisherige Third-Party-Cookies.

ADZINE: Können weitere Daten und Merkmale mit der ID verknüpft werden?

Zinnöcker: Ja, den Consent des Nutzers vorausgesetzt, können Universal-Ad-ID-Anbieter auch weitere Datenpunkte anhängen. Einige Anbieter reichern ihre Advertising IDs zum Beispiel auch mit Cookies oder Mobile Ad IDs an. Allerdings ist fraglich, ob das zukünftig noch möglich sein wird.

ADZINE: Wie persistent sind die Universal IDs?

Zinnöcker: Universal IDs basieren in der Regel auf einer Mailadresse, die per se persistenter ist als ein im Browser verwaltetes Cookie. Die Frage ist, ob die ID im Moment der Werbung auch ansprechbar ist. Was bedeutet das? Im Idealfall ist der Nutzer inklusive Consent eingeloggt und damit ansprechbar. Sollte er Consent erteilt haben, aber sich ausloggen, kann der Nutzer dennoch mithilfe eines First-Party-Cookies der Universal ID zugeordnet werden. Je nach Browser und Publisher kann die Gültigkeitsdauer eines First-Party-Cookies variieren. Apple hat die Laufzeit mittels ITP 2.2 beispielsweise auf einen Tag reduziert. Das heißt: Kehrt der Nutzer nicht innerhalb von 24 Stunden zum Publisher zurück, kann der Nutzer danach ohne erneutes Log-In nicht identifiziert werden. In anderen Browsern lässt sich die Laufzeit freier wählen, häufig beschränken Publisher diese aber auch selbst, um authentifizierten Traffic sicherzustellen. Am verbreitetsten ist eine Laufzeit von sieben bis 14 Tagen.

ADZINE: Wo siehst du den größten Vorteil der universellen Werbe-IDs?

Zinnöcker: Diese IDs sind nicht nur persistenter als der Third-Party-Cookie, sie funktionieren auch geräteübergreifend. Dieses Problem konnte durch den Third-Party-Cookie nie gelöst werden. Die Relevanz der Werbung kann beim Einsatz der IDs erhöht werden, weil man Nutzer wesentlich gezielter ansprechen kann.

ADZINE: Was würde sich bei einer Kampagnenauslieferung ändern?

Zinnöcker: Aus Advertiser-Sicht funktioniert das gesamte Werbeökosystem auf einer ähnlichen Art und Weise wie jetzt und der Aufwand auf IDs umzustellen, wäre vergleichsweise gering. Advertiser könnten mit den Universal Advertising IDs die Nutzer also weiterhin wie gewohnt für Kampagnen targeten. Auf der anderen Seite können, nach kleineren technischen Anpassungen, auch die Publisher ihre Inventare weiterhin gut monetarisieren.

ADZINE: Was ist mit den Nutzern, werden sie solche Lösungen akzeptieren?

Zinnöcker: Hier sehe ich Hürden. Cookies sind im Browser gespeichert, User können sie schnell löschen. Bei den Universal IDs sind die Daten bei einem Anbieter hinterlegt. Diesen Anbieter muss der Nutzer zunächst finden, um seine Daten löschen zu können bzw. seinen Consent zurückzuziehen. Aus Nutzersicht ist das ein klarer Nachteil.

Die Universal Ad IDs bieten in der Regel ein Management-System beziehungsweise ein Kontroll-Center an, in das sich Nutzer einloggen können, um ihre Zustimmungen zu managen und gegebenenfalls abzuwählen. Dazu muss der Nutzer den Universal-ID-Anbieter aber kennen. Da es sich bei ID-Anbietern meistens nicht um bekannte Marken mit direkten Kundenbeziehungen handelt, sehe ich hier eine Herausforderung.

Einerseits könnte mangelndes Vertrauen zu einer geringeren Adaption führen – wie wichtig Vertrauen ist, sieht man zum Beispiel gerade gut an den zum Teil geringen Opt-in-Raten in Apples App Tracking Transparency Framework –, andererseits besteht das Risiko, dass Nutzer, ähnlich wie im heutigen Cookie-Banner-Chaos, nicht transparent nachvollziehen können, wer wo ihre Daten verwaltet. Das würde das eigentliche Ziel aktueller Datenschutzregulierung ad absurdum führen. Es ist nötig, das System sehr transparent und kontrollierbar zu präsentieren. Nutzer sollten jederzeit wissen, wo ihre Daten liegen. Für Publisher und Advertiser bedeutet dies, dass in Zukunft wahrscheinlich weniger Daten zur Verfügung stehen. Die dann vorhandenen Daten haben aber meiner Meinung nach eine wesentlich höhere Qualität.

ADZINE: Sind weitere Schwierigkeiten zu erwarten?

Zinnöcker: Wenn Publisher und Advertiser IDs einsetzen möchten, benötigen sie den Login. Doch für die User ist die Barriere, sich einzuloggen, höher als einem Cookie zuzustimmen. Darum muss man sich die Frage stellen, welche Gegenleistung man bieten kann, damit Nutzer ihre Daten hinterlassen beziehungsweise sich in einem bestehenden Account einloggen. Bei E-Commerce-Anbietern ist das kein Problem und das Verhalten gelernt. Aber bei vielen anderen Publishern könnten Nutzer nicht verstehen, warum sie sich einloggen sollten. Insbesondere für kleine Publisher könnte es zum Problem werden. Im Worst Case sind die Inhalte einer kleinen Seite nicht attraktiv genug, damit sich jemand anmeldet, um sie zu nutzen.

ADZINE: Können Universal IDs in einer Werbewelt ohne Third-Party-Cookies die alleinige Lösung sein, oder braucht es je nach Kanal oder Einsatzzweck weitere Lösungen?

Zinnöcker: Nicht alle Publisher werden von jedem Websitebesucher einen Login erhalten. Dadurch wird ein Großteil des Internet-Traffics von Nutzern stammen, die nirgends eingeloggt sind. Um diesen Traffic zu adressieren, braucht es andere Lösungen, zum Beispiel ein kontextuelles Targeting. Auch wird eine Universal Ad ID kaum durch Facebook, Google, Snapchat, Twitter & Co. adaptiert werden. Somit wird es mehrere Lösungen geben. Außerdem bleibt abzuwarten, ob es ‚die eine‘ Universal Ad ID geben wird, die sich am Ende durchsetzt, oder ob mehrere Advertising IDs nebeneinander existieren werden.

ADZINE: Worauf sollten Advertiser achten, wenn sie sich für einen ID-Anbieter entscheiden?

Zinnöcker: In Bezug auf den Datenschutz sollten sich Marken zunächst Gedanken über ihren ethischen Grundsatz machen. Ist das, was erlaubt ist, auch ethisch sinnvoll? Diese Frage steht im Raum. Das beobachten wir in der Praxis immer häufiger. Datenschutz ist ein Thema, das zunehmend verstanden und als wichtig erachtet wird, insbesondere in jüngeren Zielgruppen. Um der Sensibilisierung der Nutzer gerecht zu werden, sollten Advertiser daher genau verstehen, welche Lösungen sie anbieten, wie diese funktionieren und welche Daten eingesetzt werden. Auch muss geschaut werden, mit welchem Partner der Universal-Ad-ID-Anbieter zusammenarbeitet, also wie viele Publisher angeschlossen sind und ob diese für den Werbetreibenden überhaupt die nötige Reichweite erzeugen können.

Nicht zuletzt sollten Werbetreibende hinterfragen, woher die E-Mail-Adressen für den Identifier stammen. Manche Anbieter haben in den USA einen enormen Adresspool, sind hierzulande aber nahezu unbekannt oder die User sind in Deutschland zögerlich diesem Anbieter ihre Daten anzuvertrauen. Hier gibt es große länderspezifische Unterschiede. Kosten können ebenfalls eine Rolle bei der Entscheidung für ein System spielen. Letztlich ist es aber eine neue Technologie, die man zunächst testen sollte. Erst in einem Test wird sich zeigen, wie viele IDs in bestimmten Zielgruppen und Ländern tatsächlich verfügbar sind.

ADZINE: Wie zukunftssicher sind Universal Ad IDs?

Zinnöcker: Keine Frage, es ist eine technisch elegante Lösung. Aber die Regulierung kann auch die IDs treffen. Hintergrund aller bisherigen Cookie-Restriktionen ist es, das Internet für Nutzer fairer zu gestalten, also transparenter, kontrollierbarer und nachvollziehbarer. Vor diesem Hintergrund sehe ich die Gefahr, dass für Universal Ad IDs nachreguliert wird. Nicht sofort, aber mittelfristig. Eine zweite große Unbekannte sind auch hier die Browseranbieter, die bereits beim Cookie-Blocking vorgeprescht sind. Es ist fraglich, dass sie es auch in Zukunft tolerieren werden, dass die IDs mit Cookies oder Geräte-IDs angereichert werden. Beide Faktoren könnten die Möglichkeiten der Universal IDs eingrenzen.

ADZINE: Wie wird deiner Meinung nach die digitale Werbezukunft aussehen?

Zinnöcker: Es wird mehrere parallele Lösungen geben, um Targeting und Tracking zu ermöglichen. Insgesamt wird sich die digitale Werbung aber wandeln. Im klassischen Bereich können Nutzer nicht kanalübergreifend gemessen und ihr Verhalten nicht über alle Touchpoints nachvollzogen werden. Das wird sich digital auf eine ähnliche Weise etablieren. Die Marktforschung wird im digitalen Marketing stärker in den Fokus rücken.

ADZINE: Danke für das Interview, Jonas!

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